Götterdämmerung bei Real Madrid: Die Fehler von Trainer Zinedine Zidane

Soccrates Images/Getty Images
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Nach dem blamablen Pokal-Aus gegen den Drittligisten CD Alcoyano scheinen die Tage von Trainer Zinédine Zidane bei Real Madrid gezählt. Doch eine sofortige Trennung wird es wohl trotzdem nicht geben.

Denn Trainer, die einem Klub wie Real Madrid weiterhelfen könnten, sind momentan ziemlich rar gesät. Und Trainer, die das entsprechende Profil haben (Thomas Tuchel), werden einen Teufel tun, die Mannschaft zu diesem Zeitpunkt zu übernehmen. Doch dass es nach dieser Saison einen harten Schnitt geben wird, daran zweifelt in Madrid mittlerweile keiner mehr.

Zidanes Stärke lag in seiner Biographie begründet

Fehlende taktische Raffinesse wurde dem Franzosen während seiner Trainerkarriere eigentlich schon immer nachgesagt. Seine Stärken lagen vielmehr in seiner Aura begründet, befeuert natürlich durch seine fantastische Karriere als Spieler.

Aus in der Vergangenheit getätigten Aussagen mehrerer Spieler (Benzema, Kroos - um nur zwei zu nennen) lässt sich diese quasi gottgleiche Bewunderung ihrerseits für den früheren Superstar ableiten.

Wenn Zidane seinen Spielern befahl, durchs Feuer zu gehen, schmissen sie sich ohne Zögern in die Flammen. Er machte Spieler bisweilen nur dadurch besser, dass er mit ihnen auf scheinbarer Augenhöhe agierte und sie davon überzeugen konnte, besser zu sein, als sie eigentlich sind.

Die "Methode Zidane" hat sich schlichtweg abgenutzt

Doch bislang hat noch jede Methode, eine Mannschaft zu führen, früher oder später ihren Reiz eingebüßt. Alles was über Jahre hinweg praktiziert wird (wie erfolgreich auch immer), läuft irgendwann Gefahr, in gefährlicher Stagnation, in lähmender Langeweile zu enden.

Die Anzeichen dafür im Verhältnis Zidane/Mannschaft waren schon seit einiger Zeit nicht mehr zu verkennen - das Pokalspiel am Donnerstagabend beim bescheidenen CD Alcoyano bildet den vorläufigen Tiefpunkt in dieser Entwicklung.

Und es war eine Katastrophe mit Ansage. Casemiro und Lucas Vázquez mal ausgeklammert, überließ Zidane die lästige Pokal-Aufgabe seiner zweiten Mannschaft. Die gibt es zwar in allen anderen Top-Mannschaften Europas auch, doch kann man sehr wohl Unterschiede im Umgang mit den Nicht-Gesetzten feststellen.

Zidane soll seit Monaten mit Reservisten nicht mehr gesprochen haben

Während in den meisten Fällen zumindest versucht wird, die Diskrepanz zwischen Stammkräften und Reservisten (oder Ergänzungsspielern) nicht zu groß werden zu lassen, schoss sich Zidane spätestens ab Oktober auf eine erste Formation ein, an der er im Folgenden auch nicht viel veränderte.

Mit einigen Spielern der zweiten Garde soll er nach Angaben der Madrid-nahen Marca bereits seit Monaten nicht mehr gesprochen haben. Doch genau diese in der Versenkung verschwundenen Spieler (wie die alteingesessenen Marcelo und Isco, aber auch noch relativ neue wie Vinicius Jr) sollen es dann im Pokal auf einmal reißen.

Gegen Teams, die, auch wenn sie zwei Ligen unter den Königlichen spielen, natürlich auch ein bisschen kicken können. Und vor allem motiviert sind. Mentalität schlägt Qualität: das sehen wir auch im deutschen Fußball immer wieder. Zuletzt beim Pokal-Aus der Bayern in Kiel (wobei hier nur eine Liga Differenz zwischen beiden Teams lag).

Die Entwicklung der Talente liegt brach

Ein weiterer Punkt, der Zidane angelastet wird: die mangelhafte Entwicklung der Talente. Über solche verfügen kann er im aktuellen Kader eigentlich genug. Doch weder Martin Ödegaard noch Vinicius Jr noch Rodrygo konnten sich bisher nachhaltig in die Mannschaft spielen.

