Warum die Enttäuschung gegen Bodø/Glimt wirklich gefährlich für den BVB ist
Von Oliver Helbig

Puh, das war dann wohl mal nichts für Borussia Dortmund. In der Champions League gelang es dem favorisierten Bundesligavertreter am Mittwochabend nicht, über ein enttäuschendes Unentschieden hinauszukommen. Der BVB scheiterte daran, über die vermeintlich kleine Hürde aus Norwegen zu hüpfen, und stolperte beim 2:2-Unentschieden gegen den FK Bodø/Glimt vor allem über sich selbst - trotz zweimaliger Führung.
Der Anschein, dass nicht jeder Dortmunder Star am gestrigen Abend an sein Leistungsmaximum ging, um voller Überzeugung einen wichtigen Dreier einzufahren, hielt sich nicht nur beim Zuschauer, sondern sorgte auch innerhalb des Dortmunder Kaders für scharfe Worte. Abwehrchef Nico Schlotterbeck teilte nach Abpfiff ordentlich gegen seine Mitspieler aus und erhielt dabei Rückendeckung von Sportdirektor Sebastian Kehl.
Mit den zwei verlorenen Punkten wird es nun eng für den BVB mit Blick auf den weiteren Saisonverlauf in der Königsklasse, denn es droht der undankbare Umweg über die Playoffs. Doch die wohl größte Gefahr nach diesem enttäuschenden Abend liegt womöglich noch im unbeleuchteten Part dieses schwarzgelben Fiaskos.
Die Dortmunder Mentalitätsfrage ist wieder zurück
Die scharfe Kritik von Nico Schlotterbeck, vor allem an den Einwechselspielern des BVB, tönte ordentlich nach. Doch womöglich liegt die größte Gefahr dieser massiven Enttäuschung des Mittwochabends gar nicht an den Problemen, die der Dortmunder Abwehrboss ansprach, sondern viel mehr am Kern des Problems und zwischen den Zeilen dessen, was gesagt wurde.
Es ist ganz offensichtlich nicht von der Hand zu weisen, dass Schlotterbeck seit geraumer Zeit in eine bedeutende Führungsrolle geschlüpft ist, in der er weiter wächst und damit mittlerweile wohl zum größten Sprachrohr des BVB aufstieg. Der deutsche Nationalspieler geht vorneweg, übernimmt Verantwortung - sportlich wie in der Außendarstellung - und quält sich auch mal durch Schmerzen, um seinen Part zum Dortmunder Erfolg beizusteuern. Grundlegende Eigenschaften bei einem Spieler, dem man als Teamkollege folgen möchte und unter dessen Führung man Fußballspiele bestreiten möchte.
Das Dortmunder Problem liegt aber wohl darin, dass Spieler von solchem Format beim BVB rar gesät zu sein scheinen und regelmäßig die alljährliche und unbeliebte Mentalitätsfrage aufkommt. Davon befreien kann man sich beim BVB angesichts solcher Auftritte wie dem gestrigen jedenfalls nicht.
Hat Schlotterbeck die Nase voll von Mittelmaß?
Der Eindruck, dass Nico Schlotterbeck in der Herangehensweise an seinen Beruf, in seiner Arbeitsmoral und in seiner Zielsetzung mit einem gewissen Alleinstellungsmerkmal im Dortmunder Kader versehen ist, wächst mit solchen Ereignissen wie am Mittwochabend.
Zumindest gibt es offenbar nicht sonderlich viele, die der energetischen Abwehrkante in dieser Hinsicht das Wasser reichen können. Und wer die Entwicklung sowie die Interviews des Abwehrspielers verfolgt, dem wird deutlich, dass sich Schlotterbeck im weiteren Verlauf seiner Karriere nicht unbedingt mit Mittelmaß zufrieden geben wird. Das wird nun zum Problem für Borussia Dortmund.
Die kleine Champions-League-Blamage gegen Bodø/Glimt hat vermutlich auch deutlich gemacht, dass Schlotterbeck beim BVB kaum Gleichgesinnte finden wird, die seine hohen Ansprüche kompromisslos teilen. Parallel dazu treffen die anhaltenden Befürchtungen, den Leistungsträger an einen der wirklich ganz großen Top-Klubs in Europa zu verlieren, die Dortmunder schwer ins Mark.
Die Gefahr, dass Nico Schlotterbeck nach dem gestrigen Abend nicht nur einschneidende und entscheidungsrelevante Gedankenanstöße für seine Zukunftsplanung erhalten hat, sondern auch zunehmend die Nase voll davon haben könnte, solche Spiele erleben und anschließend aufarbeiten zu müssen, scheint real und wächst wohl bedenklich an.
Ist Schlotterbeck einem BVB-Abschied gestern Abend näher gekommen?
Es fällt ehrlich gesagt auch nicht schwer, sich vorzustellen, dass der Abwehrchef der Borussen sich in Zukunft gern mit deutlich mehr Gleichgesinnten auf dem Rasen befinden möchte, um seine großen Titel- und Dominanzansprüche in die Realität umzusetzen. Dass dem 26-Jährigen dies bei einem Verein wie dem FC Bayern München oder dem FC Barcelona, die zu den heißesten Anwärtern auf eine Verpflichtung des Innenverteidigers gehören sollen, deutlich leichter fallen dürfte als bei Borussia Dortmund, erklärt sich dabei wohl von selbst.
Dass der Abwehrspieler neben der Enttäuschung des Vorabends auch eine eher unruhige Nacht mit leeren Blicken an die Zimmerdecke und einen nicht sonderlich freudigen Donnerstagmorgen in den Knochen hat - ebenfalls nicht schwer vorzustellen. Die Dortmunder Unfähigkeit, wie ein Top-Klub aufzutreten, droht zum Zünglein an der Waage in puncto Schlotterbeck-Entscheidung zu werden.
Nico Schlotterbeck wirkte nach dem gestrigen Spiel in sich gekehrt und nachdenklich, ehe die scharfe Kritik aus ihm herausplatzte. Er scheint weit mehr als nur eine Champions-League-Enttäuschung mit sich zu tragen. Es wirkt beinahe so, als wäre mit dem gestrigen Spiel der Zeiger in Richtung eines möglichen Abschieds vom BVB im kommenden Sommer mehr in Bewegung geraten.
Wer will es einem Starspieler mit derart hohen Ansprüchen verdenken, dass er es leid ist, diesen Ansprüchen letztlich immer wieder hinterherzulaufen? Dass Borussia Dortmund in der Königsklasse nun die Playoffs drohen, ist deshalb seit Mittwochabend vermutlich wohl das kleinere Übel.
Weitere BVB-News lesen:
feed