Muss Schalke jetzt Angst vor den eigenen Fans haben?

Schalke-Fans beim Derby an den Zäunen zum Stadion
Schalke-Fans beim Derby an den Zäunen zum Stadion / INA FASSBENDER/Getty Images
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Rund um das Revierderby am vergangenen Wochenende kam es auch durch Schalke-Fans zu Schlagzeilen, u.a. der Versuch ein Stadiontor zu stürmen, unterbunden durch die Polizei. Mit jedem Spiel Richtung Abstieg wächst der Frust bei den Anhängern - muss der Klub davor nun sogar Angst haben? Ein Kommentar.

Der erneut sehr schlechte Auftritt von Schalke 04 mitsamt der klaren 0:4-Niederlage, ausgerechnet im Revierderby gegen den BVB, stand am vergangenen Wochenende nicht alleine im Fokus. Dass etwa 25 Fans sogar schon vor dem Spiel ins Teamhotel ein- und laut Bild sogar bis in den (zu diesem Zeitpunkt leeren) Besprechungsraum vordringen wollten und konnten, war ein Negativ-Highlight dieses Samstags.

Auch nach dem Spiel, durch das sich die ganze Wut noch einmal vergrößert hatte, kam es zu Tumulten. Rund 300 Ultras wollen das West-Tor der Veltins-Arena stürmen, vermutlich um sich gegenüber der Mannschaft und den noch anwesenden Vereinsverantwortlichen (einige gingen aufgrund der Sicherheitshinweise frühzeitig) lautstark bemerkbar zu machen. Eine Polizei-Hundertschaft musste mit dem Einsatz von Schlagstöcken das Stadion-Tor verteidigen.

Es waren zwei Schritte einer bislang beispiellosen Eskalation. Natürlich diskutierten nicht nur diverse Reporter und Beobachter diese Entwicklung, in den sozialen Netzwerken tauschten sich auch zahlreiche weitere S04-Anhänger aus. Eine der übergeordneten Fragen: Passieren solche Vorfälle nun häufiger, je näher man dem Abstieg kommt? Auch, ob der Verein nun Angst vor den eigenen Fans haben muss, war eine der Befürchtungen.

Zahlreiche Anlässe für Wut und Enttäuschung auf Schalke - ein Ansatz zum Verständnis

Zunächst einmal gilt es, diesen ganzen Frust, diese Wut greifbar zu machen. Der Verein, der von nicht wenigen Fans mehr geliebt wird als alles andere auf dieser Welt, ist seit über einem Jahr (!) im sportlich freien Fall. Nicht-Leistung reiht sich an Nicht-Leistung, in den letzten 14 Monaten gab es zwei Siege in der Bundesliga - ansonsten rennt man am jedem Wochenende in eine erneute Enttäuschung, regelmäßig gibt es regelrechte Klatschen und Spiele, die jegliche Hoffnung auf Besserung zu vernichten wissen.

Dass der (ehrlicherweise sehr verdiente) Abstieg droht, ist zwar ein enorm großer, aber nur ein Aspekt. Auch die Außendarstellung im Kalenderjahr 2020 war - sehr freundlich formuliert - alles andere als förderlich. Schalke hat sich von den Werten und Leitgedanken des Klubs entfernt, so die Ansicht vieler.

Dazu kommt die ebenfalls seit fast einem Jahr gänzlich fehlende Möglichkeit, sich als Fans Gehör zu verschaffen. Keine Zuschauer beim Training, wo sonst schon Tausende stehen. Niemand ist im Stadion, ein Austausch mit der Mannschaft, ehrliche und direkte Gespräche sind nicht möglich.

Der S04-Fan muss also zusehen, wie sich sein über alles geliebter Verein selbst demontiert, bis er in der nächsten Saison mit einer fast gänzlich neuen Mannschaft, einer neuen Führung, aber mit den alten Schulden in der 2. Bundesliga steht. Zum ersten Mal seit der Saison 1990/91. Welcher richtige Fan wäre da denn bitte nicht sehr angefressen, wütend und enttäuscht?

Diese Erklärungen sollen jedoch nicht als Legitimation für Aktionen wie das Eindringen ins Teamhotel dienen, keineswegs. Vielmehr sollen sie zu verstehen geben, weshalb manch ein Anhänger derzeit zu solch (zu) extremen Mitteln greift und sich anders nicht zu helfen weiß.

Man ist dazu verdammt, seinem Verein beim langsamen Sterben zuzusehen, um es ganz überspitzt zu formulieren.

Bei allem Frust: Beim S04 darf niemand Angst haben müssen

Angst, allerdings, darf niemand bei Königsblau haben müssen. Es darf nicht soweit kommen, dass es zur überschnellen Flucht aus dem Stadion kommt, dass es zum Abfangen von Spielern oder Verantwortlichen auf dem Heimweg kommt, dass es zu Drohungen kommt, wie sie Marketing-Vorstand Alexander Jobst beispielsweise erhalten hat. Bei allem verständlichen Frust und all der Wut, das ist nicht Schalke. Schalke ist Zusammenhalt, selbst in der bittersten Stunde, wenn der inzwischen zu erwartende Abstieg offiziell feststehen wird.

Dennoch darf man nicht naiv sein und nun davon ausgehen, dass es für den Rest der Saison und nach den Eskapaden vom Wochenende ruhig bleiben wird. Man wird noch von der einen oder anderen Gruppe an Anhängern hören, die die Mannschaft zur Rede stellen will, die vor dem Stadion auf sich aufmerksam machen oder das Vereinsgelände mit (womöglich teils unschönen) Plakaten und Bannern behängt.

Aber auch hier gilt der Ansatz: Solange sich diese Aktionen im Rahmen halten und nicht weiter zerstören oder spalten und damit den Ansatz der noch zu erhoffenden Rettung zunichte machen, muss man Verständnis für jeden einzelnen über die Maße frustrierten und enttäuschten Anhänger der Knappen haben. Ein Plakat mit derben Worten, aber ohne Drohungen oder Beleidigungen, als Beispiel, ist natürlich nicht gleichzusetzen mit dem Eindringen ins Teamhotel.