Stefan Kuntz erlebt harte Zeiten: Verliert der DFB seinen letzten Sympathieträger?

Stefan Kuntz will nach dem Aus bei den Olympischen Spielen seine Zukunft übderdenken
Stefan Kuntz will nach dem Aus bei den Olympischen Spielen seine Zukunft übderdenken / KOHEI CHIBAHARA/Getty Images
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Am Mittwoch hat Stefan Kuntz mit der Niederlage gegen die Elfenbeinküste und dem damit verbundenen Olympia-Aus seine vielleicht schmerzhafteste Niederlage als DFB-Coach miterleben müssen. Ein bitteres Ende eines in allen Bereichen enttäuschenden-Olympia-Erlebnisses. Noch viel bitter wäre es für alle Beteiligten wäre es jedoch, wenn der 58-Jährige jetzt das Handtuch wirft.


Stefan Kuntz ist in gewisser Weise schon ein absolutes Phänomen. Während ganz Fußball-Deutschland über den schwächelnden Nachwuchs jammert und die A-Nationalmannschaft bei der WM 2018 und der EM 2021 zweimal herb enttäuschte, war der U21-Coach immer so etwas wie ein helles Licht am düsteren DFB-Himmel und der einzige wirkliche Sympathieträger.

Nachdem er im Jahr 2016 das Amt von Horst Hrubesch übernommen hatte führte er die deutsche U21-Nationalmannschaft 2017 und 2021 zum Europameistertitel und erreichte 2019 das Finale. Trotz augenscheinlich unterlegenem Personal, gelang es Kunz mit seiner ruhigen aber positiven Art, immer wieder das Feuer im Team zu entfachen.

Tatsächlich agierten seine U21-Teams häufig genauso, wie wir uns das eigentlich von der A-Mannschaft gewünscht hätten. Dem Coach gelang es in all den Jahren das aus seiner Mannschaft herauszuholen, was drinnen war - und teilweise noch viel mehr als das.

Kuntz zeigt sich enttäuscht vom DFB und der Liga

Allerdings ist Kuntz nicht der gefeierte Held, der er nach seinen Erfolgen sein könnte. Jedenfalls schien beim DFB nie jemand auf die Idee gekommen zu sein, den 58-Jährigen zum Nachfolger von Joachim Löw zu bestimmen. Für Kuntz war dies eine Enttäuschung, wenngleich Hansi Flick zweifellos eine große Lösung ist. Focus-Berichten zufolge soll der DFB aber nicht mal mit dem Nachwuchs-Trainer über das Thema gesprochen haben, was diesen verärgerte.

Ziemlich frustrierend dürfte für den U21-Coach auch seine Kader-Nominierung für die Olympischen Spiele gewesen sein. Nur ein Bruchteil seiner Europameisterschafts-Truppe konnte die Reise nach Japan antreten und auch darüber hinaus hagelte es an Absagen. Stefan Kuntz, der eigentlich nicht dafür bekannt ist sich häufig zu beschweren, bemängelte die mangelnde Bereitschaft einiger Bundesliga-Klubs, Spieler abzustellen.

Medienberichten zufolge soll der Coach 100 Spieler abtelefoniert haben, wovon letztlich 18 übrig blieben. "Es wäre schön, wenn künftig auch im Bereich des Fußballs die besondere Bedeutung der Olympischen Spiele mehr Anerkennung erfährt", stichelte auch Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Dies gilt aber auch für zahlreiche Spieler, die die Reise von sich aus nicht antreten wollten.

Wie ein Leben im Gefängnis: Olympia-Abenteuer wird zum Alptraum

Youssouf Dao, Florian Muelle
Bitteres Aus für Deutschland: Nach dem 1:1 gegen die Elfenbeinküste spielt das Kuntz-Team nicht um die Medaillen / Koki Nagahama/Getty Images

Letztlich glichen die Spiele in Tokio für die verbliebenen vielmehr einer Bestrafung als dem Fest, das es eigentlich sein sollte. Mit einem qualitativ mäßigen und quantitativ viel zu kleinen Kader ausgestattet, endete das Abenteuer in der Vorrunde. Doch nicht nur das Resultat löst bei Kuntz Unzufriedenheit aus, sondern die Veranstaltung generell.

"Wir waren kaserniert, eingesperrt, durften nicht auf die Straße gehen. Wir durften nur nach langem Hin und Her einen Balkon mal öffnen lassen. