Wenn man nichts mehr zu gewinnen hat: Zidanes Rücktritt ist die logische Konsequenz

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Es gab keinen Titel, den Zinedine Zidane als Spieler nicht gewonnen hat. Als Trainer begann der Franzose ebenso erfolgreich, führte seinen Herzensverein Real Madrid endgültig wieder an die europäische Spitze - und macht nach etwas mehr als zwei Jahren Platz für jemand Neues. Der überraschende Rücktritt erfolgte jedoch nicht aus Erfolglosigkeit, viel mehr plagte den 45-Jährigen offenbar ein ganz anderes Problem: Er konnte nichts mehr gewinnen.

Schon zu seiner aktiven Zeit als Spieler war Zinedine Zidane ein absoluter Titelsammler. Der langjährige Mittelfeldkünstler von ​Juventus Turin und ​Real Madrid, der im Jahr 2001 für die damalige Rekord-Ablösesumme von 77,5 Millionen Euro in die spanische Hauptstadt wechselte, gewann nahezu jede Trophäe. Mit der französischen Nationalmannschaft wurde 'Zizou', wie er seit Jahren genannt wird, Welt- und Europameister, in Spanien und Italien feierte er insgesamt drei Meisterschaften. Zudem krönte er seine Karriere mit dem Erfolg in der Champions League im Jahr 2002, als er im Finale gegen ​Bayer Leverkusen mit einem der sehenswertesten Tore der Geschichte für die Vorentscheidung sorgte.

Der dreifache Weltfußballer (1998, 2000, 2003) blieb den Königlichen nach seinem Karriereende treu und begann nach kurzer Zeit als Berater und Sportdirektor damit, erste Erfahrungen als Trainer in der Jugendabteilung zu sammeln. Nachdem ihn Carlo Ancelotti im Sommer 2013 zum Co-Trainer ernannte, kehrte Zidane nur ein Jahr später wieder in den Nachwuchsbereich zurück. Nach anderthalb Jahren als Trainer der zweiten Mannschaft wurde er nach der Entlassung des erfolglosen Rafael Benitez im Januar 2016 als Cheftrainer installiert - und entwickelte sich nach dem Wurf ins kalte Wasser zu einem der erfolgreichsten Trainer der Klubgeschichte. 

 Bereits als Co-Trainer von Carlo Ancelotti (r.) sammelte Zidane (l.) erste Erfahrungen bei der ersten Mannschaft - und gewann an der Seite des Italieners prompt die Champions League

Zidanes Bilanz ist überragend: 149 Spiele lang betreute er die Profis an der Seitenlinie, in 105 Partien ging seine Mannschaft als Sieger vom Platz. Neben 28 Unentschieden musste Real in dieser Zeit nur 16 Niederlagen hinnehmen und sammelte im Schnitt 2,3 Punkte pro Spiel. Doch auch Titel blieben nicht auf der Strecke. Bereits wenige Monate nach der Amtsübernahme führte Zidane den Verein ins Champions-League-Finale von Mailand, wo man Atletico Madrid im Elfmeterschießen zum zweiten Mal nach 2014 bezwingen konnte. Ein Jahr später feierte man den ersten Gewinn der Meisterschaft seit 2012, zudem gelang es dem Verein als erster überhaupt, den Champions-League-Titel seit der Umbenennung des Wettbewerbs im Jahr 1992 zu verteidigen. 

Dachte Zidane bereits länger über den Rücktritt nach?

Die vergangene Spielzeit verlief allerdings etwas holprig, weshalb seit Monaten über eine mögliche Entlassung des Franzosen spekuliert wurde. Zidane ließ sich davon allerdings nicht aus der Ruhe bringen - auch wenn die Meisterschaft in diesem Jahr klar an den FC Barcelona ging und man in der Copa del Rey überraschenderweise im Viertelfinale an CD Leganes scheiterte. Doch auf die Champions League war Verlass, weshalb sich Real am vergangenen Wochenende beim ​3:1-Sieg über den FC Liverpool ​zum dritten Mal in Folge die europäische Krone aufsetzte.

 Vor vier Tagen feierte die Mannschaft Zinedine Zidane frenetisch - dazu wird es in Zukunft nicht mehr kommen

Nun allerdings ist Schluss. "Ich habe die Entscheidung getroffen, als Trainer von Real Madrid nicht weiterzumachen. Es ist ein seltsamer Moment, aber dieses Team braucht eine Veränderung, um weiter zu gewinnen", sagte der Erfolgstrainer am Donnerstag auf der Pressekonferenz, bei der er seinen unerwarteten Rücktritt erklärte. Dieser Schritt scheint wohl überlegt zu sein und könnte in den vergangenen Monaten immer weiter gereift sein.

Es scheint möglich, dass Zidane bereits während der abgelaufenen Spielzeit gemerkt hat, dass die Mannschaft neue Reize benötigt. Im Vergleich zur Meistersaison 2016/17 sammelte Real 17 Punkte weniger, hatte ein Dutzend Tore weniger auf dem Konto und tat sich vor allem gegen vermeintlich schwächere Mannschaften wesentlich schwerer. Auch in der Königsklasse offenbarte man deutliche Schwächen, der Weg zum letztlichen Triumph in Kiew wurde von strittigen Schiedsrichterentscheidungen und individuellen Fehlern des Gegners geebnet. Souveränität wirkt anders. 

Durch die vielen Erfolge litt die Mannschaft möglicherweise unter Motivationsproblemen, ebenso wie Zinedine Zidane. In kürzester Zeit hat er fast alles gewonnen, was es mit den Madrilenen zu gewinnen gab - einzig in der Copa del Rey blieb ihm der Titel verwehrt. Der Rücktritt ist daher die logische Konsequenz, denn: Mehr kann er nicht gewinnen.