Das Spiel mit den Millionen: Wie stark hat sich der Transfermarkt im Zuge der Corona-Krise verändert?

Seit der Verpflichtung von Leroy Sané (l.) hält sich der FC Bayern auf dem Transfermarkt zurück - dabei ist Bedarf vorhanden
Seit der Verpflichtung von Leroy Sané (l.) hält sich der FC Bayern auf dem Transfermarkt zurück - dabei ist Bedarf vorhanden / Handout/Getty Images
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Als die Corona-Pandemie den Fußball stillgelegt hatte, wurden Veränderungen auf dem Transfermarkt prognostiziert. Gesprochen wurde unter anderem von geringeren Ablösesummen. Doch es stellt sich die Frage: Was genau hat sich verändert?

Die Fußball-Blase ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Immer teurere TV-Verträge haben insbesondere den englischen Vereinen enorm viel Geld in die Kassen gespült. Das hat für einen stetigen Anstieg der Ablösesummen und Gehälter gesorgt - denn die Konkurrenz musste nachziehen, um im Kampf um die Top-Spieler nicht das Nachsehen zu haben.

Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, wie fragil das wirtschaftliche Konstrukt vieler Fußballvereine ist. Europaweit verzichteten zahlreiche Mannschaften auf einen prozentualen Anteil ihrer Monatsgehälter, etwa damit die übrigen Angestellten weiterhin ihr volles Gehalt erhalten konnten. Und ohne Zuschauereinnahmen, vor allem aber ohne TV-Gelder, drohte der ein oder andere Verein wirtschaftlich zusammenzubrechen. Mittlerweile hat sich die Situation gebessert, vereinzelt aber wird über einen erneuten Gehaltsverzicht diskutiert, wie beispielsweise bei Werder Bremen.

Diese Entwicklung sollte sich auch auf den Transfermarkt auswirken. So wurde es zumindest prognostiziert. Die Rede war von geringeren Ablösesummen und Gehältern, die aufgrund fehlender Daten aber nicht beleuchtet werden können. Der Fokus liegt daher auf den Ablösesummen. Im Transfersommer 2019 investierten die Vereine aus den Top-5-Ligen (Bundesliga, Premier League, La Liga, Serie A, Ligue 1) rund 5,58 Milliarden Euro in neues Spielermaterial (via transfermarkt.de). Aktuell, knapp ein Monat vor Ende des Transferfensters 2020, liegen die Ausgaben bei rund 2,19 Milliarden Euro. Am wenigsten hat die Bundesliga investiert (203,8 Millionen Euro), unangefochtener Spitzenreiter ist die Premier League (830,51 Millionen Euro).

Keine Investitionsbereitschaft, kein Rabatt

Bis zum Transferschluss am 5. Oktober können und werden die Zahlen noch einmal steigen, doch nach einem Blick auf die bisherigen Ausgaben und nach dem Anhören zahlreicher Aussagen von Vereinsverantwortlichen lässt sich festhalten: Ja, die Pandemie hatte Auswirkungen auf die Ausgaben. Denn aufgrund der finanziellen Abstriche fehlt entweder das nötige Geld, um auf dem Transfermarkt aktiv zu werden - exemplarisch wären aus der Bundesliga der 1. FC Köln und RB Leipzig zu nennen -, oder die Bereitschaft zu investieren ist nicht vorhanden, wie beispielsweise beim FC Bayern (zumindest nach dem Transfer von Leroy Sané) oder dem FC Liverpool.

Wer gut aufgestellt ist, darf viel verlangen: Für Jadon Sancho wollte der BVB 120 Millionen Euro
Wer gut aufgestellt ist, darf viel verlangen: Für Jadon Sancho wollte der BVB 120 Millionen Euro / DeFodi Images/Getty Images

Jedoch agieren einige Vereine widersprüchlich. Denn einerseits können oder wollen sie nicht investieren, gleichwohl aber werden die Ablöseforderungen nicht an diese spezielle Situation angepasst. Borussia Dortmund hielt beispielsweise an der Forderung in Höhe von 120 Millionen Euro für Jadon Sancho fest - wohlwissend, dass kein Verein diese Summe zahlen würde und dass man auch nicht darauf angewiesen ist, ihn in diesem Sommer zu verkaufen. Bayer Leverkusen hielt ebenfalls an einer dreistelligen Millionensumme für Kai Havertz fest und durfte sich über eine Einigung mit dem FC Chelsea freuen: Die Londoner, die aufgrund einer Transfersperre im vergangenen Jahr und dem Verkauf von Eden Hazard an Real Madrid viel Geld angespart haben, haben 80 Millionen Euro an die Werkself überwiesen und ihr weitere 20 Millionen zugesichert.

