Zu Marozsáns Nationalteam-Rücktritt: Ein Rückblick auf ihre Karriere im DFB-Trikot

Dzsenifer Marozsan ist aus dem Nationalteam zurückgetreten
Dzsenifer Marozsan ist aus dem Nationalteam zurückgetreten / Dean Mouhtaropoulos/GettyImages
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Dzsenifer Marozsán gilt als eine der besten deutschen Fußballerinnen der vergangenen Jahre. Jetzt gab sie ihren Rücktritt aus dem Nationalteam bekannt. Ein Rückblick auf ihre Zeit im DFB-Trikot, die von Erfolgen, aber auch Verletzungen geprägt war.


Oktober 2010: Debüt im A-Nationalteam

Dzsenifer Marozsan, Martina Mueller
Marozsán bei ihrem Debüt / Boris Streubel/GettyImages

Am 28. Oktober 2010 steht Dzsenifer Marozsán zum ersten Mal für das A-Nationalteam auf dem Platz. Im Freundschaftsspiel gegen Australien wird die 18-Jährige in der 69. Minute für Inka Grings eingewechselt und darf mit ihren Kolleginnen einen 2:1-Sieg feiern.

2011: Das erste Verletzungspech

Julie Johnston, Dzsenifer Marozsan, Hanae Shibata
Beste Spielerin bei der U-20-WM 2012 / Kaz Photography/GettyImages

2011 hat Marozsán zum ersten Mal Verletzungspech: Für die Heim-WM 2011 steht sie im erweiterten Kader von Bundestrainerin Silvia Neid, aber zieht sich im Training einen Innenbandriss im rechten Knie zu. Die WM verläuft für das deutsche Team dann enttäuschend - die Übersicht von Marozsán hätte in dem ein oder anderen Spiel vielleicht gut getan. Die Mittelfeldspielerin läuft nach ihrem Comeback erstmal wieder für die U20 auf und gewinnt bei der WM 2012 die Silbermedaille und den goldenen Ball als beste Spielerin.

Das erste große Turnier: Die EM 2013

Svenja Huth, Dzsenifer Marozsan
Marozsan und Svenja Huth freuen sich über EM-Gold / Martin Rose/GettyImages

2013 gewinnt Marozsán zum ersten und einzigen Mal in ihrer Karriere die EM - für Deutschland ist es der achte Triumph. Marozsán ist Stammspielerin, auch wenn sie, wie das gesamte Team, nicht ihre Top-Leistung abruft: Das Turnier ist von vielen knappen Siegen Deutschlands geprägt, die DFB-Elf gewinnt eher mit Mentalität als mit Spielkunst ihre Duelle. Marozsán hat mit ihrem Siegtreffer zum 1:0 im Halbfinale dennoch einen großen Beitrag am Titel.

2015: Verletzungspech zum Zweiten

Wieder ist Marozsán für den WM-Kader nominiert, wieder verletzt sie sich im Training: Dieses Mal ist es eine Sprunggelenksverletzung, aber Marozsán hat Glück im Unglück. Sie kann trotzdem fünf Spiele bestreiten, erzielt beim 4:1 gegen Schweden einen wunderschönen Treffer, der später als "Tor des Monats" ausgezeichnet wird.

2016: Olympiagold - Der Maracana-Moment

Dzsenifer Marozsan, Alexandra Popp, Lena Goessling
Karrierehighlight: Der Olympia-Sieg 2016, mit einer Glanzleistung von Marozsán / Jean Catuffe/GettyImages

Rückblickend ist der Olympiasieg von 2016 wohl Marozsáns Karrierehighlight im DFB-Trikot. Nie davor und danach zaubert die Regisseurin so elegant. Aber fast hätten die Verletzungen ihr auch diesen Moment zerstört: Bis kurz vor dem Finale ist noch unklar, ob Marozsán zum Einsatz kommen würde. Letztendlich kann Silvia Neid sie gegen Schweden auf das Feld schicken, und die Mittelfeldspielerin wird im ehrwürdigen Maracana-Stadion zur Olympiaheldin. Mit einem Tor und einer Vorlage ist sie beim 2:1 die entscheidende Spielerin - es ist vielleicht Marozsáns bester Auftritt für Deutschland.

Neid sagt ihr nach dem Gewinn der Goldmedaille eine große Zukunft voraus: "Eine hervorragende Spielerin, sie ist technisch noch besser als ich es früher war, und das will was heißen", sagt die Bundestrainerin nach ihrem letzten Spiel von der Seitenlinie lachend. "In drei, vier Jahren wird sie eine Granate sein, und das schaue ich mir dann von der Tribüne aus an."

Beim Olympiasieg geht Marozsáns Stern so wirklich auf.

2016: Unter Jones Kapitänin des Nationalteams

Germany v Sweden - UEFA Women's Euro 2017: Group B
Marozsan mit der Kapitänsbinde / Catherine Ivill - AMA/GettyImages

Für ihre guten Leistungen wird Marozsán mit mehr als der Goldmedaille belohnt: Die neue Bundestrainerin Steffi Jones macht Marozsán nach dem Turnier zur Kapitänin, was sie selbst erst nicht glauben kann: Im SZ-Interview erzählt die damals 25-Jährige, dass sie erst einmal nachfragen musste, ob Jones sich nicht verwählt habe. "Ich musste schon erst ein paar Nächte schlafen, bis mir bewusst war: Du machst dein Ding weiter so wie bisher", sagt Marozsán - neben dem Platz eher eine ruhige Person.

