Fußball-Fest in Down Under: Ein Erlebnisbericht von der Fußball-WM der Frauen

Around the World Cup -  FIFA Women's World Cup Australia & New Zealand 2023
Around the World Cup - FIFA Women's World Cup Australia & New Zealand 2023 / Maryam Majd/GettyImages
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Australien gilt seit jeher als sportbegeisterte Nation, mit Fußball wird es dabei aber nicht primär in Verbindung gebracht. Doch im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen zeigt sich das Land von einer ungeahnten Seite. Ein Erlebnisbericht von drei Wochen WM in Down Under:

Wäre man Mitte Juli aus rein urlaubstechnischen Gründen die weite Reise nach Australien angetreten, so hätte man sofort bei der Ankunft am Flughafen bemerkt, dass ein sportliches Großereignis bevorsteht. "Welcome to #FIFAWWC Host City Sydney" laß man dort unter anderem auf riesigen Anzeigetafeln. Diese prägen besonders die Stadtbilder der großen Metropolen Australiens und auch auf anderen Werbeflächen ließ das Land kaum eine Gelegenheit aus, um auf die WM hinzuweisen.

Besonders beliebt sind für dieses offensive Marketing, das an kaum einem Touristen oder Einwohner vorbei ging, natürlich die "Matildas", die Spielerinnen der australischen Nationalmannschaft. Ein etwa 70 Meter großes Abbild von Stürmerin Caitlin Foord zierte beispielsweise die Fassade eines riesigen Wolkenkratzers im Stadtzentrum von Sydney. Ein weiteres von Youngster Mary Fowler sollte kurze Zeit später folgen.

Auch auf der Autobahneinfahrt nach Melbourne wurden Eintreffende zunächst von einem überdimensionalen Werbeplakat begrüßt, das natürlich die "Matildas" abbildete. Auf dem Team ruhten bereits vor Beginn der WM große Hoffnungen und Erwartungen. Australien hat bis heute keine professionelle Liga im Fußball der Frauen, vielen jungen Mädchen fehlt es an Ressourcen und Zugang zu dem Sport. Es scheint, als wünsche man sich landesweit einen Effekt, wie er nach der Europameisterschaft 2022 in England zu beobachten war.

Fans At Sydney's FIFA Fan Site Watch The Matildas FIFA World Cup Game
Begeisterte Fans beim Public Viewing in Australien / Roni Bintang/GettyImages

Damals richteten die englischen Nationalspielerinnen eine Petition an die britische Regierung und forderten ein Fußball-Angebot für alle Mädchen im schulpflichtigen Alter. Anders als in England hat der Sport jedoch keine derartige Monopolstellung in Australien und konkurriert mit Cricket, Australian Football und Rugby um die Gunst der Zuschauer. Wer daher annahm, dass die Zuschauerzahlen bei der Fußball-WM der Frauen eher verhalten ausfallen würden, hat sich jedoch gewaltig getäuscht.

Zum Auftaktspiel zwischen den "Matildas" gegen Irland im Stadium Australia kamen 75.784 Fans, so viele wie noch nie zu einem Frauenfußball-Spiel in dem Land. Doch bevor Euphorie über den Rekord ausbrach, überwog bei vielen zunächst der Schock. Kurz vor Anpfiff der mit Spannung erwarteten Partie wurde bekannt, dass Star-Spielerin Sam Kerr, die zugleich die Team-Kapitänin Australien ist, aufgrund einer Verletzung die Mannschaft nicht auf den Platz führen könne.

Kerr ist aktuell DIE Sport-Ikone ihres Heimatlandes. Jeder kennt ihren Namen und fast jeder besitzt ein Fußball-Trikot mit demselben, sowie der Nummer 20. Viele junge Mädchen blicken zu ihr auf, sie ist das Vorbild für eine ganze Generation. Den Fans ist die ehrliche Bestürzung über den Ausfall Kerrs an dem Abend des australischen Eröffnungsspiels deutlich anzusehen. Immer, wenn das Gesicht der Kapitänin auf den großen Leinwänden im Stadion zu sehen ist, bricht frenetischer Applaus los, der die Bedeutung der Spielerin für den Fußball der Frauen in Australien nur noch mehr untermauert.

Sam Kerr
Sport-Ikone einer ganzen Nation: Sam Kerr / Bradley Kanaris/GettyImages

Bei Kerrs Rückkehr auf den WM-Rasen in der Achtelfinal-Partie zwischen den "Matildas" und Dänemark war der Applaus sogar noch größer. Jedoch hat sowohl das Team, als auch seine Fans in der Zeit ohne den Super-Star gelernt, neu zu denken. Das System der Nationalmannschaft ist nicht mehr nur auf Kerr ausgerichtet, denn auch andere Spielerinnen wie Hayley Raso und Caitlin Foord haben eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass auch sie Tore schießen können. Den Zuschauern sind besonders die stillen Heldinnen des Teams in kurzer Zeit ans Herz gewachsen: Interims-Kapitänin Steph Catley, Mittelfeld-Frau Katrina Gorry und Abwehr-Chefin Alanna Kennedy.

Auch ihre Namen und die vieler anderer "Matildas" finden sich auf den Fußball-Trikots, die die begeisterten Fußball-Fans während der WM auch außerhalb der Stadien tragen. Das Grün-Gold der australischen Jerseys ist zum Trend geworden und nach der überstandenen Gruppenphase herrscht große Zuversicht in Australien, dass die eigene Nationalmannschaft es bei dem Turnier weit bringen kann.

Auch Spiele ohne australische Beteiligung sind durchweg sehr gut besucht, das Interesse an den anderen Top-Teams ist groß. Viele Fans berichten, dass sie gerne zu noch mehr Partien gehen würden, doch die großen Distanzen zwischen den Spielorten stellen für viele eine zu große Herausforderung dar. Auch viele Zuschauer, die extra aus dem Ausland angereist sind, um ihre Teams vor Ort zu unterstützen, sehen sich dem selben Problem ausgesetzt. Daher ist es umso schöner zu sehen, dass viele Australier ihre Plätze in den Stadien einnehmen und auch den anderen Nationalmannschaften eine tolle Kulisse während den Spielen bieten.

Australia v Denmark: Round of 16 - FIFA Women's World Cup Australia & New Zealand 2023
Das Stadium Australia in Sydney / Maryam Majd/GettyImages

Was von der WM in Australien bleiben wird, kann man noch nicht absehen, denn es hängt auch mit dem Weiterkommen der "Matildas" im Verlauf des Turniers ab. Mit jeder Runde wächst die Begeisterung, die Spiele der australischen Mannschaft sind stets restlos ausverkauft. Das Team strotzt vor Selbstbewusstsein und die Fans haben erkannt, dass auch die anderen Spielerinnen um Sam Kerr Herausragendes auf dem Platz leisten. Zwar mag dies für Außenstehende längst klar gewesen sein, aber in Australien stößt man die Stürmerin längst nicht so schnell von ihrem Sockel.

In dem Land herrscht Fußball-Begeisterung pur und die WM ist ein eindrucksvolles Erlebnis für jeden, der vor Ort ist. Diese besondere Stimmung wird hoffentlich bis weit nach dem Finale am 20. August in Sydney anhalten.

(Anmerkung: die Autorin hat sich nur in Australien aufgehalten und kann daher nicht berichten, wie die WM im anderen Gastgeberland Neuseeland wahrgenommen wird.)