BVB-Boss Watzke schlägt Alarm: "Mit 5.000 Fans kann kein Bundesligist länger leben"

Hans-Joachim Watzke fürchtet um die Zukunft zahlreicher Bundesligisten.
Hans-Joachim Watzke fürchtet um die Zukunft zahlreicher Bundesligisten. / Lars Baron/Getty Images
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Die Frage nach den Zuschauern ist eines der dominierenden Themen im diesjährigen Sommer. Kein Wunder, denn die Bundesliga-Klubs trugen ihre Heimspiele seit Pandemie-Beginn fast durchgängig ohne Fans aus. Die dadurch verloren gegangenen Einnahmen machen sogar Topklubs wie Borussia Dortmund oder Bayern München zu schaffen. Zwar wird der Auftakt der neuen Saison vor Zuschauern ausgetragen werden, jedoch fürchtet BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, dass ein erneutes Zurückrudern einigen Teams das Leben kosten könnte.


Die Regeln für den Bundesliga-Start sind inzwischen bekannt. Die Teams dürfen Stand heute maximal 25.000 Zuschauer in die Arenen lassen. Allerdings dürfen diese auch nur maximal zu 50 Prozent ausgelastet sein. Watzke bezeichnet die 25.000, die in den Signal Iduna Park dürfen, als "willkürlich", zumal im BVB-Stadion (81.000 Plätze) somit genau so viele Anhänger Platz nehmen dürfen, wie in einer 50.000-Zuschauer-Arena. Eine Ausnahme-Regelung gibt es zudem in Bayern, die auf eine Obergrenze von 35 Prozent und 20.000 Fans setzen.

Sicherlich sind dies Zahlen, mit denen die meisten Klubs vorab leben und vor allem überleben können. Allerdings ist der Schein der Sicherheit ein wenig trügerisch, zumal die maximale Kapazität deutschlandweit auf 5.000 Zuschauer sinken würde, falls die Inzidenz vor Ort auf über 35 steigt und das Infektionsgeschehen nicht klar eingrenzbar ist.

Großbritannien als warnendes Beispiel: Gefährdet die Delta-Variante den Bundesliga-Auftakt vor Zuschauern?

Selbst wenn die Corona-Zahlen in Deutschland derzeit noch gut aussehen und weniger als 1.000 Menschen pro Tag erkranken, deutet sich langsam wieder eine Verschlechterung der Lage an. Die große Gefahr geht hierbei von der Delta-Variante aus, die nicht nur ansteckender ist, sondern auch durch die Impfungen weniger zuverlässig als andere Varianten vermieden werden kann.

Die inzwischen auch in Deutschland dominierende Variante hat in Großbritannien dafür gesorgt, dass alleine am Mittwoch (7. Juli) laut Worldometer mehr als 30.000 Leute erkrankt sind. Sollte sich die aggressive Variante in Deutschland auch nur ansatzweise so stark ausbreiten, wäre die Inzidenz ruckzuck wieder über 35.

Watzke mahnt: Leben nicht an Inzidenzen koppeln

Daher schlägt nun der BVB-Geschäftsführer Watzke Alarm. "Koppeln wir das ganze Leben weiter vornehmlich an die Inzidenz, spielen auch wir irgendwann wieder vor 5.000 Zuschauern", befürchtet Watzke in einem Gespräch mit der WAZ.

Wie wenig sinnvoll der alleinige Blick auf die Inzidenzen ist, zeigt uns auch das Beispiel Großbritannien. Trotz der hohen Zahlen werden derzeit nur wenige Leute aufgrund von schweren Verläufen ins Krankenhaus eingeliefert. Dies liegt an der voranschreitenden Impfkampagne. Allerdings schützen Impfungen oft nicht vor der Krankheit selbst, sondern häufig "nur" vor einem schweren Verlauf. Da Risiko-Patienten weitgehend durchgeimpft sind, wäre ein Inzidenz-Anstieg über 35 deutlich weniger schlimm, als vor dem Beginn der Impfungen.

Der Ärger und die Skepsis von Watzke sind demnach durchaus verständlich, denn nach einem gewissen Zeitpunkt wären es eben die Klubs, die von der Landkarte verschwinden. "Mit 5.000 Zuschauern kann kein Bundesligist dieses Jahr mehr leben, es würde dann die ersten Pleiten geben. Und längst nicht mehr im Fußball", berichtet der Geschäftsführer gegenüber der WAZ.

BVB verliert 4 Mio. Euro pro Geisterspiel: "Einbußen sind enorm"

Erst zuletzt erklärten die Bayern, dass man aufgrund der Corona-Pandemie und den fehlenden Zuschauern einen Umsatzverlust von 150 Millionen Euro hinnehmen musste. Watzke verdeutlicht zudem, dass jedes Geisterspiel den Klub vier Millionen Euro kostet. "Die Einbußen sind immens. Das können wir nicht noch mal schaffen", so der Borusse, der langfristig wieder mehr Zuschauer in den Arenen fordert.

Der 62-Jährige verdeutlich zudem, dass es ihm nicht nur um Fußball geht, sondern grundsätzlich darum, das Leben mit der Pandemie so normal wie möglich gestalten zu können.

"Es geht nicht bloß um den Fußball, sondern um viele, viele Branchen und Arbeitsplätze im Land. Wenn alle Impfwilligen geimpft sind, müssen wir lernen, mit diesem Virus zu leben, weil es dazu in den nächsten Jahren überhaupt keine Alternative geben wird", mahnt Watzke.

Es ist damit zu rechnen, dass die Mehrzahl der Menschen aus der Sport-, Musik- oder Unterhaltungsbranche diese These genauso unterschreiben würden.

Kritische Phase Herbst: "Inzidenzen werden mittelfristig steigen"

Bis alle Impfwilligen durchgeimpft sind, wird es jedoch noch eine Weile dauern. Laut RKI wurden deutschlandweit bislang 47.872.792 (57,6%) einmal und 33.909.828 (40,8%) vollständig geimpft. Allerdings haben wir es bei den Erstimpfungen jetzt schon damit zu tun, dass das Angebot erstmals die Nachfrage übersteigt. Eine Tatsache, die noch mehr verdeutlicht, dass die Bevölkerung langfristig mit dem Virus leben muss, da wohl zu wenige Leute impfwillig sind, um diesen vollständig in Schach zu halten.

Für die Bundesligisten beginnt mit dem kommenden Saisonstart demnach eine kritische Phase. Gerade wenn es in den Herbst hineingeht und die Zahlen saisonal-bedingt steigen, droht die 35er-Grenze schnell zu brechen, sollte dies nicht bereits zu Saisonbeginn der Fall sein.

"Die Inzidenzen werden mittelfristig wieder steigen, aber wegen der großen Zahl Geimpfter wird die Zahl klinischer Fälle sehr gering sein", erwartet auch Watzke.

Hier liegt es nun an der Politik, genauer zu differenzieren und sich nicht auf die Inzidenzen alleine zu stützen. Ansonsten werden die Arenen womöglich schon bald wieder deutlich leerer, als man sich das jetzt vorstellt - trotz Millionen von geimpften Menschen auf dem Sofa.