EM 2017: Enttäuschend für Marozsán und das DFB-Team

Mit der Kapitänsbinde am Arm gehen auch neue Erwartungen einher. Vielleicht hat dieser Druck Marozsán auch gehemmt, denn an ihre Bestleistung kann sie bei der EM nicht anknüpfen. Wie die Mittelfeldregisseurin enttäuscht fast das gesamte deutsche Team und scheidet im Viertelfinale aus. Das EM-Debakel und weitere schwache Leistungen bedeuten einige Monate darauf auch das Aus von Steffi Jones als Bundestrainerin, die Marozsán sehr geschätzt hatte. Bei der EM nahm Jones sie auch gegen Kritik in Schutz: "Sie hat eben einen besonderen Anspruch, will immer etwas Besonderes und spielt nicht den einfachen Pass. Sie hat aber alles gegeben", sagte die Bundestrainerin damals.

2019: Immer wieder das Verletzungspech

Martina Voss-Tecklenburg, Dzsenifer Marozsan
Voss-Tecklenburg und Marozsan im Gespräch / Maja Hitij/GettyImages

Unter Nachfolgerin Martina Voss-Tecklenburg entscheidet sich Marozsán, die Kapitänsbinde abzugeben: "Dzseni ist im Trainingslager in Marbella auf mich zugekommen und hat mich über ihre Entscheidung informiert. Unabhängig davon: Dzseni war, ist und bleibt eine wichtige Spielerin. Sie wird ihre Rolle innerhalb des Teams mit der gleichen großen Leidenschaft ausfüllen wie zuvor", sagt Voss-Tecklenburg.

Kapitänin oder nicht, Marozsán soll bei der WM 2019 eine entscheidende Rolle spielen. Doch dann kommen wieder die Verletzungen dazwischen: Ein Bruch des mittleren Zehs ist es dieses Mal. Nach 2011, 2015 und 2019 wird es also auch dieses Jahr nichts mit einer verletzungsfreien WM. "Der Ausfall tut weh, auch mir persönlich. Und auch Dzseni musste das erstmal verarbeiten, weil es für sie ein besonderes Turnier ist", sagt Voss-Tecklenburg über die Verletzung ihrer Spielmacherin.

Am Ende verpasst Marozsán die Vorrunde und kann erst im Viertelfinale wieder eingreifen. In Rennes wird sie zur Halbzeit eingewechselt, Deutschland tut sich gegen Schweden schwer. Kann Zauberfuß Marozsán zum Gamechanger werden? 45 Minuten später steht fest, dass die Antwort 'Nein' heißt: Marozsán bleibt blass und Deutschland wird von Schweden nach allen Regeln der Kunst ausgekontert. Ein weiteres Kapitel in der frustrierenden Turniergeschichte von Dzsenifer Marozsán. So erfolgreich sie auch mit Olympique Lyon ist und reihenweise Champions-League-Titel abräumt, im DFB-Trikot will es nicht ganz klappen.

2022: Erneut ein Großturnier ohne Marozsán

Dzsenifer Marozsán, Laura Freigang
Trotz Verletzung war Marozsan bei der EM-Feier dabei und konnte Laura Freigang gratulieren / Maja Hitij/GettyImages

Die Verletzungen ziehen sich auch 2022 wie ein roter Faden durch Marozsáns Nationalteam-Geschichte. Im Mai erhält sie die Hiobsbotschaft: Kreuzbandriss. Ohne sie stürmt Deutschland ins EM-Finale, auch das Mittelfeld überzeugt. 2019 sagte Voss-Tecklenburg noch: "Dzsenifer Marozsán kann man nicht ersetzen. Das funktioniert nicht, weil sie besondere Eigenschaften und Fähigkeiten hat." Ersetzen kann sie ihre Edeltechnikerin auch in England nicht, ihren Ausfall kompensieren aber schon. Auch nach Marozsáns Rückkehr vom Kreuzbandriss im Winter 2023 hätte sie eventuell nicht mehr die allererste Geige im Nationalteam gespielt, das Trio aus Lina Magull, Lena Oberdorf und Sara Däbritz hat sich im Mittelfeld etabliert.

So oder so wird das DFB-Team Marozsán vermissen: Ihre Technik, ihre Freistöße, ihr Auge für den Pass - all das sind Fähigkeiten, die nur wenige nachahmen können. Bei der WM 2023 hätte sie noch einmal versuchen können, den Verletzungs-Fluch zu überwinden. "Ich will nicht sagen, dass ich Angst hätte, mich jetzt wieder zu verletzen", sagt Marozsán dazu: "Aber natürlich sind diese Erlebnisse ein Teil meiner persönlichen Geschichte und daher präsent bei mir." So entscheidet sie sich für ihren Rücktritt - und geht ungeachtet aller Verletzungen als eine der ganz Großen in der neueren Geschichte des DFB-Teams.