Merle Frohms im Porträt - Die deutsche Nummer 1 und ihr steiler Aufstieg in die Weltspitze

Merle Frohms ist innerhalb kurzer Zeit Deutschlands Nummer 1 und eine der besten Torhüterinnen der Welt geworden
Merle Frohms ist innerhalb kurzer Zeit Deutschlands Nummer 1 und eine der besten Torhüterinnen der Welt geworden / Boris Streubel/GettyImages
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Rolle und Position: Bei Wolfsburg und im Nationalteam unersetzlich

Die Flexibilität von Alexandra Popp oder Lena Oberdorf hat Merle Frohms nicht, aber das ist ihr als Torhüterin auch schwer vorzuwerfen. Frohms hat sich als klare Nummer eins im deutschen Tor etabliert und ihren Stammplatz mit konstant starken Leistungen verteidigt.

Bei vielen anderen Nationen stände wohl Ann-Katrin Berger vom FC Chelsea im Tor, die mit ihren herausragenden Reflexen und dem Ruf als Elfmeterkillerin ebenfalls zu den Besten ihres Fachs gehört. Aber Frohms ist durch ihre ruhige Art und ihre Verlässlichkeit längst unersetzlich geworden. Auch international ist sie spätestens seit der EM 2022 bekannt und als eine der besten Torhüterinnen der Welt anerkannt.

Beim VfL Wolfsburg spielt Frohms erst seit einer Saison. Das vergisst man schnell, so einfach wie sich die 28-Jährige dort eingefügt hat. Der Schritt von Eintracht Frankfurt an den Mittellandkanal ist ihr ohne Probleme gelungen, und auch in den großen Spielen war auf Frohms zu zählen. In den allermeisten Bundesliga-Spielen für den VfL kann oder muss sie sich nicht durch grandiose Paraden auszeichnen, aber ist ein verlässlicher Rückhalt.

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Frohms im Wolfsburg-Trikot / ANP/GettyImages

Karriere: Abschied und Rückkehr nach Wolfsburg

"Ich hätte nicht gedacht, dass mich der heutige Tag so bewegt. [...] Es gibt so viele schöne Momente mit dem VfL Wolfsburg, wir haben so viele Erfolge gefeiert und auch Titel gewonnen, ich kann gar nicht differenzieren, was das größte Highlight war." 

Das sagte Merle Frohms vor fünf Jahren, als noch nicht unbedingt abzusehen war, dass sie bei der WM 2023 Stammtorhüterin sein würde. Frohms verkündete damals ihren Abschied vom VfL Wolfsburg nach sieben Jahren.

Der Schritt zu Wolfsburg wirkte 2011 logisch: Frohms stammt aus Celle, nur eine Autostunde von Wolfsburg entfernt. Bei dem lokalen Verein Fortuna Celle durchlief sie die Jugendmannschaften im Juniorenbereich und ging schließlich mit 16 Jahren, wie so viele andere, den Schritt in den Frauenfußball. Damals galt sie schon als großes Torhütertalent, war laut Wolfsburgs damaligem Trainer und heutigem sportlichen Leiter Ralf Kellermann von mehreren Klubs umworben.

Auch in anderen Bereichen war Frohms talentiert: "In der Leichtathletik hätte ich es auch zu etwas bringen können. Das habe ich noch sehr lange gemacht und war darin auch nicht so schlecht. Ich glaube, wäre das zeitlich mit dem Fußball irgendwann nicht eng geworden, hätte ich das auf jeden Fall weiterverfolgt", sagte sie in der 90min-Fragerunde.

In Wolfsburg verlief zunächst alles nach Plan, bereits anderthalb Jahre nach dem Wechsel durfte Frohms ihr Debüt in der Bundesliga feiern. Danach aber kam sie hauptsächlich in der zweiten Mannschaft zum Zug, denn an der Welttorhüterin von 2014, Almuth Schult, war kein Vorbeikommen. Frohms konnte zwar Erfolge wie den Champions-League-Titel feiern, hatte daran aber keinen wirklichen Anteil.

Merle Frohms, Noelle Maritz, Alexandra Popp
Merle Frohms (Mitte) gewann bereits als Jugendliche mit dem VfL Wolfsburg die Champions League - aber nicht als Stammspielerin / Michael Regan/GettyImages

Im Alter von 23 Jahren folgte also der Schritt in den idyllischen Süden Deutschlands, und in Freiburg spielte sich Frohms wieder ins Rampenlicht. Bereits kurz nach ihrem Wechsel debütierte sie in der Nationalmannschaft.

