Personalsorgen und taktische Defizite: Diese 3 Fragen wird Hansi Flick beantworten müssen

Nach dem Heimspiel gegen Werder Bremen wird Hansi Flick einige Fragen beantworten müssen
Nach dem Heimspiel gegen Werder Bremen wird Hansi Flick einige Fragen beantworten müssen / Alexander Hassenstein/Getty Images
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Der FC Bayern gewann gegen Werder Bremen 22 Pflichtspiele in Serie, am Samstagnachmittag reichte es allerdings nur für ein Unentschieden (1:1), bei dem die Bremer einem Sieg näher waren als der Tabellenführer aus München. Nach den gewonnenen Eindrücken wird Hansi Flick drei Fragen beantworten müssen, wenn die Bayern bis zur Winterpause erfolgreich bleiben wollen.


1. Wie löst er das Dilemma in der Abwehr?

Mit Lucas Hernandez (Mitte) fällt auch der zweite Linksverteidiger des FC Bayern aus
Mit Lucas Hernandez (Mitte) fällt auch der zweite Linksverteidiger des FC Bayern aus / Alexander Hassenstein/Getty Images

Wenn alle fit sind, ist die Breite in der Abwehr ein großer Luxus für Hansi Flick. Allerdings gehen dem FC Bayern die Linksverteidiger aus: Nachdem sich Alphonso Davies vor einem Monat gegen Eintracht Frankfurt einen Bänderriss im Sprunggelenk zugezogen hat, musste am Samstag auch Lucas Hernandez ausgewechselt werden.

Anders als Davies erlitt der Franzose lediglich eine Prellung, jedoch wird er zumindest das Champions-League-Spiel gegen RB Salzburg verpassen. Am Mittwoch dürfte David Alaba wieder auf seiner früheren Position spielen, doch wer wird den Abwehrchef in der Innenverteidigung vertreten?

Gegen Werder half Javi Martinez aus, genau wie Jerome Boateng hat aber auch der Spanier mit mangelndem Tempo zu kämpfen - weshalb RB bei dieser Besetzung zu zahlreichen Chancen kommen könnte. Naheliegend wäre eine Startelfnominierung von Niklas Süle, allerdings stand der 25-Jährige gegen Bremen nicht einmal im Kader. Nach der Entlassung aus der Quarantäne wurde er umgehend für die deutsche Nationalmannschaft berufen, gegen die Ukraine stand er 90 Minuten und gegen Spanien 45 Minuten auf dem Feld. Soll er wieder komplett fit werden, müssen die Einsatzzeiten wohldosiert sein, die Planungen von Bundestrainer Joachim Löw machen den Regenerationsprozess aber zunichte.

Alternativ könnte Benjamin Pavard in die Innenverteidigung rücken und Bouna Sarr die rechte Abwehrseite übernehmen. Beide Franzosen sind auch im November weit von ihrer Bestform entfernt, doch ohne Davies und Hernandez, mit den Tempo-Defiziten von Boateng und Martinez sowie der Belastungssteuerung bei Süle, wird Flick eine kreative Lösung finden müssen.


2. Wie löst er das Problem auf der Sechs?

Ohne Joshua Kimmich (Mitte) fehlt den Bayern ein Spielmacher
Ohne Joshua Kimmich (Mitte) fehlt den Bayern ein Spielmacher / Pool/Getty Images

Thiagos Wechsel zum FC Liverpool war ein herber Verlust für die Bayern, doch Joshua Kimmich konnte den Abgang des Spaniers kompensieren. Seit dem Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund fehlt Kimmich jedoch aufgrund einer Meniskusverletzung, weshalb Flick vorerst ohne einen Spielgestalter auskommen muss - dabei wurde Marco Roca von Espanyol Barcelona verpflichtet, um den deutschen Nationalspieler zu entlasten und/oder im Falle einer Verletzung zu ersetzen.

Noch ist der 23-jährige Spanier aber überhaupt kein Thema für einen Jokereinsatz, geschweige denn für die Anfangself. Stattdessen begann Martinez gegen Werder auf der alleinigen Sechs, obwohl der Routinier mehr Abräumer denn Spielgestalter ist. Im Anschluss an das Spiel erklärte Flick allerdings, Martinez habe "schon öfter" auf der alleinigen Sechs gespielt, sei "schon länger im Verein" und wisse daher, "was auf dieser Position erwartet wird, wie er sich da verhalten muss" (zitiert via kicker).

