Tuchel in einer Reihe mit Klopp und Guardiola? Es fehlt lediglich ein großer Titel
Von Dominik Hager

Noch im Dezember fand Thomas Tuchel seine Kündigung quasi unter dem Christbaum. So war man bei Paris mal wieder unzufrieden und ließ dies wie so oft am Trainer raus. Unverständlich eigentlich, zumal Tuchel mit dem PSG vor nur wenigen Monaten beinahe die Champions League gewonnen hat und es auch in der laufenden Saison aufwärts zu gehen schien. Zumindest waren alle Titelchancen noch gegeben. Doch am Ende könnte sich diese unverständliche Trennung zum Glücksfall für den Coach entwickeln.
"Mund abputzen, weitermachen", so die Devise von Thomas Tuchel nach seinem Aus in der französischen Hauptstadt. Das erste lukrative Job-Angebot trudelte schon wenige Wochen später ein - eines, das es in sich hatte: Tuchel übernahm das Zepter vom englischen Top-Klub FC Chelsea.
Nachdem die Blues unter Frank Lampard eine eher bescheidene Hinrunde hingelegt hatten, läuft es unter Thomas Tuchel wie am Schnürchen. Mit einem Punkteschnitt von 2,42 erwies sich dieser bis jetzt als absoluter Glücksfall. Die Liaison hatte mit einem 0:0 gegen Wolverhampton noch schleppend begonnen. Dann folgten jedoch sechs Siege und drei Unentschieden in der Premier League, wodurch sich das Team auf Rang vier vorschieben konnte. Einen Platz also, der den Blues die Teilnahme an der Champions League garantieren würde.
Stichwort Champions League: Mit zwei Siegen gegen Atletico Madrid hat sich der FC Chelsea in der Elite Europas zurückgemeldet. Gegen Porto hat die Mannschaft nun die Chance, erstmals seit 2014 wieder ins Halbfinale einzuziehen. Eine weitere Titelchance besteht im FA-Cup, wo die Londoner am Sonntag mit einem 2:0 gegen Sheffield ins Halbfinale eingezogen sind.
Tuchel beweist: Die Fußstapfen von Klopp sind nicht zu groß
Die stolze Bilanz von Tuchel (10 Siege, vier Unentschieden) kommt jedoch nicht von ungefähr. Was für ein herausragender Trainer er ist, hat er bereits bei Mainz 05 und Borussia Dortmund bewiesen. So ist seine Bilanz bei den Mainzern mit 65 Siegen, 44 Unentschieden und 61 Niederlagen einmalig in der Bundesligageschichte des Klubs. An den Punkteschnitt (1,41) kommt auch Jürgen Klopp bei den Mainzern nicht heran (1,13). Selbst beim BVB liegt Tuchel mit 2,09 Punkten pro Spiel vor Klopp (1,91). Allerdings sei in beiden Fällen gesagt, dass Klopp gewissermaßen den Weg für seinen Nachfolger geebnet hat. Nichtsdestotrotz gehört schon einiges dazu, so nahtlos in die Fußstapfen eines Welttrainers zu steigen. Auf diesem Wege hat er sich auch den Namen gemacht, der es ihm erlaubt, Teams wie Paris oder Chelsea zu trainieren.
Doch der Trainer lebt noch mehr von seinen Fähigkeiten als von seinem Namen. So ist dieser ein Freund der klaren Ansprachen und schreckt auch nicht davor, seine Spieler lauthals auf ihre Fehler aufmerksam zu machen. "Timo, du spielst rechts. Du spielst seit einer Viertelstunde links. Verstehst du das nicht", musste sich Timo Werner zuletzt anhören. Doch seine Ansagen hinterlassen Wirkung, weil jeder Spieler genau weiß, dass er damit recht hat. Tatsächlich ist der Ex-Paris-Trainer ein echter Allrounder. So ist er auf einer Seite der kühle Taktik-Fuchs und Analysator und auf der anderen Seite der emotionale Motivator. In Europa gibt es nur wenige Trainer, wie Pep Guardiola und Jürgen Klopp, die beides auf ähnlichem Niveau vereinen.
Jetzt fehlt Thomas Tuchel nur noch ein großer Titel
Um sich in die Reihe der großen Trainer platzieren zu können, fehlt Tuchel eigentlich nur noch ein ganz großer Titel. Zwar sammelte er in Frankreich alle wichtigen nationalen Titel und gewann mit Dortmund den DFB-Pokal, so blieb der ganz große Paukenschlag noch aus. Macht er bei den Londonern so weiter, könnte er aber auch diese kleine Delle beseitigen. Bei den Blues wächst jedenfalls wieder ein brandgefährliches Team heran. Tuchel hat es geschafft aus, die im Sommer teuer zusammengekaufte Truppe, zu einer echten Einheit zu machen. Für den deutschen Fußball kann das nur gut sein. So fassen auch Timo Werner und Kai Havertz langsam Fuß. Mit dem 47-Jährigen haben sie einen Coach, der sie auf ihrem Weg positiv begleiten kann.