Unfassbare Szenen auf Schalke: Anonymer Profi berichtet von Verfolgungsjagd und Gewalt

Schalke 04 und der bittere Abgang in Liga 2. In der Nacht zum Mittwoch eskalierte die SItuation.
Schalke 04 und der bittere Abgang in Liga 2. In der Nacht zum Mittwoch eskalierte die SItuation. / Frederic Scheidemann/Getty Images
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Was sich die ganze Saison angedeutet hatte, aber trotzdem irgendwie unvorstellbar schien, ist bereits am 30. Spieltag wahr geworden. Der FC Schalke 04 wird in der kommenden Saison in der 2. Liga spielen. Nach der Niederlage in Bielefeld ist auch die Chance auf ein Wunder dahin. Bei einigen Anhängern hatte dies die Folge, dass sich all das Hoffen und Bangen in Wut und Hass verwandelte. Anders sind die schrecklichen Geschichten nicht zu erklären, die uns aus Gelsenkirchen erreichen.


33 Jahre nach dem letzten Abstieg werden die Königsblauen erstmals wieder in der Bundesliga fehlen. Eine Tatsache, die Spieler und Fans noch lange belasten wird. In der Nacht zum Mittwoch haben einige Anhänger leider die denkbar schlechteste Art der Frustbewältigung ausgewählt. Als der Mannschaftsbus Gelsenkirchen erreichte, kam es dort zur Eskalation zwischen Fans und den Spielen. Von Jagdszenen und Tritten bis zu demolierten Autos und geworfenen Gegenständen war alles mit dabei. Insgesamt waren 500-600 Personen beteiligt, wobei es laut Angaben der Polizei zumindest zu keinen schweren Verletzungen gekommen ist.

Anonymer Profi beschreibt dramatische Szenen: "Wir sind nur noch gerannt"

"Uns wurde laut und deutlich mitgeteilt, dass wir uns schämen sollen und sich alle Spieler ab sofort verpissen sollen, die im nächsten Jahr nicht mehr hier sein werden. Passiert das nicht, würde uns das Leben richtig zur Hölle gemacht", erklärte ein Spieler, der anonym bleiben wollte. Wie dramatisch und erschreckend die Ausschreitungen waren, verdeutlicht er mit folgendem Statement:

"Anschließend wurden wir mit Eiern beworfen. Danach ist ein Böller hochgegangen und die Situation eskalierte völlig. Die Fans sind auf uns losgegangen. Wir sind ab dann nur noch gerannt. Das war Angst, pure Angst! Ich bin nur noch gerannt. Einige von uns haben Tritte und Schläge abbekommen. Ich bin schockiert und weiß nicht, wie wir die nächsten Spiele noch bestreiten sollen".

Szenen, die im Fußball und einer friedlichen Welt nichts verloren haben.

Eskalation auf Schalke: All der angestaute Frust platzt in einem Moment

Es ist natürlich nicht das erste Mal, dass Fans und Unruhestifter nach einem Abstieg völlig durchdrehen, jedoch ist erschreckend, wie heftig die Reaktion gegen das eigene Team ausgefallen ist.

Massiv zur Eskalation dürfte beigetragen haben, dass die Fans das ganze Jahr vor dem Fernseher zuschauen mussten, wie es mit dem Klub sang- und klanglos dahinging. Die Leistungen und die Einstellung der Spieler waren einfach unwürdig für einen Verein, bei dem Kampfgeist und Wille oberste Priorität haben. Während sich die Fans ansonsten zumindest bei den Spielen mit Pfiffen und wütenden Reaktionen bemerkbar gemacht hätten, staute sich all die Wut und Enttäuschung über 30 Spiele an. Je mehr Frust sich aufbaut, desto heftige wird die Reaktion, wenn sie sich nach außen entfaltet. Genau das ist auf Schalke passiert, wenngleich diese Erklärung derartige Angriffe natürlich nicht rechtfertigt.

Gerade das letzte Jahr, das für alle Menschen eine enorme Belastungsprobe darstellte, sollte eigentlich gezeigt haben, dass es schlimmere Dinge auf der Welt gibt. All das wird letztlich jedoch eher dazu beigetragen haben, dass es zu so einer solchen Verzweiflungsreaktion kam. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass die Spieler immer noch Menschen sind, die trotz all ihrer Fehler auch als solche behandelt werden müssen.

Verachtenswert: Auch Gruppierungen aus Essen und Dortmund beteiligt

Zur Ehrenrettung der Schalke-Fans sei gesagt, dass es sich bei den Gewalttätigen nur um eine kleine Minderheit aller Anhänger handelt. Zudem sollen auch rivalisierende Fangruppierungen von Rot-Weiss Essen und Borussia Dortmund zur Eskalation beigetragen haben. Es ist ein menschlich verabscheuendes Verhalten, sich derart über die schwärzeste Stunde des Konkurrenten auszulassen und die schlechte Atmosphäre anzuheizen. Darüber hinaus ist es ein Zeichen der Respektlosigkeit, für all die Fans, die weiter hinter ihrem Verein stehen und friedlich trauern.

Ein schwerer Fehler von Schalke 04: Warum wurden die Spieler nicht geschützt?

Es bleibt jedoch auch die Frage, warum es überhaupt zu diesen Szenen kommen musste.

"Ich verstehe auch nicht, wieso man uns überhaupt den Fans ausgeliefert hat. Es hieß vom Verein, dass es nur einen kurzen Austausch geben wird. Die Polizei hat währenddessen unten gewartet", beschwert sich der anonyme Schalke-Profi.

Ein kurzer Austausch nur wenige Stunden nach dem feststehenden Abstieg? Es ist schon reiflich naiv zu glauben, dass in einer solchen Ausnahmesituation alles ruhig und gesittet abläuft. Hier hat es der Verein klar verpasst, die eigenen Spieler zu schützen. Für einen ansatzweise gefahrenlosen Austausch hätten die Emotionen noch Tage abkühlen müssen.

Amine Harit
Frederic Scheidemann/Getty Images

Am Montagmorgen reagierte der Verein im Rahmen einer Stellungsname und zeigte sich geschockt von den Ereignissen.

"Bei allem verständlichen Frust und aller nachvollziehbaren Wut über den Abstieg in die 2. Bundesliga: Der Verein wird es niemals akzeptieren, wenn die körperliche Unversehrtheit seiner Spieler und Mitarbeiter gefährdet wird. Genau das ist in der vergangenen Nacht aber durch die Handlungen von Einzelpersonen geschehen. Der Klub verurteilt dieses Verhalten aufs Schärfste und stellt sich selbstverständlich vor seine Mitarbeiter", erklärte der Verein.