Warum Eintracht Frankfurt auch nach der Union-Pleite zu den Top-Teams gehört

Eintracht Frankfurt pendelt zwischen Höhen und Tiefen, doch die sportliche Wahrheit über die Adler vom Main liest sich zwischen den Zeilen.
Eintracht-Star Ritsu Doan
Eintracht-Star Ritsu Doan / Alex Grimm/GettyImages
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Für Eintracht Frankfurt ist es aktuell eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle. Die Adler vom Main pendeln zwischen zwei Niederlagen in der Bundesliga und einer Gala-Nacht in der Champions League, was bei vielen große Fragezeichen aufkommen lässt. Daher stellt sich die Frage, ob man die SGE angesichts dieser Ergebnisschwankungen überhaupt schon zu den absoluten Top-Teams Deutschlands zählen kann und ob man die Hessen tatsächlich als Bayern-Jäger auf dem Schirm haben muss.

Doch bei der SGE muss man unabhängig von Ergebnissen zwischen den Zeilen lesen. Warum Eintracht Frankfurt auch nach der Union-Pleite noch ein Top-Team ist, hier erklärt.

Leverkusen ein erklärbarer Rückschlag

Bereits beim Auswärtsspiel gegen Bayer 04 Leverkusen kassierte die Eintracht eine Niederlage, obwohl sie zuvor überaus dominant in die neue Saison gestartet war und mit souveränen Siegen gegen Werder Bremen und die TSG Hoffenheim für Aufsehen gesorgt hatte. Als Entschuldigung für die SGE für den Ausrutscher bei der Werkself gilt es zwei Dinge festzuhalten:

Zum einen ist Leverkusen trotz des großen Umbruchs und des Verlusts zahlreicher Top-Stars keine Kindergeburtstagstruppe, die man mal eben im Vorbeigehen wegschießt. Der amtierende Vizemeister muss noch immer ernst genommen werden und dürfte durch den Umbruch aktuell unberechenbar sein.

Kunstschütze Alejandro Grimaldo (r.) schoss die Eintracht ab
Kunstschütze Alejandro Grimaldo (r.) schoss die Eintracht ab / Pau Barrena/GettyImages

Zum anderen saß mit Kasper Hjulmand gerade ein neuer Trainer auf der Bank, was es schwierig machte, den Gegner im Vorfeld zu analysieren. Aufgrund dieser beiden Punkte ist die Niederlage der Adler kein Beinbruch, sondern durchaus erklärbar. Die Niederlage war zudem ein bisschen der großen Klasse von Bayer-Star Alejandro Grimaldo geschuldet, der zwei Freistöße direkt und sehenswert im Netz unterbrachte. Aber gehen wir ein Stück weiter.

Auf die Champions-League-Gala folgt der Dämpfer gegen Union

Es folgte die zur Schau gestellte Dominanz gegen Galatasaray Istanbul in der Champions League. Die Eintracht reagierte dort auf einen frühen Rückstand, schoss den amtierenden türkischen Meister aus dem Stadion und sorgte international für ein echtes Ausrufezeichen - auch dank der geballten Fan-Power von den Rängen die selbst am TV-gerät für Gänsehaut sorgte.

Das Spiel in der Königsklasse war ein weiterer Beleg dafür, wozu die Eintracht als Gesamtpaket aus Team und Anhang fähig ist und wie beeindruckend sie es auf den Platz bringt.

Gala gegen Gala in der Königsklasse - ein absolutes Hoch der Gefühle
Gala gegen Gala in der Königsklasse - ein absolutes Hoch der Gefühle / Alex Grimm/GettyImages

Nur wenige Tage nach der Gala gegen Gala gab es nun plötzlich den nächsten Rückschlag. Nach einer guten halben Stunde lief die Eintracht gegen Union Berlin bereits einem Zwei-Tore-Rückstand hinterher und kassierte nach dem Anschlusstreffer kurz vor der Pause gleich nach Wiederanpfiff zwei weitere herbe Dämpfer durch Unions Angreifer Burke.

Der Schotte, der mit einem Dreierpack zum Man of the Match avancierte, setzte zum vermeintlichen Dolchstoß gegen die Adler an, doch diese kamen erneut zurück und waren bis zum Spielende drauf und dran, noch den Ausgleich zu erzielen. Am Ende stand jedoch eine bittere und dennoch vermeidbare 3:4-Pleite gegen die Eisernen aus der Hauptstadt. Doch auch diese Pleite lässt sich plausibel erklären und schmälert die Entwicklung der Eintracht nicht. Im Gegenteil.

