Gesetz des Torwarts - Kahn und Löw kritisieren Neuer

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Bei der Nationalmannschaft sollen die Spieler des FC Bayern München eigentlich neues Selbstbewusstsein für die anstehenden Monate tanken, doch die0:3-Pleite gegen die Niederlande​ sorgt nicht gerade dafür, dass die Mannschaft vor Selbstvertrauen strotzt. Im Zentrum der Kritik standen besonders Manuel Neuer und Thomas Müller, wobei sich die Mehrheit auf den Fehler des Torhüters konzentrierte.

Joshua Kimmich erlebte in der gestrigen Nations-League-Partie zwischen den Niederlanden und Deutschland ein "Spiegelbild" der vergangenen Partien beim FC Bayern - und das nicht grundlos. In der ersten halben Stunde gab die DFB-Elf das Tempo vor, hatte ein klares Plus an Torchancen, Ballbesitz und Zweikämpfen, doch der Ball wollte einfach nicht ins Tor. Stattdessen gingen die Hausherren dank Innenverteidiger Virgil van Dijk in Führung, nutzten das Momentum für sich und zogen dem Rivalen am Ende den Zahn.

"Nach dem 0:1 haben wir gemerkt, dass uns das Selbstvertrauen fehlt. Wir haben gute Chancen gehabt, schaffen es aber nicht, den Ball im Tor unterzubringen, was gut für das Selbstvertrauen wäre. Dass wir am Ende so auseinanderbrechen, ist schlecht", haderte Joachim Löw nach der Partie laut Sport1. Der Bundestrainer steht immer mehr unter Druck, ein Sieg gegen Frankreich am Dienstag ist Pflicht, um den vorzeitigen Abstieg zu vermeiden.

Allerdings hat Löw ein ganz besonderes Problem: Die Psyche seiner Spieler. Ausmachen wollte er dies unter anderem an Thomas Müller, der in der ersten Halbzeit gleich zwei hochkarätige Chancen vergab: "Normal hat er die in der Vergangenheit immer genutzt. Das zeigt, dass viele Spieler ein angekratztes Selbstvertrauen haben." Jedoch habe der Angreifer in den Trainingseinheiten einen "sehr agilen, sehr frischen Eindruck gemacht" und den "Ballast" aus München nicht mit zur Nationalmannschaft geschleppt. "Ich hatte das Gefühl, das ist der Müller, wie man ihn kannte, er geht weite Wege hinter die Abwehr und strahlt große Gefahr aus."

Thomas Müller trägt bei Weitem nicht die alleinige Schuld für die Niederlage. Doch seine vergebenen Möglichkeiten waren fast schon symbolisch für die aktuelle Situation

Angesprochen auf die vergebene Chance in der 38. Minute, als Müller freistehend nur das Außennetz traf, rätselte ZDF-Experte Oliver Kahn: "Wir sehen nicht, was im Kopf los ist, wahrscheinlich fünf Gedanken: Mach ihn, mach ihn, mach ihn" (via ​AZ). Der frühere Nationaltorhüter (86 Länderspiele) sprach ohnehin von "einer einzigen Verunsicherung", die die Mannschaft ausstrahlt. 

Eigentlich sollten diejenigen, die noch vor vier Jahren den Gewinn der Weltmeisterschaft in Brasilien feierten, vorangehen - doch davon war keine Spur. "Das bekommen sie hinten und vorne nicht hin", so Kahn. "Wenn es die Verantwortlichen nicht schaffen, die Truppe zu führen, kommt das raus, was wir hier heute sehen."

Kritik an Neuer: "Kann den Ball über die Latte lenken"

Daher holte der 49-Jährige zur Kritik aus, unter anderem gegen Manuel Neuer. Beim 0:1 sah der Keeper alles andere als gut aus, verließ die Linie beim hereinfliegenden Eckball und konnte den Abschluss von Ryan Babel nicht verhindern. Dessen Abpraller verwertete van Dijk zur Führung, weshalb Kahn deutliche Worte fand: "Es ist das Gesetz des Torwarts. Wenn Neuer aus dem Tor kommt, muss er die Flanke haben. Wenn er auf der Linie bleibt, kann er den Ball über die Latte lenken."

Oliver Kahn (l.) sparte im Gespräch mit ZDF-Moderater Jochen Breyer nicht mit Kritik

Auch in Löws Augen hätte Neuer "den Ball abfangen" können. Jedoch nahm der Bundestrainer den 32-Jährigen in Schutz: "Aber van Dijk ist auch sehr groß und kopfballstark." Insgesamt zeigte das gestrige Länderspiel: Die Probleme beim FC Bayern und innerhalb der Nationalmannschaft sind ähnlich. Konstatieren wollte dies auch Joshua Kimmich: "Wir waren ordentlich im Spiel und hatten gute Gelegenheiten. Dann kriegen wir nach einem Standard das 0:1. In der zweiten Halbzeit haben wir die Kontrolle - und hintenraus verlieren wir noch 0:3."

So zu verlieren sei "kein Zufall", die Fehler dürfe man nicht beschönigen. "Der Gegner kommt im Moment viel zu einfach zu Toren", wurde der defensive Mittelfeldspieler deutlich. Löw muss daher nun die Zügel anziehen, um eine weitere Enttäuschung gegen Frankreich zu vermeiden.