Tradition, Erfolg und der Guttmann-Fluch: Das ist Benfica Lissabon

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Im diesjährigen ​Viertelfinale der Europa League trifft ​Eintracht Frankfurt auf Benfica Lissabon. Den Hessen wurde somit nach Inter Mailand ein weiterer, großer europäischer Verein zugelost, der in seiner Heimat einem Mythos gleichkommt. Die Sehnsucht auf einen internationalen Titel ist groß, doch der berühmte Guttmann-Fluch lastet bis heute auf den 'Águias', weshalb diese unbedingt das Halbfinale erreichen wollen.

Benfica Lissabon ist nicht irgendein Fußballverein. Der am 28. Februar 1904 gegründete Klub aus der portugiesischen Hauptstadt galt bis vor einigen Jahren als größter Sportverein der Welt, verzeichnete im Dezember 2016 stolze 182.164 Mitglieder und zieht laut einer UEFA-Studie des Jahres 2012 das halbe Land in den Bann: So seien 47 Prozent der Portugiesen Fans des Traditionsvereins.

Die Adler, wie sie genannt werden, gehörten besonders im 20. Jahrhundert zu einem der erfolgreichsten Klubs Europas. Mit 36 Meistertiteln ist Benfica portugiesischer Rekordmeister, gewann zudem 26 Mal den nationalen Vereinspokal und setzte sich in den Jahren 1961 und 1962 die europäische Krone auf. Doch nach dem zweiten Gewinn des Europapokals der Landesmeister und der Trennung des damaligen Trainers Béla Guttmann prophezeihte dieser, dass der Verein 100 Jahre lang keinen europäischen Titel mehr gewinnen werde.

      Auch nach 57 Jahren ist der Guttmann-Fluch noch immer ungebrochen

Seither erreichte Benfica sieben weitere Endspiele, doch egal ob im Europapokal der Landesmeister, dem UEFA Cup oder der Europa League - kein einziges Mal konnten sich die Rot-Weißen erneut mit einem Titel krönen. So verlor die Mannschaft unter der damaligen Leitung von Jorge Jésus im Mai 2013 das Europa-League-Finale gegen den FC Chelsea in letzter Sekunde, ein Jahr später scheiterte man im Elfmeterschießen am FC Sevilla.

Abstieg aus der Königsklasse - erster Trainerwechsel seit 2015

In der laufenden Spielzeit erreichte Benfica in Gruppe E der Champions League hinter Ajax Amsterdam und Gruppensieger Bayern München den dritten Platz, der für die Teilnahme an der K.o.-Runde der Europa League berechtigt. Dort bezwang man zunächst Galatasaray Istanbul in der Zwischenrunde (2:1 ; 0:0), ehe Dinamo Zagreb im Achtelfinale wartete. Das Hinspiel ging überraschend mit 0:1 an die Kroaten, im Rückspiel sicherte man sich einen 3:0-Sieg in der Verlängerung.

  Brachte Benfica zurück in die Erfolgsspur: Bruno Lage

Zuvor war jedoch ein Wechsel auf der Trainerposition nötig: Rui Vitória, der seit Sommer 2015 auf der Trainerbank Platz nahm, wurde zu Beginn des Jahres entlassen und durch den früheren Nachwuchstrainer Bruno Lage ersetzt. Unter seiner Leitung feierte Benfica in 15 Spielen elf Siege, darunter ein geschichtsträchtiges 10:0 in der Liga über CD Nacional, und steht nach einem zwischenzeitlichen Rückstand von fünf Punkten auf den FC Porto punktgleich mit dem amtierenden Meister an der Tabellenspitze. 

Haris Seferovic: In Frankfurt gescheitert, in Lissabon Torjäger

Der aktuelle Top-Scorer der Liga NOS ist ein Ex-Frankfurter: Haris Seferovic. Der 27-Jährige, der derzeit aufgrund einer Leistenverletzung ausfällt, wechselte 2017 ablösefrei vom Main nach Portugal, erzielte in 21 Ligaspielen für Benfica 15 Tore, hat bereits jetzt stolze elf Treffer mehr auf dem Konto als noch im Vorjahr und traf vor seiner Verletzung in acht aufeinanderfolgenden Ligaspielen.

Doch nicht nur Seferovic macht auf sich aufmerksam, generell ist der Kader mit vielen hochkarätigen Talenten besetzt: Angreifer Joao Felix (19) steht auf dem Zettel zahlreicher Top-Klubs, auch Innenverteidiger Rúben Dias (21) und Mittelfeldspieler Gedson Fernandes (20) sind begehrt. Allerdings steht das Trio bis 2023 unter Vertrag, weshalb ein Transfer in diesem Sommer wohl kaum in Frage kommt. Anders sieht es allerdings bei Alejandro Grimaldo aus, der den Verein entgegen einer Ausstiegsklausel in Höhe von 60 Millionen Euro verlassen darf und mit Manchester City und Arsenal London in Verbindung gebracht wird.

Respekt auf beiden Seiten

Ähnlich wie Borussia Dortmund stellt Benfica Lissabon mit der Mischung aus erfahrenen Spielern und Youngsters gemeinsam mit Rio Ave FC den jüngsten Kader in Portugals Eliteliga. "Lissabon ist ein starkes Team, ein großer Klub und eine tolle Stadt. Wir freuen uns über dieses grandiose Los. In vielerlei Hinsicht ist das eine tolle Sache", sagte Eintracht-Vorstandsmitglied Axel Hellmann nach der Auslosung laut ​kicker, und auch Adi Hütter befand: "Es ist ein tolles Los, ein großer Name im europäischen Fußball. Die Reise geht weiter."

  Respekt und Vorfreude - Adi Hütter kann das Duell gegen Benfica Lissabon kaum abwarten

Doch auch bei Benfica weiß man spätestens nach dem Triumph der Hessen über Inter Mailand, dass nun ein schwieriger Gegner auf dem Programm steht. So sagte der frühere Abwehrspieler Luisao, der im September vergangenen Jahres seine Karriere beendete: "Das wird eine andere schwierige Aufgabe auf unserem Weg, einen europäischen Wettbewerb zu gewinnen. Wir wissen, dass die Eintracht eine starke Saison in Europa spielt. Wir wissen, dass das richtig schwer wird."

Somit dürften beide Mannschaften einem packenden Duell entgegenfiebern. Nicht die Commerzbank-Arena in Frankfurt, auch das Estádio da Luz, die Heimspielstätte von Benfica, entwickelt sich an solchen Abenden in einen Hexenkessel, der die Mannschaft immer wieder vorantreibt.