Eintracht beweist Charakter

Man muss hier sachlich und ruhig analysieren. Nach einer absoluten Glanznacht gegen Istanbul unter den Flutlichtern des Deutsche Bank Parks und zu den Klängen der ehrwürdigen Champions-League-Hymne ist es im Anschluss mental äußerst schwer, wieder hochzuschalten. Das kenne ich aus meiner eigenen langjährigen Erfahrung als Trainer im Leistungsbereich.

Immer wieder nach besonderen Spielen, beispielsweise einem Derby oder einem Spiel gegen das Top-Team der Liga, ist es vor allem für den Kopf schwierig, wieder den vollen Fokus und die nötige Energie und Frische zu finden. Das macht sich häufig bereits in den Trainingseinheiten zwischen diesen Spielen bemerkbar.

Hielten die Hoffnung bis zum Schluss am Leben: Jonathan Burkardt und Ansgar Knauff
Hielten die Hoffnung bis zum Schluss am Leben: Jonathan Burkardt und Ansgar Knauff / DANIEL ROLAND/GettyImages

Ich habe meine Teams in all den Jahren immer wieder davor gewarnt, dass das Spiel nach dem vermeintlichen Highlight-Spiel das gefährlichere wäre, und leider hatte ich jedes Mal recht behalten.

Es ist ein Phänomen, das zum Fußball gehört wie Ball und Rasen, und es wurde schon immer beklagt – auch von Giganten wie dem FC Bayern. Auch hier gestehen seit Jahrzehnten Top-Stars ein, dass es schwierig sei, sich nach Spielen in der Königsklasse wieder hochzufahren, und dass die Beine schwer seien. Das holte gestern auch die Eintracht ein.

Eintracht wehrte sich gegen mentales Loch nach CL-Gala

Für Dino Toppmöller und seine Mannschaft war es undankbar, gleich nach dem Königsklassen-Highlight vom Donnerstag gegen einen derart unbequemen und laufstarken Gegner wie Union antreten zu müssen. Das wusste auch Toppmöller. Man tat sich sichtlich schwer, ins Spiel zu finden und vielleicht hätte der Coach mit mehr frischeren Beinen anfangen müssen - mit Spielern, die das Union-Spiel als Chance sehen, sich zu empfehlen. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Dennoch zeigten die Adler, dass sie zu den besten Teams der Liga gehören und ein ernstzunehmender Bayern-Jäger in the making sind.

Die Mannschaft wird durch die Union-Pleite besser werden und reifen
Die Mannschaft wird durch die Union-Pleite besser werden und reifen / Alex Grimm/GettyImages

Es war keinesfalls so, dass die Adler von den Berlinern überrannt wurden. Die SGE hatte den besseren xGoals-Wert, eine deutlich bessere Passquote, war aktiver vor dem gegnerischen Tor, hatte doppelt so viel Ballbesitz wie die Gäste und gab sich über die gesamte Spieldauer bis zum Schluss nicht auf – auch als es nach einem 1:4-Rückstand bereits aussichtslos aussah.

Gegen ausgeruhte Unioner mit schweren Beinen und müden Köpfen einen derartigen Kampf zu liefern, zeugt davon, dass die Toppmöller-Truppe nicht nur fußballerisch einiges draufhat, sondern auch charakterlich voll da ist. Diese Kombination macht Frankfurt so gefährlich. Die Adler können nicht nur Fußball zelebrieren, sondern wissen auch, wie man Fußball arbeitet. Dass dies gegen Union letztlich nicht belohnt wurde, war zugegebenermaßen unglücklich, aber Teil der Entwicklung dieser doch recht jungen Truppe.

Bayern-Jäger in the making

Dass es Krösche, Toppmöller und Co. immer wieder schaffen, die Mannschaft trotz des Verlusts absoluter Top-Stars geradlinig weiterzuentwickeln und durch Umbrüche scheinbar noch besser zu machen, ist ein Fakt, der in der öffentlichen Wahrnehmung und Wertschätzung nicht genug Anerkennung findet. In meinen Augen ist das auch gewissermaßen ein Alleinstellungsmerkmal der SGE.

Sicherlich darf man sagen, dass ein absolutes Top-Team auch diese dreckigen Spiele gewinnen muss, aber aus eigener Erfahrung sind es Rückschläge wie gegen Union, die einen am Ende besser machen. Die Eintracht wird daraus lernen und sich weiter festigen.

Da der FC Bayern München eh in einer anderen Fußballliga als der Rest der Bundesliga spielt, ist Eintracht Frankfurt für mich auch nach der Niederlage vom Sonntag das Top-Team unter dem Rest der Liga mit Augenhöhe zum BVB und anderen, die sich ebenfalls Bayern-Jäger nennen. Das werden die Hessen in den kommenden Wochen eindrucksvoll unter Beweis stellen.


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