Die tragische Geschichte des Christoph Daum!

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Da der Beruf "Trainer" in den letzten Monaten in seinem Ruf (vor allem in der Bundesrepublik) stark gelitten hat, haben wir von 90min uns vorgenommen, hier gegenzusteuern.

In unserer Reihe stellen wir die legendärsten Trainer der Bundesliga vor - neben Gyula Lorant und ​Zlatko Cajkovski auch dabei: Christoph Daum.

Wohl kaum ein anderer Trainer steht so sehr für die alte Geschichte vom hohen Aufstieg und dem anschließenden tiefen Fall - Comeback eingeschlossen - wie . Aus dem scheinbaren Nichts auf die große Bühne Profi-Fußball gekommen, ärgerte er einige Zeit sogar die großen (und damals schon fast unantastbaren) Bayern - und stolperte anschließend über sein eigenes Haar. 

Erste Erfolge in Köln


​Es ist die Saison 1988/89. Seit Wochen liefern sich der 1.FC Köln und der FC Bayern ein erbittertes Kopf-an-Kopf-Rennen um die deutsche Meisterschaft. Auf Seiten der Münchener: ein erfahrener Trainer namens Jupp Heynckes, auf Kölner Seite ein Emporkömmling namens Daum. Im Zuge der eskalierenden Rivalität zwischen den beiden Klubs sollte er noch zum Däumling werden. 

Fünf Tage vor dem womöglich alles entscheidenden Spiel in Köln-Müngersdorf lädt das aktuelle sportstudio, mit Moderator Bernd Heller, Vertreter der beiden Vereine zum öffentlichen Schlagabtausch ein. Es sollte eine Sternstunde des deutschen Live-Fernsehens werden. Beleidigungen, Unterstellungen, gegenseitige Anschuldigungen - vor einem Millionenpublikum zoffen sich ​Uli Hoeneß und Jupp Heynckes auf Münchener Seite, und Udo Lattek (mit Bayern-Vergangenheit!) und Christoph Daum derart heftig, dass der Auftritt über Tage das vorherrschende Gesprächsthema bleiben sollte. 

Fünf Tage später ist der Showdown beendet, haben die Bayern Hoeneß´ Ankündigung vom vorherigen Samstagabend ("Am nächsten Donnerstag ist der Weg für dich zuende!") in die Tat umgesetzt - und Daum seine erste Niederlage einstecken müssen. Doch diesen Mann kann das nicht erschrecken. Mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen ausgestattet, führt er die Kölner auch in den Folgejahren zu sportlichen Erfolgen (wenn auch ohne zählbare Titel). 

Man kann sagen, dass Daum einer der ersten Method-Acting-Trainer der Bundesliga-Geschichte war. Was sollte ein Trainer Ende der achtziger Jahre seinen Spielern auch noch beibringen? Wie man einen Querpass über zehn Meter an den Mann bringt? Wo man bei einer Ecke zu stehen hat? Nein, Daums Ansatz war ein psychologischer. Er ließ seine Spieler über glühende Kohlen laufen, erinnerte sie mit in der Kabine aufgehängten Presse-Artikeln daran, was ihren Kritikern zufolge zu tun ist - kurz: er war mehr Motivator denn Übungsleiter. Und das System schien zu funktionieren, die Spieler folgten dem Guru bedingungslos. 

Meister mit dem VfB - und der Fehler von Leeds

Nach dem 1.FC Köln, wo Daum im Sommer 1990 und ohne Angabe von Gründen, gefeuert wurde, heuerte er beim VfB Stuttgart an. Den drehte er mit bekannten Methoden ebenfalls auf links, bewahrte ihn im ersten Jahr vor dem Abstieg, um in der Saison 1991/92 sensationell die Meisterschaft ins Ländle zu holen. Daum triumphierte über die Bayern. Die Genugtuung, die der gebürtige Zwickauer dabei empfunden haben muss, kann man erahnen. Doch Daums Geschichte ist eine mit tragischem Unterton. Denn schon in der gewonnenen Meisterschaft 1992 liegt der Keim für seine größte sportliche Katastrophe. 

