Kompany erklärt Talente-Situation: Darum ist das Statement des Coaches so kritisch zu sehen

Der FC Bayern hat zwar den Supercup gewonnen, jedoch spielten die in der Vorbereitung so starken Youngster praktisch keine Rolle. Nun hat sich Vincent Kompany detaillierter geäußert.
Vincent Kompany erklärt seine Personalentscheidungen gegen Stuttgart
Vincent Kompany erklärt seine Personalentscheidungen gegen Stuttgart / Daniela Porcelli/GettyImages
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Trotz des 2:1-Erfolgs der Bayern gegen den VfB Stuttgart beim Franz-Beckenbauer Supercup zeigten sich einige Fans in den Sozialen Netzwerken äußerst missgelaunt. Der einstimmige Grund dafür: Vincent Kompany hat die in der Vorbereitung noch so furios aufspielenden Youngster 90 Minuten auf der Bank schmoren lassen. Erst in der dritten Minute der Nachspielzeit kamen Tom Bischof und Lennart Karl dann doch noch ins Spiel - viel zu spät, so der recht einstimmige Tenor.

Im Gespräch mit Sky musste sich der Bayern-Coach folgerichtig kritische Fragen gefallen lassen. "Zum Glück war ich selber ein junger Spieler auf einem guten Niveau. Also ich kenne das Gefühl, ich weiß, wie man sich fühlt in diesen Momenten", erklärte er. Man müsse jedoch "immer die richtigen Momente abwarten". Was die Aussage ein wenig kurios macht: Kompany selbst wurde als 17-Jähriger Stammspieler beim RSC Anderlecht.

Karl nach furioser Vorbereitung nur mit Alibi-Einsatz: Kompany mahnt zur Geduld

Nicht wenige sahen den richtigen Moment für Lennart Karl eigentlich gekommen. Der 17-Jährige überzeugte mit tollen Toren in den Testspielen und war für einige sogar ein Startelfkandidat. Unlängst hatte das Offensiv-Juwel auch selbst angekündigt, nun auch um Spielzeit in den wichtigen Partien kämpfen zu wollen. Kompany aber mahnt zur Geduld.

"Er ist in diesem Kader und wir haben nicht viele andere Möglichkeiten. Und das ist natürlich ein Zeichen von Vertrauen, sonst machen wir das nicht", schilderte Kompany. Dabei muss man sich allerdings schon die Frage stellen, was genau Kompany unter dem Wort Vertrauen versteht. Angesichts der Personallage blieb ihm gar nichts anderes übrig, als die Youngster zumindest auf die Bank zu setzen. Nach den Einwechslungen von Sacha Boey, Kim Min-jae und Konrad Laimer stand kein weiterer Feldspieler zur Verfügung, der 21 Jahre oder älter ist.

Kein Zeichen von Vertrauen ist es jedoch, zehn Minuten vor Schluss lieber den in den letzten Monaten wenig überzeugenden Raphael Guerreiro für den verletzten Serge Gnabry zu bringen, der Christoph Freund zufolge zu diesem Zeitpunkt auch schon "ziemlich am Ende" war.

Kompany mahnt zur Vorsicht: Aus dem Coach spricht jedoch vor allem die Angst

Kompany verwies zudem darauf, dass eine Saison über 50 Spiele habe. "Lasst uns einen Lennart Karl haben, der nicht nur zehn Spiele macht und dann weggeht, sondern eine Karriere bei Bayern München aufbaut", so Kompany. Dies spricht dafür, dass er Karl nicht verheizen wolle, jedoch stellt sich die andere Frage, inwiefern zweiminütige Einsätze einem Youngster weiterhelfen. Vielmehr läuft der Belgier damit auch Gefahr, dass Momentum, das Karl eigentlich auf seiner Seite hatte, ins Gegenteil zu verkehren.

Die Handlungen von Kompany scheinen von Angst geprägt zu sein. Angst um seinen Job, sollten Spiele nach der Hereinnahme von Talenten verloren gehen und Angst davor, die Youngster zu früh ins Haifischbecken zu werfen. "Wenn die dann einmal schlecht spielen, dann bin ich alleine mit den Jungs", argumentierte Kompany schon vor dem Spiel. Ein Statement, das ganz tief blicken lässt - abermals aber wieder nicht von Vertrauen in die Leistungsstärke der Talente zeugt.

Bayern-Kollegen von Bischof begeistert: "Die Leute wissen nicht, wie gut der ist"

Dabei dürfte es diesbezüglich eigentlich gerade bei Tom Bischof kaum Zweifel geben. Der 20-Jährige zeigte nach einer Klub-WM, bei der er kaum Chancen bekam, grandiose Leistungen in den Testspielen und soll auch in den Trainings überzeugend gewesen sein. Der Neuzugang aus Hoffenheim musste sich aber wie Karl bis zur Nachspielzeit gedulden, während einige Spieler aus der Stamm-Mannschaft schon ziemlich mit ihren Kräften am Ende gewesen zu sein schienen.

