Kurzschlussreaktion bei den Bayern-Bossen? Die Kovac-Frage kommt zu früh

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Der​  ​FC Bayern München weiß immer noch nicht, wie er die laufende Saison beurteilen soll. Auch der Sportdirektor des FCB, Hasan Salihamidzic, konnte am gestrigen Abend im Aktuellen Sportstudio des ZDF keine klare Antworten auf die Fragen rund um die Saisonbewertung und Trainer Kovac finden. Zurecht? Oder ist gerade das Zögern mit klaren Antworten ein Grund für die noch immer ungeklärte Meisterschaft?

Die Bayern verpassten es gestern, Nägel mit Köpfen zu machen und die Meisterschaft zu gewinnen. Durch das 0:0 in Leipzig hat man zwar am letzten Spieltag alles selber in der Hand, jedoch darf Borussia Dortmund als Zweiter immer noch hoffen und lauern. Im DFB Pokal treffen Bayern und Leipzig im Finale wieder aufeinander, das Double ist für den Rekordmeister also noch drin. Das Triple längst nicht mehr, nachdem der FCB im Achtelfinale der UEFA Champions League gegen den FC Liverpool ausschied. 

Wie würde Salihamidzic nun die laufende Saison bewerten? Im Falle eines Gewinnes der Meisterschaft mit einer Zwei Plus, so der Sportdirektor im Aktuellen Sportstudio. Falls die Meisterschaft noch verspielt wird, sei es eine "scheiss Saison". Die Saison bewerten werde er aber erst nach dem letzten Spieltag.

Gilt das auch für die Jobgarantie von Trainer Kovac? Hier vermeidet Salihamidzic ein klares Bekenntnis. Sei eine Entscheidung in der Trainerfrage bereits gefallen? "Der Trainer hat die volle Unterstützung." Die Entscheidung sei also noch nicht gefallen? "Die Fakten sprechen für Niko Kovac." Also bleibt er Trainer? "Er hat die volle Unterstützung von mir." Also ja? "Werden wir sehen." Und wie sieht es mit den Meinungen von Rummenigge und Hoeneß aus? "Ich kann nur für mich sprechen." Nicht nur Moderator Jochen Beyer waren die Fragezeichen anzusehen. 

Also, lieber FCB. Stand jetzt, um es mit Kovacs Worten zu sagen, ist das Double weiterhin machbar. In der Champions League seid ihr gegen einen Finalisten ausgeschieden, der mal eben den FC Barcelona zuhause 4:0 weggefegt hat. Mit einer beneidenswerten Ruhe habt ihr Borussia Dortmund nicht nur eingeholt, sondern auch überholt. Und das alles mit einem Trainer, der das erste mal auf dem großen Parkett steht. 

Es muss sich wirklich die Frage gestellt werden, was der FCB vergangenen Sommer erwartete, als man Kovac an die Säbener Straße holte. Viele haben es geahnt, dass der 47-Jährige sich erstmal an die Luft in München gewöhnen muss. Und wie sich zeigte, hatten die anderen Vereine in der Bundesliga kräftig aufgerüstet und spielten tatsächlich ebenbürtig mit dem großen FC Bayern.

Dennoch steht man inzwischen auf Platz Eins. Und dennoch wird man aller Voraussicht nach nächste Woche Meister werden. Und dennoch darf man noch auf den Gewinn des DFB Pokals hoffen. Ist ja nicht so, als seien die Bayern in die Europa League abgerutscht und im Pokal gegen Heidenheim rausgeflogen. Dass Kovac Entwicklungszeit in München braucht, war zu erwarten und im Laufe der Saison zu erkennen. 

Deshalb ist das ganze Hin und Her um die Trainerfrage eine Ohrfeige an die ruhige, gelassene Arbeit, die Kovac in München leistet. Da entschlossen sich die Bosse einmal, einen "No-Name"-Trainer zu holen, der international noch so gut wie nichts vorweisen kann und wundern sich dann, dass die Saison tatsächlich etwas holpert. Die öffentlichen und wenig unterstützenden Debatten um die Personalia Kovac setzen der FCB-Torte noch die Kirsche auf. Wie soll ein Trainer in Ruhe arbeiten, wenn seine Arbeit überhaupt nicht unterstützt und gefördert wird? 

Trotz guter Arbeit in der Kritik: Niko Kovac

Die fehlende, bedingungslose Unterstützung des Trainers und auch die (lächerliche) Pressekonferenz zur Verteidigung der Würde des FC Bayern zeigen, was dem FC Bayern wirklich fehlt. Selbstkritik und die Geduld, der Entwicklung in München Zeit zu lassen. Ein Umbruch wie ihn die Bosse in München wollten, ist nicht schon nach der Sommerpause zu Ende - er braucht Zeit. Langfristig gesehen sollte man doch lieber eine Gurkensaison in Kauf nehmen und die darauffolgenden Saisons erbarmungslos abliefern. Und paradoxerweise verläuft diese Saison gar nicht mal schlecht. 

Also FCB, wenn ihr wirklich nicht so sein wollt wie die 17 anderen Bundesligavereine, dann hütet euch vor Kurzschlussreaktionen und lasst der Entwicklung im Fußball seinen Lauf. Eine Zacke aus der Krone bricht sich mit der Einstellung selbst der Stern des Südens nicht aus.