Cristiano Ronaldo in der Krise: Wird er für Portugal zum Problemfall?

Cristiano Ronaldo konnte die Nations-League-Pleite gegen Spanien nicht verhindern
Cristiano Ronaldo konnte die Nations-League-Pleite gegen Spanien nicht verhindern / Octavio Passos/GettyImages
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Bis zur 88. Minute deutete alles darauf hin, dass Portugal das 0:0 gegen Spanien über die Zeit bringt und den Einzug in die Final-Four-Serie der Nations League schafft. Dann erzielte jedoch Álvaro Morata den Treffer zum 1:0, wodurch der große Nachbar Spanien doch noch vorbeizog. Einem dürfte dies ganz besonders wenig geschmeckt haben. Die Rede ist von Cristiano Ronaldo, der mehrere gute Chancen liegen ließ und einen Großteil der Kritik abbekam. Der 37-Jährige wird für Portugal mehr und mehr zum Problemfall.


191 Spiele, 117 Tore: So die unfassbar starke Bilanz von Cristiano Ronaldo im Trikot der portugiesischen Nationalmannschaft. Der fünfmalige Weltfußballer ist der ganz große Star des Teams und eine Ikone in seiner Heimat. Das Problem ist lediglich: CR7 hat seine besten Tage hinter sich und steckt in einem - auch dem Alter geschuldeten - Formtief.

Ronaldo hat sich mit seinem Wechselwunsch sicherlich auch ein wenig selbst abgelenkt und ist bei Manchester United derzeit nur Ersatz. Auf seinen ersten Saisontreffer für die Red Devils wartet er noch immer. Zwar konnte der Angreifer zumindest im Nations-League-Spiel gegen Tschechien treffen, jedoch war auch das erst sein zweiter Treffer im Nationalteam im Jahr 2022. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 knipste CR7 noch 13-mal und schoss fünf EM-Tore in vier Spielen.

Dass es bei Ronaldo derzeit an Form und Selbstvertrauen fehlt, konnte man auch im letzten Match gegen Spanien sehen. Der Routinier hatte mehrere gute Chancen, die er jedoch allesamt nicht nutzen konnte. "Er hatte drei oder vier Chancen. Zwei sehr gute, die er meistens nutzt. Diesmal traf er nicht", kritisierte auch Nationaltrainer Fernando Santos.

Ronaldo wirkte merklich angeschlagen und geknickt und mit Sicherheit nicht so, als würde das Nations-League-Ausscheiden spurlos an ihm vorbeigehen. Der Routinier weiß eben auch, dass er unter Beobachtung steht und Leistung zeigen muss.

Ist Portugal ohne CR7 besser dran?

Immer wieder gibt es Diskussionen, dass die Mannschaft ohne Ronaldo sogar besser wäre. Der Journalist Sergio Pires von Mais Futebol erklärte das Ronaldo-Problem im März wie folgt: "Wenn Ronaldo aufläuft, wissen alle, dass der Ball möglichst oft zu ihm gepasst werden soll. Alle wollen ihn einsetzen und ihn bloß nicht verärgern. Entsprechend ist die Mannschaft nicht so frei und kreativ in ihrem Spiel wie ohne ihn."

Die Fokussierung auf Ronaldo ist gerade deshalb ein Problem, weil Portugal eine ganze Reihe an herausragenden Offensiv-Könnern hat. Zu nennen wären hierbei Spieler wie Bruno Fernandes, Bernardo Silva, João Félix, Diogo Jota und Rafael Leão. In der Vergangenheit war jedoch häufiger zu sehen, dass die genannten Spieler im Dress von Portugal nicht an ihre gewohnten Leistungen im Vereinsfußball herankommen. Dies kann sicherlich damit zu tun haben, dass Ronaldo zu sehr im Vordergrund steht.

Das beste Szenario wäre vermutlich, wenn Ronaldo einfach als Teil der Truppe fungieren würde und sich in das Mannschaftsgefüge einsortiert. Natürlich wird der Angreifer immer die Leader-Figur sein, wenn er auf dem Platz steht, jedoch darf nicht das ganze Spiel auf ihn ausgerichtet sein. Portugal hat viele Individualisten, die auf ihre Art glänzen und Spiele entscheiden können. Ein Rafael Leão macht das in Mailand beispielsweise regelmäßig.

Portugal fehlt formstarker Knipser: Ronaldo weiterhin gefragt

Es sei jedoch auch gesagt, dass es derzeit keinen klaren Mittelstürmer in Portugal gibt, der auch regelmäßig knipst. Am ehesten könnten noch João Félix oder Diogo Jota für CR7 im Mittelsturm spielen. Beide haben aber ebenfalls noch kein einziges Saisontor erzielt. Ähnlich schlecht läuft es für André Silva, der nur im Pokal gegen Teutonia Ottensen getroffen hat und nicht für die Länderspiele berufen wurde.

Gewissermaßen hat Cristiano Ronaldo also Glück, dass die anderen portugiesischen Knipser ebenfalls in einem Formtief stecken. Anderenfalls würde die Debatte noch viel lauter toben, ob Ronaldo überhaupt in der Startelf stehen darf. Ein Problem hat Portugal demnach aktuell sowieso - ob mit oder ohne Ronaldo. Klar ist jedenfalls, dass Fernando Santos den Superstar spielen lassen wird. Dies ist weniger eine sportliche, sondern mehr eine politische Entscheidung. Der 37-Jährige hat eine gigantische Fan-Base. Der Name und die Marke CR7 sind zu groß und mächtig und es gibt maximal eine Hand voll Trainer, die eine Maßnahme wie "Ronaldo auf die Bank" durchziehen würde. Fernando Santos gehört nicht zu diesen.

Der Coach ist aber dennoch gefragt, nicht die beste Lösung für Cristiano Ronaldo, sondern die beste Lösung für die portugiesische Nationalmannschaft zu finden. Dies ist schließlich sein Job. Der Trainer muss einen Spielstil finden, bei dem alle Stars gleichermaßen glänzen können. Sicherlich liegt es aber auch an Ronaldo, seine Gestik, Mimik und Ansprache anzupassen. Das Team braucht keinen Ronaldo, der meckert oder abwinkt, wenn er den Ball mal nicht bekommt, sondern muss auch das Zeichen an seine Kollegen geben, sich selbst etwas zuzutrauen. Dadurch kann er vielleicht auch die Denkweise der Mitspieler verändern, die sich über die Jahre wohl ein wenig eingebrannt hat.

Nur auf diese Weise ist die portugiesische Offensive auch heute noch stärker mit dem Mannschaftskapitän und gut genug, um bei der WM ein Wörtchen im Titelkampf mitzureden. Nach der Weltmeisterschaft ist ein Rücktritt des 191-maligen Nationalspielers ohnehin nicht wahrscheinlich - zuletzt erklärte CR7, dass er auch die EM 2024 noch mitnehmen möchte.