Wenn es sein muss, durch das Feuer? Ein Kommentar

  • Köln entwickelt sich zurück zu Chaos-Verein
  • Baumgart-Trennung in der aktuellen Situation kaum nachvollziehbar
  • Die Fans können einem leidtun
Kölns Ex-Coach Steffen Baumgart
Kölns Ex-Coach Steffen Baumgart / Leon Kuegeler/GettyImages
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"Un mer jon met dir wenn et sin muss durch et Füer" - diese Zeile aus der legendären Hymne des 1. FC Köln hätten sich wohl einige in der Vereinsführung zu Herzen nehmen sollen. Der Effzeh steht vor wahnsinnig schweren Zeiten und die Fans können einem nur noch leidtun. Ein Kommentar.

"Und wir gehen mit dir, wenn es sein muss, durch das Feuer": Diese Zeile ist ein zentraler Teil der Kölner Hymne der Band Höhner und lässt bei eingefleischten FC-Fans Gänsehaut aufkommen. Für sie hat dieser Satz nicht nur Symbolcharakter, sondern beschreibt, was die Anhängerschaft rund um den Effzeh bereit ist, für den Verein einzustecken. Einstecken mussten die Kölner Fans tatsächlich in den letzten Tagen einiges, doch die Zukunft sieht seit der vergangenen Woche wohl noch dunkler aus.

Ich will ja nicht den Teufel an die Wand malen, aber ich frage mich persönlich schon, ob die Entscheidung, Trainer Steffen Baumgart ziehen zu lassen, bei vollem Verstand getroffen wurde. Selbst wenn Baumgart von sich aus an die Vereinsführung herangetreten ist, um anzubieten, seine Baskenmütze zu nehmen und den Trainerstuhl zu räumen, wäre es sinnvoller gewesen, dem Trainer zu signalisieren, dass er nach wie vor der richtige Mann für diesen fast unmöglichen Job ist. Die eher negative Entwicklung der Kölner ist mit großer Sicherheit nicht auf den Mist des Trainers gewachsen. Ganz im Gegenteil. Warum kam nicht genau dieses Signal an den Trainer: "Lieber Steffen, wir gehen mit dir, wenn es sein muss, auch durchs Feuer. Bitte bleib und mach weiter!"

Ein Nackenschlag folgt dem nächsten

Köln musste in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Leistungsträger abgeben. Wichtige Schlüsselspieler wie Anthony Modeste oder Ellyes Skhiri verließen Köln und hinterließen Lücken, die qualitativ nicht gleichwertig geschlossen werden konnten. Geld für echte Verstärkungen? Nicht vorhanden. Den Trainer mit einem eigentlich nur bedingt bundesligatauglichen Kader allein gelassen? Check! Den Trainer auch im Kreuzfeuer der Medien alleine gelassen? Ja, irgendwie schon. Baumgart gehen lassen, obwohl man keine Ahnung hat, wer den Karren aus dem Dreck ziehen soll? Der FC: Hold my Kölsch!

Vor wenigen Tagen sind nun noch zwei weitere Probleme hinzugekommen. Knapp 600.000 Euro Pyro-Strafe muss der Verein zahlen. Geld, das für Transfers fehlt. Doch das ist völlig Wurst, denn im Handumdrehen folgte der nächste Nackenschlag. Der internationale Sportgerichtshof CAS bestätigte die Transfersperre für den 1. FC Köln, der nun keine dringend benötigten neuen Spieler verpflichten darf. Aber auch wenn die Sperre nicht gekommen wäre, wäre kein Geld da gewesen. Es ist also ein Rattenschwanz von Ereignissen und Entwicklungen, die einem großen Verein wie diesem nicht würdig sind. Es ist peinlich, dass man es in einer Metropolregion rund um Köln und bei einem Verein dieser Größe, Strahlkraft und Tradition einfach nicht auf die Kette bekommt, Sponsoren an Land zu ziehen, die den Effzeh auf gesunde Füße stellen. Baumgart selbst hat mit seiner Arbeit als Trainer dazu beigetragen, Geld in die Kasse zu spülen. Die Teilnahme an der Conference League war ein Segen für die klammen Rheinländer, sollte man meinen. Doch wirklich klug gewirtschaftet wurde damit offenbar nicht. Selbst wenn das Geld sinnvoll investiert bzw. eingesetzt wurde, muss es doch möglich sein, dem Trainer einen Kader zur Verfügung zu stellen, mit dem er die Anforderungen des Klassenerhalts meistern kann. Wenn man das nicht kann, darf man den Trainer auch nicht daran messen, ob das funktioniert, sondern ob die Entwicklung der Spieler auf diesem Niveau dem entspricht, was im Bereich des Machbaren ist. Dann kann und darf man erst am Ende der Saison abrechnen. Dann kann man entweder sagen: "Super, es hat gereicht, schön, dass wir drin geblieben sind" oder aber: "Na ja das haben wir erwartet, nächstes Jahr kommen wir wieder".