Königstransfer des FC Chelsea? Für ein Gesamtpaket von 100 Millionen Euro hat sich Kai Havertz den Blues angeschlossen
Königstransfer des FC Chelsea? Für ein Gesamtpaket von 100 Millionen Euro hat sich Kai Havertz den Blues angeschlossen / Matthias Hangst/Getty Images

Laut transfermarkt.de übersteigen die Investitionen der Blues die der gesamten Bundesliga. Dem Portal zufolge zahlte der Verein von Oligarch Roman Abramowitsch für Havertz, Timo Werner, Ben Chilwell und Hakim Ziyech Ablösesummen über 223,2 Millionen Euro, wobei im Gegenzug nur 74 Millionen Euro für Stürmer Álvaro Morata, Mittelfeldspieler Mario Pasalic und Linksaußen Nathan eingenommen wurden. Der Champions-League-Achtelfinalist ist aus den oben genannten Gründen quasi unberührt von der Pandemie - damit aber alleine. Aufgrund der finanziellen Möglichkeiten war Chelsea im Rennen um Werner und Havertz konkurrenzlos; das könnte ein entscheidender Vorteil für die kommende Saison und darüber hinaus sein.

Anzahl an Leih-Transfers fast unverändert

Viele andere Vereine wollen derweil erst investieren, wenn eigene Leistungsträger verkauft werden und deren Einnahmen den finanziellen Spielraum vergrößern. Nur befinden sich die Klubs in einem Teufelskreis, wenn niemand auf die Forderungen eingehen kann oder will. Aus diesem herauszukommen, erscheint beinahe unmöglich, weshalb auch über eine drohende Flut an Leih-Verpflichtungen gesprochen wurde.

Zum aktuellen Zeitpunkt lässt diese aber auf sich warten. Im Vergleich zum Sommer-Transferfenster 2019 haben die Vereine aus der Premier League, La Liga, Serie A und Ligue 1 im aktuellen Transferfenster weniger Spieler ausgeliehen, einzig die Bundesliga verzeichnet einen minimalen Anstieg. Da transfermarkt.de allerdings auch die Spieler auflistet, die von einer Leihe zu ihrem Verein zurückgekehrt sind, dürften die tatsächlichen Zahlen beider Jahre niedriger sein als dort angegeben.

Ziehen die Spitzenklubs davon?

Beobachtungen wie diese sind selbstverständlich ohne Gewähr, da sich die Zahlen binnen weniger Stunden aufgrund weiterer Transfers verändern können. Allgemeine Beobachtungen lassen allerdings darauf schließen, dass die finanziellen Möglichkeiten der Vereine deutlich eingeschränkt sind. Auch wenn vereinzelt große Transfers über die Bühne gehen, können diese - wie schon in der Vergangenheit - nur die europäischen Spitzenvereine stemmen. Vereine aus dem Mittelfeld oder dem unteren Drittel der Tabelle haben dagegen einen noch kleineren Spielraum als sonst und bewegen sich Tag für Tag auf einem schmalen Grat. Von ihnen wird kein Spieler für unverkäuflich erklärt, doch jeder Akteur hat einen gewissen Preis - und aufgrund der gestiegenen Ablösesummen sind diese Preise nur von wenigen Vereinen bezahlbar.

Wann wieder Normalität einkehren wird, ist ungewiss. Wenn überhaupt, dürfen die Stadien zu Saisonbeginn nur zu einem geringen Teil ausgelastet werden, zudem werden in der Bundesliga mit dem Start der neuen Rechteperiode weniger TV-Gelder ausgeschüttet. Die Vereine werden also weiterhin Defizite verzeichnen, weshalb der Transfermarkt sich auch im kommenden Jahr schwierig gestalten dürfte. Ob sich der Vorteil der Top-Klubs vergrößert, bleibt darüber hinaus abzuwarten. Denn auch sie müssen sparen, gleichzeitig haben sie aber mehr Geld zur Verfügung, das im Zuge der Pandemie noch wertvoller geworden ist. Man darf gespannt sein, welchen Verlauf die Entwicklungen nehmen werden.