Szenen-Wechsel: das nordenglische Leeds im September 1992. Qualifikation für die Endrunde der Champions League. Es geht um viele, viele Millionen. Das Hinspiel haben die Schwaben im Neckarstadion mit 3:0 gewonnen. Eigentlich um ein oder zwei Tore zu hoch, aber danach fragt im Fußball normalerweise keiner. In England sieht es dann aber ziemlich schlecht aus: zehn Minuten vor Schluss geht Leeds mit 4:1 in Führung. Doch das würde immer noch zum Weiterkommen reichen. Um Zeit von der Uhr zu nehmen, wechselt Daum das dritte Mal aus. Es ist ein verhängnisvoller Wechsel. Jovica Simanic, bislang kaum mit Einsätzen bei den Schwaben, kommt für Gaudino. Das Problem: mit Adrian Knup (Schweiz), Eyjolfur Sverrisson (Island) und Slobodan Dubajic (Serbien) standen schon drei Nicht-EU-Ausländer (so hieß das damals) auf dem Platz. Mehr als drei sind nicht erlaubt. Mit Simanic sind es nun deren vier. Und das merken natürlich auch die Engländer. 

Auch hier wieder das tragische Element: die Offiziellen beim VfB bemerken ihren Fehler erst gar nicht, feiern den Einzug in die lukrative Königsklasse. Erst auf dem Rückflug nach Deutschland schwant ihnen etwas. Und die Dinge nehmen ihren Lauf: fristgemäß legt Leeds United Einspruch gegen die Wertung des Spieles ein, dem - erwartungsgemäß - stattgegeben wird. Doch das Urteil ist salomonisch: das Spiel wird mit 3:0 für Leeds gewertet, so dass ein Entscheidungsspiel her muss. Das findet in Barcelona statt. Doch die schon in Euphorie begriffene Mannschaft des VfB wird jäh aus ihren Träumen gerissen und kann danach den Schalter nicht mehr umlegen. Im riesigen und ebenso leeren Nou Camp verliert der VfB 2:1 und fliegt aus der Champions League. Erholen soll sich Daum von diesem Fehler nicht mehr. Zur Winterpause der folgenden Saison ist für ihn auch in Stuttgart Schluss. Er flieht in die Türkei. 

Comeback in Leverkusen - dann kommt die Haarprobe

Nach einer erfolgreichen Zeit bei Besiktas Istanbul kehrt Christoph Daum im Jahr 1996 zurück in die Bundesliga. Und er macht da weiter, wo er in Stuttgart und Köln aufgehört hatte: er führt die Bayer-Truppe auf ein neues Level. Vizemeister in seinem ersten Jahr, dazu persönliche Auszeichnungen (wie der Trainer-Fuxx des Jahres) bestätigen, was alle denken: Daum ist (wieder) angekommen im deutschen Spitzenfußball. Vielleicht kann der ja sogar Bundestrainer. Fünf Jahre später ist es soweit: nur noch Formalitäten scheinen zu klären zu sein, bevor Daum das höchste Traineramt in Deutschland annehmen kann. 

Doch die Tragödie ist schon geschrieben: ausgerechnet sein alter Erzfeind aus München will von befreundeten Journalisten erfahren haben, dass "der verschnupfte Herr Daum" vielleicht doch nicht die beste Lösung für da Bundestrainer-Amt darstellt. Die kaum verhohlene Aussage Hoeneß' , Daum habe ein Kokain-Problem, frisst sich wie ein Laubfeuer durch den deutschen Medienwald. Als sich die Indizien verdichten, begeht Daum wieder einen verhängnisvollen Fehler: er lässt, ohne Not, eine Haarprobe in Auftrag geben. Das Ergebnis: positiv. Die Folge: Daum noch vor seiner Amtsübernahme als Bundestrainer gescheitert. Erneute Flucht, diesmal in die USA, um Abstand zu gewinnen. Zu Deutschland, zur Bundesliga und - vielleicht auch zu Uli Hoeneß. Auch nach dieser Zäsur des Jahres 2000 hat Daum, im In-wie im Ausland, gearbeitet, kurzweilig sogar als rumänischer Nationaltrainer. An seine stürmischen und erfolgreichen ersten Jahre in Köln, Stuttgart und Leverkusen konnte er jedoch nie wieder anschließen.