Nicht wenige sehen Karl schon jetzt als stärker im Vergleich zu Leon Goretzka an, wenngleich dieser zumindest in Durchgang eins eine recht gute Partie absolvierte. Als sich dann jedoch Konrad Laimer verletzte, hätte sich beispielsweise die Möglichkeit ergeben, Joshua Kimmich nach rechts hinten zu ziehen und Bischof an die Seite von Goretzka zu stellen.

Kompany entschied sich jedoch für Sacha Boey, der nach einer zumindest soliden Vorbereitung einen echten Wackel-Auftritt hinlegte. Dass Bischof dann auch noch bis zur dritten Minute der Nachspielzeit warten musste, ist nach den bisherigen Eindrücken schon zu hinterfragen.

Bei seinen Kollegen scheint Bischof schon in aller Munde zu sein. Bei einer Abstimmung, die auf dem YouTube-Kanal der Bayern zu sehen ist, waren gleich sechs Bayern-Stars (unter anderem Joshua Kimmich) der Meinung, dass Bischof die größte Überraschung der Saison werde. Damit gewann er die Abstimmung vor Lennart Karl, der vier Votes von seinen Kollegen abbekam. "Die Leute wissen gar nicht, wie gut der ist", schwärmte beispielsweise Jonathan Tah von Bischof.

Vorzeichen anders als im Vorjahr: Kompany muss Talente integrieren

Stellt sich nun natürlich die Frage, ob es Kompany schon weiß. Dem Belgier scheint aktuell wie schon in der vergangenen Saison der Mut zu fehlen, den jungen Akteuren ausreichend Spielzeit zu verschaffen. Dies war in der letzten Saison gewissermaßen noch verständlich, da es vorrangig darum ging, das Team nach der ernüchternden Tuchel-Saison zu stabilisieren und zu einen.

Genau das hat Kompany auch hinbekommen, jedoch wäre der zweite Schritt nun, auch Talente ins Team zu integrieren. Das wird von den Bayern-Bossen ja schließlich auch exakt so gefordert. Noch ist die Saison natürlich sehr jung, weshalb sich erst in den nächsten Wochen abzeichnen wird, wie die Youngster wirklich eingeplant werden.

Das Supercup-Spiel war für viele aber sicherlich ein Dämpfer. Mit Jonah Kusi-Asare und Wisdom Mike durften andere aufstrebende Talente überhaupt nicht ran. Zwar sind beide noch nicht so weit, wie es Karl zu sein scheint und Bischof mit ziemlicher Sicherheit ist, jedoch werden auch sie mitbekommen haben, dass ihre jungen Kollegen nicht über einen Alibi-Einsatz hinausgekommen sind.

Tatsächlich ist es für alle Talente aus dem Bayern-Campus ein unglückliches Zeichen, wenn die aktuellen Top-Youngster kaum ran dürfen. Auf diese Weise kann man das Selbstvertrauen und die Motivation der Spieler schnell mal killen und Hoffnungen nehmen. Adam Aznou und Mathys Tel waren hierfür womöglich schon warnende Beispiele.

Bayern-Kader zu dünn: Ohne Einbindung von Talenten braucht es Neuzugänge

Wirft man einen Blick auf den Kader, muss der FC Bayern eine Grundsatz-Entscheidung treffen. Entweder man baut die Talente voll ein und gibt ihnen ordentlich Spielzeit oder es müssen noch mehrere Neuzugänge her. Der Kader ist - ohne die Talente - schließlich viel zu klein, um den effektiven, aber kraftraubenden Kompany-Fußball über eine ganze Saison erfolgreich spielen zu können.

Zwar lässt sich mit einem knapp bemessenen Kader die Hinrunde meistern, jedoch drohen ausgerechnet in der heißen Saisonphase einige auf der letzten Rille zu pfeifen. Bestes Beispiel dafür ist Harry Kane, der 32 Jahre alt ist und immer wieder körperliche Probleme hat. Derzeit soll Kusi-Asare der Back Up des Engländers sein, jedoch dürfte kaum jemand ernsthaft daran glauben, dass der junge Schwede oft genug ran darf, um einerseits sich selbst weiterzuentwickeln und andererseits Kane wichtige Ruhephasen zu verschaffen.

Noch dazu wird es in der Champions League nicht reichen, offensiv einen Raphael Guerreiro und vielleicht nach Genesung von Jamal Musiala einen Serge Gnabry einwechseln zu können, bedenkt man die prominent besetzten Ersatzbänke anderer Klubs.

Aktuell muss man sich wirklich die Frage stellen, ob die Bayern aus den letzten Saisons gelernt haben. So ordentlich die aktuellen Performances auch sein mögen, sei gesagt, dass die Hinrunde in den letzten Jahren nie das Problem war.


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