Paradebeispiel Werder: Über den Schwund von Tradition und Kultur im modernen Fußball

Werder Bremen ist der unbeliebteste Klub der vergangenen Bundesliga-Saison
Werder Bremen ist der unbeliebteste Klub der vergangenen Bundesliga-Saison / Stuart Franklin/GettyImages
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Werder Bremen ist laut Studie der unbeliebteste Verein der vergangenen Bundesliga-Saison. Klar, so ein Abstieg hinterlässt seine Spuren. Doch wie kann es sein, dass ein solch geschichtsträchtiger Klub einen derartigen Sympathieverlust hinnehmen muss? Ein Kommentar über den Schwund von Tradition und Kultur im modernen Fußball.


Das Marktforschungsinstitut SLC Management befragte deutschlandweit über 30.000 Personen bezüglich der Beliebtheit aller Erstliga-Klubs aus der vergangenen Spielzeit. Die große Überraschung: Werder rutschte im Vergleich zum Vorjahr vom Mittelmaß (Rang neun) auf den allerletzten Tabellenplatz. Neben der allgemeinen Sympathie gegenüber der Klubs flossen auch objektive Zahlen wie die Mitglieder- und Fanclub-Anzahl sowie die TV- und Social-Media-Reichweite in das Ergebnis mit ein.

Die Zeit des sympathischen SVW nimmt damit ihr Ende. Lange Zeit drückten auch viele Fans anderer Klubs den Grün-Weißen (international) gerne die Daumen. Doch die glorreiche Epoche der Champions League ist längst passé – und dem FC Bayern wurde mit Ausnahme des Pokalhalbfinals 2019 schon ewig keine Paroli mehr geboten.

Werder ist für den modernen Fußballfan nicht mehr spannend

Werder ist nicht mehr sexy – auch, weil der Erfolg ausbleibt. Eine Entwicklung, die unter (jungen) Fußballfans kaum zu vermeiden ist. Stars werden am Osterdeich gänzlich vermisst. Kaum ein Bremer Spieler ist für die Weekend League in FIFA geeignet. Mit dem Werder-Trikot über den heimischen Sportplatz zu flitzen, ist nach den Abgängen von Özil und Diego, allerspätestens aber nach den Abgängen von De Bruyne und Gnabry absolut uncool. Heutzutage müssen Spieler wie Haaland, Lewandowski, Ronaldo und Messi den Rücken zieren.

Werder Bremen fehlt es an Identifikationsfiguren
Werder fehlt es an Identifikationsfiguren wie Diego es war / Etsuo Hara/GettyImages

Das große Problem im modernen Fußball: Fans identifizieren sich immer mehr mit den Stars und nicht mit den Vereinen an sich. So kann es gut und gerne vorkommen, dass sich im Kleiderschrank neben dem Ronaldo-Trikot aus Real- und Juve-Zeiten neuerdings auch sein United-Trikot gesellt. Das Gefühl, mit Gleichgesinnten einen (lokalen) Fußballverein zu supporten, bei dem viele (leider nie alle) Spieler noch für ihren Verein, für die Stadt und für die Region brennen, kennen die meisten nicht mehr. Wichtiger ist, dass der Lieblingsprofi einen coolen Jubel parat hat und wegen seines schicken Tores eine Inform-Karte bei FIFA erhält.   

Kommerzialisierung und Medialisierung bezwecken Fußballkultur-Schwund

Die Tradition und die Fußballkultur, die in einem Verein wie Werder und einer Stadt wie Bremen herrscht, ist den Fans – der perfiden Kommerzialisierung des Fußballs geschuldet – gänzlich egal. Dass ein Verein wie Werder Bremen wegen der vielen sportlichen, menschlichen und finanziellen Fehlgriffe der vergangenen Monate und Jahre nicht zu den beliebtesten Klubs der vergangenen Spielzeit zählen darf, ist klar. Dass ein Verein wie Werder Bremen aber hinter Kommerzklubs wie RB Leipzig, 1899 Hoffenheim, VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen steht, zeigt die traurige Entwicklung des modernen Fußballs nur allzu gut auf.

"Junge Fußballfans wachsen in Zeiten einer emotionslosen, realitätsfremden und kommerzialisierten Medialisierung des Fußballs auf. "

Junge Fans wachsen in Zeiten einer emotionslosen, realitätsfremden und kommerzialisierten Medialisierung des Fußballs auf. Der Fußball, den wir einst so liebten, wird immer mehr durch Geld bestimmt. Leidenschaft und Emotionen bleiben in den Arenen von Red Bull, Volkswagen, PreZero und Co. absolute Fehlanzeige. Traditions- und geschichtsträchtige Klubs wie Alemannia Aachen, Rot-Weiß Essen, Preußen Münster, Kickers Offenbach und der 1. FC Kaiserslautern verschwinden (leider) in der Bedeutungslosigkeit. Ein Weg, der sich (langsam, aber sicher) auch in Bremen anzubahnen scheint.