Stellt sich nur die Frage: Wenn Martinez ein anderer Spielertyp ist als Kimmich und Roca noch weit von Flicks Vorstellungen entfernt ist, wer soll dann die Spielmacher-Rolle übernehmen? Leon Goretzka hat seine Stärken auf der Achter-Position, dort kommt seine Aggressivität und körperliche Präsenz im Spiel gegen den Ball zum tragen, zudem glänzt er bei Angriffen mit nachrückenden Tiefenläufen. Auch Corentin Tolisso denkt offensiv und agiert mehr als Box-to-box-Spieler und nicht als ein Drahtzieher á la Kimmich oder Thiago.

Eines Tages wird Flick auf Tiago Dantas, den er dem Vernehmen nach unbedingt von Benfica verpflichten wollte, zurückgreifen. Noch soll sich der 19-jährige Portugiese aber bei der U23 entwickeln. Und solange er es nicht wagen will, Roca ins kalte Wasser zu werfen, wird er mit dem Defizit leben müssen, dass kein Spielmacher zur Verfügung steht. Dass das Offensivspiel der Bayern dann insbesondere gegen tief stehende Gegner mehr schlecht als recht funktioniert, hat das Spiel gegen Werder mehr als deutlich aufgezeigt.


3. Welchen Plan B gibt es?

Der FC Bayern braucht einen Plan B - doch dafür fehlt die Zeit
Der FC Bayern braucht einen Plan B - doch dafür fehlt die Zeit / David Ramos/Getty Images

Das Erfolgsgeheimnis der vergangenen Saison war ein klar geordnetes 4-2-3-1, bei dem die Außenverteidiger hoch schieben und die Flügelspieler in die Halbräume einrücken, damit diese Thomas Müller und Robert Lewandowski im Zentrum unterstützen können. Zusätzlich zum häufig einrückenden Goretzka ergab sich eine Konstellation, bei der bis zu fünf Spieler an der Strafraumgrenze lauerten. So konnte mindestens eine Gleichzahl im letzten Drittel hergestellt und viele Bälle erobert werden.

Allerdings sieht sich der FC Bayern aufgrund des engen Spielplans einer großen Herausforderung entgegengesetzt: Der Trainerstab muss schonend mit dem Kader umgehen. Die Nationalspieler brauchen nach den Länderspielreisen eine Verschnaufpause und auch die übrigen Stammspieler müssen öfter rotieren als ihnen lieb ist.

Um diese schwierige Phase so erfolgreich wie möglich zu überstehen, braucht es einen Plan B. Der vermochte gegen Werder aber nicht zu funktionieren. Im 4-1-4-1 fehlte - wie oben bereits angesprochen - ein Spielgestalter, weshalb Goretzka nach seiner Einwechslung nicht wie gewohnt nach vorne preschen konnte. Da sich Müller als Anspielstation häufiger fallen ließ und somit keine Räume für Lewandowski aufreißen konnte, war das Spiel deutlich statischer als sonst.

Es fehlte an Dynamik, an Bewegungen in der Spitze, an Passtempo und Passschärfe. Verlagerungen auf die Außenbahnen mündeten in Eins-gegen-eins oder Zwei-gegen-eins-Duellen, aus denen zahlreiche harmlose Flanken resultierten. Darüber hinaus stammten laut understat.com 8 der 15 Torschüsse von außerhalb des Strafraums, wobei von allen Abschlüssen nur 2 auf das Tor von Jiri Pavlenka gingen.

Die Frage nach einem Plan B ist also durchaus berechtigt. Gleichwohl ist aber nicht zu erwarten, dass Flick in dieser Phase der Saison eine Lösung erarbeiten kann. Seine Mannschaft hat alle drei Tage ein Spiel vor der Brust, in den Trainingseinheiten geht es folglich vor allem um die Regeneration. Taktische Einheiten sind kaum möglich, weshalb die Trainer viel mehr Zeit brauchen, um neue Elemente in das Spiel einzubringen. Dennoch werden Flick und sein Trainerteam in der Spielvorbereitung überlegen müssen, wie sie der Defensive mehr Stabilität und der Offensive wieder mehr Wucht verleihen können.