Dabei hat vor allem der Norweger schon bewiesen, den Anforderungen einer so anspruchsvollen Meisterschaft wie der spanischen gewachsen zu sein. Doch das war bei der Real Sociedad (wohin der Skandinavier am liebsten wieder zurückkehren würde).

Martin Ödegaard kommt unter Zidane kaum zum Zug - und will wieder weg
Martin Ödegaard kommt unter Zidane kaum zum Zug - und will wieder weg / Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images

Real Madrid aber, so Zidane, sei etwas anderes. Mit diesem Diktum beantwortete der Franzose die erregten Fragen, warum ein Torjäger (Jovic), der vor seiner Madrider Zeit, in Frankfurt, seine Tore nach Spielen zählte, in Madrid jedoch fast nie traf, nun, nach seiner Rückkehr zu seinem Ex-Klub, wieder genau da weitermacht, wo er vor seinem Wechsel zu den Königlichen aufgehört hatte: mit Toren.

Natürlich hat Zidane nicht ganz unrecht, wenn er die Unterschiede in der medialen Wahrnehmung zwischen Spielern eines Klubs der Größe von Real Madrid mit denen von Vereinen wie Eintracht Frankfurt oder Real Sociedad hervorhebt.

Doch dass es auch bei Real Madrid anders geht, also: besser als in der sportlich ernüchternden Gegenwart, ist nicht minder richtig. Und man muss nicht unbedingt, wie die leidenschaftlichsten Nostalgiker im Klub, in die glorreichen Zeit der "Quinta del Buitre" (des "Jahrgangs des Geiers", sprich Emilio Butragueno) zurückreichen, um sich dieser besseren Zeiten zu erinnern.

Aufgrund seiner unstrittigen Verdienste wird man Zidane nicht vom Hof jagen

Doch bei aller berechtigten Kritik an Zinédine Zidane, sei natürlich auch daran erinnert, dass mit dem Franzosen (und einem Kader, der zum Träumen einlud) drei Champions-League-Trophäen in Folge geholt wurden. Es darf bezweifelt werden, dass dies in den kommenden Jahrzehnten von irgendeinem Klub (und Trainer!) wiederholt wird.

Und dass diese Mannschaft am Ende an ihren neuralgischsten Stellen auseinandergebrochen wurde (beginnend mit dem Verkauf von Top-Torjäger Cristiano Ronaldo) ist mehr dem Klub-Präsidenten Florentino Pérez als seinem Chef-Angestellten an der Seitenlinie zuzuschreiben.

Ebenso die Tatsache, dass die Königlichen, auch aufgrund der Folgen der Corona-Pandemie, im vergangenen Spätsommer zum ersten Mal seit vier Jahrzehnten keine Neuverpflichtungen tätigten. Dem Franzosen wären sicherlich ein paar Namen zwecks Blutauffrischung eingefallen.

Auch aus diesem Blickwinkel heraus, wird man Zidane nun nicht von heute auf morgen vom Hof jagen. Obwohl es auch in der Geschichte der Königlichen Beispiele en masse dafür gibt, dass das Gewesene nichts zählt. Selbst ein Alfredo di Stefano ging seinerzeit im Unfrieden. Von neueren Beispielen (Raúl, Casillas) gar nicht erst zu sprechen.

Mit Zidane wird man versuchen, die Saison einigermaßen ehrenhaft zu Ende zu bringen. In der Liga ist die Hoffnung, den enteilten Lokalrivalen Atlético noch einzuholen, bereits auf eine homöphatische Menge geschrumpft.

Letzte Ausfahrt: Champions League!

Am ehesten erhofft man sich wohl noch in der Champions League eine gewisse Wiederauferstehung vergangener, erfolgreicher Zeiten. Vorteil hier: in nur sechs Spielen könnte man sich erneut für das Finale der Königsklasse qualifizieren.

Doch diese Logik (wenige Spiele zum finalen Triumph) galt ja eigentlich auch im heimischen Pokal. Und zur Zeit dürfte schon ein Atalanta Bergamo, Gegner der blancos im Achtelfinale (24. Februar/16. März) eine hohe Hürde für die Madrilenen bedeuten.