Im Woltemade-Poker gibt es nur Verlierer - ein Kommentar
Von Dominik Hager

Kurz vor dem Supercup-Match zwischen Bayern und Stuttgart ruhen die Augen vor allem auf Nick Woltemade. Inzwischen scheint immerhin klar zu sein, für welchen Klub der Sturm-Hüne beim ersten großen Spiel der neuen Saison aufläuft. Der VfB Stuttgart hat übereinstimmenden Medienberichteten zufolge auch das dritte Angebot für den 23-Jährigen abgelehnt.
Trotz der Mega-Offerte der Münchner, die 60 Millionen Euro plus Bonus-Zahlungen und eine Weiterverkaufsbeteiligung umfasst haben soll, blieb der VfB hart, weshalb der Deal wohl für diesen Sommer geplatzt ist.
Derweil fragen sich im Netz viele Fans, was denn eigentlich verrückter sei: Ein derartiges Gebot für Woltemade abzugeben oder aber dieses abzulehnen. Gewissermaßen wirkt der Poker auch wie ein kleines Ego-Duell zwischen Alexander Wehrle, der im Poker den harten Hund markiert, und Max Eberl, der unbedingt einen Prestige-Transfer unter Dach und Fach bringen möchte.
Beim SV Werder Bremen, der Woltemade vor einem Jahr ablösefrei verloren hat, dürfte man den irren Transferpoker mit einem besonders großen Staunen beobachten. Gab es aber bei dem Deal im Vorjahr mit dem SVW aber nur einen Verlierer und mit Stuttgart und Woltemade selbst zwei Gewinner, dürfte das Ergebnis in diesem Sommer anders ausfallen.
Tatsächlich scheinen diesmal alle drei Parteien als Verlierer aus der Sache hinausgehen.
VfB Stuttgart geht enormes Risiko - Schaden schon lange angerichtet
Zwar hat Nick Woltemade noch bis 2028 Vertrag und ist sportlich ein wichtiger Faktor für den VfB, jedoch ist der Klub in seiner Entwicklung eigentlich noch nicht so weit, um einen solchen Geldsegen abzulehnen. Klar, Stuttgart hat das Recht, Woltemade zu behalten, muss sich jedoch im Klaren sein, dass der Schaden längst angerichtet ist. Dies ist bereits seit der U21-EM der Fall, als sich die Bayern mit Woltemade geeinigt haben sollen.
Es ist völlig klar, dass der Spieler unbedingt zum FC Bayern will und das nicht einfach so ausblenden kann. Zwar zeigt er sich bis jetzt professionell, jedoch soll seine Laune nicht gerade auf dem Höhepunkt sein. Unzufriedene Spieler zu halten, war in den wenigsten Fällen eine gute Idee - und dürfte es auch in diesem Fall nicht sein.
Ein zufriedener Woltemade könnte vielleicht an die 60 Millionen Euro wert sein, ein missgelaunter wohl kaum. Man darf nicht vergessen, dass der Wert eines Spielers auch sehr schnell wieder in den Keller rauschen kann. Kommt ein unglücklicher Woltemade nicht an seine Vorjahres-Leistungen ran - was durchaus realistisch ist -, würde man im Sommer 2026 wohl Probleme haben, überhaupt ein Gebot in Bereich von 30 Millionen Euro zu erhalten.
Ein weiteres Problem für die Schwaben ist, dass jede Bewegung von Woltemade von den Medien genau beobachtet wird. Dies kann im gesamten Verein für Unruhe sorgen, vor allem, wenn man bedenkt, dass man auch noch die Ausbrüche von Woltemades Polter-Berater ertragen muss.
Hinzu kommt, dass es für einen Verein wie den VfB, der bevorzugt junge und entwicklungsfähige Spieler verpflichtet, immer kritisch ist, eine derart knallharte Linie zu fahren, wenn es um den Weiterverkauf geht. Spieler, die den VfB eher als Sprungbrett sehen, könnten künftig also von einem Wechsel nach Stuttgart absehen.
Bayern droht nächste Transfer-Schlappe: Die Zeit drängt
Aus Bayern-Perspektive ist man geneigt zu sagen, dass es bei den kursierenden Summen fast schon gut ist, wenn Woltemade nicht kommt. Trotzdem würden auch die Münchner als Verlierer aus dem Poker hinausgehen.
Woltemade bringt ein äußerst ungewöhnliches Skill-Set mit, welches dem FC Bayern sehr helfen könnte. Mit seiner Größe, Technik und Torgefahr kann er sowohl hinter der Spitze spielen als auch als Kane-Backup und eines Tages als dessen Nachfolger fungieren. Hinzu kommt, dass Woltemade absolut Bock auf den FC Bayern zu haben scheint. Auch wenn Eberl das offenbar anders empfindet, sind längst nicht mehr alle Top-Spieler heiß darauf, nach München zu wechseln - selbst, wenn es sich dabei um deutsche Nationalspieler handelt.
Scheitert der Transfer, hat man einmal mehr einen der größten deutschen Hoffnungsträger nicht bekommen und müsste sich nach einer Alternative umsehen. Die Zeit dafür ist äußerst begrenzt und ein Spieler mit Top-Qualität kaum noch zu bekommen. Es ist gut möglich, dass anstelle von Woltemade Christopher Nkunku nach München wechselt, jedoch würde man sich damit einen deutlich älteren und verletzungsanfälligeren Spieler ins Boot holen. Das Risiko wäre demnach nicht kleiner als bei einem Woltemade-Deal.
Woltemade vor extrem schwerer Saison
Der wohl größte Verlierer bei einem geplatzten Deal ist wohl Woltemade selbst. Zwar sagen nicht wenige, dass ein weiteres Jahr in Stuttgart dem Spieler gut zu Gesicht stehen würde, da er noch nichtmal seit einem Jahr Top-Leistungen zeigt, jedoch hat die Verletzung von Jamal Musiala die Sachlage drastisch verändert. Woltemade hätte schon jetzt gute Chancen, zumindest die gesamte Hinrunde überwiegend in der Startelf aufzutauchen. Angesichts des Engpasses in der Offensive und der Tatsache, dass Harry Kane wohl in einem oder zwei Jahren den Abflug macht, ist seine Perspektive in München wahrlich gut.
Eine große Rolle spielt dabei natürlich auch der finanzielle Aspekt. Woltemade würde beim FC Bayern wohl rund das Vier- oder Fünffache von seinem VfB-Gehalt verdienen. So gut Fußballer auch bezahlt sein mögen, ist es vollkommen klar, dass der Stürmer ein solches Gebot schon aus finanziellen Gründen kaum ausschlagen kann. Auch bei ihm dürfte nicht klar sein, ob er solche Offerten zukünftig nochmal bekommt. Die Chance, zu Bayern zu wechseln, hat man manchmal eben nur einmal im Leben.
Hinzu kommt, dass Woltemade jetzt auch mental vor einer enorm herausfordernden Saison steht, in der sich viele Blicke auf ihn richten - seien es jene der Medien oder der gegnerischen Verteidiger. Auch das Verhältnis zu den Fans dürfte nicht mehr vergleichbar zur Zeit vor dem Wechsel-Theater sein. Woltemade muss auch mit der persönlichen Enttäuschung klar kommen, wenn sein großer Wunsch nicht erfüllt wird.
Folgerichtig gilt es zu hoffen, dass sich die Klubs doch noch über einen Transfer einig werden. Zum Wohle von Woltemade, des FC Bayern, des VfB Stuttgart, der Bundesliga und Fußball-Deutschland.
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