Wer tut sich das an, Herr Keller?

Jetzt steht man da und hat neben den fehlenden finanziellen Mitteln auch noch einen Trainer verloren, der sich wie lange kein anderer mit dem Verein identifiziert und für ihn gebrannt hat. Ein Trainer, dem vielleicht fast alle bedingungslos in die 2. Bundesliga gefolgt wären und damit mehr Weitsicht bewiesen hätten als die Entscheidungsträger, die diesen Umstand jetzt zu verantworten haben. Für Köln sehe ich jetzt ehrlich gesagt kein Land mehr. Man steht tabellarisch mit dem Rücken zur Wand und kann sich beim lieben Fußballgott bedanken, dass auch Mainz 05 eine bisher schwache Saison gespielt hat. Man hätte anscheinend nicht einmal die finanziellen Mittel gehabt, um, überspitzt formuliert, die Mannschaft auf eine Runde Kölsch in die Kölner Innenstadt einzuladen, zudem hat man jetzt auch noch eine Transfersperre verhängt bekommen, die es völlig egal macht, ob man nicht doch noch irgendwo ein Sparschwein findet. Ich frage jetzt einfach mal provokant: Wer tut sich das an, Herr Keller? Welcher gestandene Trainer mit der nötigen Qualität, um den Abstieg zu verhindern, kommt jetzt nach Köln, wo er weiß, dass er beim ersten Missgeschick sofort auf die Fresse bekommt, weil die Fans lieber mit ihrem Baumi durchs Feuer gegangen wären? Vielleicht sogar und auch gezwungenermaßen mit mehr Spielern aus der eigenen Jugend. Was ist jetzt der Plan? Mit Et kütt wie et kütt un et hätt noch immer jot jejange (Es kommt wie es kommt und es ist noch immer gut gegangen) kann man ja jetzt nicht einfach zum normalen Tagesgeschäft übergehen, oder?

Es geht der, der es am wenigsten verdient hat

Noch unsinniger erscheint mir die Überlegung, dass man auf dem, was Steffen Baumgart aufgebaut hat, nun mit einem ähnlich ausgerichteten Trainer weitermachen will. War also nicht die Spielweise des Trainers das Problem, sondern die Tatsache, dass der Trainer vor kurzem zum ersten Mal den Mund aufgemacht und nach Verstärkung, nach Hilfe gerufen hat? War es zu unbequem, sich mit diesem längst überfälligen Thema auseinanderzusetzen und gegebenenfalls die Ziele an das anzupassen, was der Kader hergibt? Die Qualität Baumgarts kann nicht nur auf seine Emotionalität reduziert werden. Die Leistungen, die er zuvor bereits in Paderborn und eben zuletzt in Köln mit den vorhandenen Mitteln erzielte, sprechen für seine enorme Fußballkompetenz.

In meinen Augen lässt man nun aber denjenigen gehen, der es am wenigsten verdient hätte. Derjenige, dem man im Moment wohl als Einzigen zugetraut hätte, am Ende ein kleines Wunder zu schaffen und gleichzeitig die Entwicklung der Mannschaft voranzutreiben, nimmt seinen Hut. Inwieweit das freiwillig geschah, lasse ich dahingestellt. Die Spieler scheinen jedenfalls kein großes Problem mit ihrem Trainer gehabt zu haben. Vielmehr scheint es so, als wurde das Ego einiger Weniger über den Trainer und somit die große Mehrheit des Vereins gestellt. Das katapultiert den Verein in meinen Augen zurück in längst verdrängte Zeiten. Man gibt die einzige Konstante auf, die es in den letzten zweieinhalb Jahren gab.

Die FC-Fans trifft die Situation am härtesten

Es tut mir leid für die Kölner Fans. Sie sitzen wieder einmal im Stadion und zu Hause und müssen mit ansehen, wie die zuletzt aufgebauten sportlichen Eckpfeiler eingerissen werden. Ich bin davon überzeugt, dass es für die große Mehrheit der Fans wichtiger gewesen wäre, weiterhin einen Trainer am Spielfeldrand zu haben, mit dem man sich identifizieren kann und der das Gleiche in ungefilterter Form und in gleichem Maße zurückgibt. Die jetzige Situation habt ihr nicht verdient.

Um das Wunder Klassenerhalt, das man jetzt sicher so nennen kann, zu schaffen, sehe ich derzeit nur eine Möglichkeit: Die Vereinsführung muss den Kölner Fans ein Weihnachtsgeschenk unter den Baum legen und Steffen Baumgart zurückholen. Wie man Baumgart kennt, wäre er sicher nicht zu stolz, das Begonnene fortzusetzen. Vielmehr stellt sich die Frage, ob man an einigen Stellen im Verein genug Rückgrat hat, um dem Trainer etwas mehr Macht und Rückendeckung einzuräumen und eigene Versäumnisse nicht mehr unter den Tisch fallen zu lassen.


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