Schrittweise ging es dann wieder in den Norden: Zunächst zu Eintracht Frankfurt (damals noch der 1. FFC Frankfurt). Dort wurde sie zur Stammtorhüterin im DFB-Team, was auch an der Schwangerschaft ihrer ehemaligen Mentorin und Konkurrentin Almuth Schult lag. Frohms machte ihre Sache als Ersatz aber so gut, dass Martina Voss-Tecklenburg ihr auch weiterhin das Vertrauen schenkte.

Auf die Nachfolge als Nummer eins beim Nationalteam folgte im letzten Sommer die Nachfolge als Nummer eins bei Wolfsburg: Da es Schult in die USA zog, kaufte der VfL Frohms aus ihrem Vertrag in Frankfurt heraus - eine besondere Rückkehr für sie. In Wolfsburg hat sie sichtlich nochmal einen Schritt nach vorne gemacht und wirkt souveräner als zuvor.

Stärken: Reflexe, Entscheidungen, Spiel mit dem Ball

Frohms hat die vermutlich besten Reflexe in der Bundesliga und ist mit ihrer Reaktionsschnelligkeit auch internationale Klasse. Welche Bälle sie teils noch aus dem WInkel kratzt, ist erstaunlich. Frohms ist mit ihren 1,75 Metern keine Riesin, hat aber viel Sprungkraft und ist sowohl was die Fuß-, als auch was die Handabwehr angeht, stark.

Frohms hat außerdem in den letzten Jahren daran gearbeitet, die richtige Entscheidung beim Herausgehen aus ihrem Tor zu treffen. Inzwischen kommt sie den entgegenstürmenden Gegnerinnen früher als zuvor - aber nicht überfrüht - entgegen und macht es ihnen im Eins-gegen-Eins-Duell alles andere als leicht. Hier merkt man der deutschen Nummer 1, zuvor teils noch zu zögerlich, auch ihr gesteigertes Selbstbewusstsein an. Das zeigte sie auch gegen Marokko, wo sie einige Konter souverän vereitelte.

Zudem kann sie gut mit dem Ball umgehen und entspricht damit dem Prototyp einer modernen Torhüterin. Frohms' Abschläge sind gut und ihre Pässe zu den Innenverteidigerinnen laufen kaum Gefahr, abgefangen zu werden. Sie wird vermutlich nicht versuchen, die gegnerischen Stürmerinnen auszudribbeln, aber Frohms ist meist souverän am Ball und lässt sich nicht so leicht unter Druck setzen.

Außerdem ist sie eine lautstarke Torhüterin, die das Spiel von hinten anleiten will und der Verteidigung öfters mal sagt, wenn sie mit deren Positionierung nicht zufrieden ist. Damit ist Frohms auch schon eine Führungsspielerin auf dem Platz und gibt der Abwehrkette das Gefühl, ein sicherer Rückhalt zu sein. Das gilt besonders auch in Spielen, in denen Deutschland defensiv Probleme hat.

Schwächen: Missverständnisse und Flanken

Frohms profitiert davon, eine eingespielte Abwehrreihe vor sich zu haben - dann funktioniert die Abstimmung mit den Vorderleuten am besten. Bei Deutschland ist das dieses Jahr nicht wirklich der Fall, da Verletzungen Martina Voss-Tecklenburg zum Improvisieren zwangen. Daher wird ein wichtiger Faktor sein, wie schnell sich Frohms mit den Innenverteidigerinnen einspielt. In der Vergangenheit führten Missverständnisse zwischen ihr und den Abwehrspielerinnen schon öfters für den Gegner zum Erfolg.

Ein weiterer Punkt, bei dem die Abstimmung wichtig ist, sind die Flanken. Bei ihrer Größe hat Frohms nicht immer die Lufthoheit und wurde schon das ein oder andere Mal von einer Hereingabe kalt erwischt.

Alles in allem hat Merle Frohms in den letzten Jahren eine steile Entwicklung genommen, die auf ihren Ehrgeiz und gute Entscheidungen bei der Wahl ihrer Clubs zurückzuführen ist. In vielen Begegnungen hält sie ihr Team mit Glanzparaden im Spiel, sodass sie auch bei der WM eine Schlüsselspielerin sein wird.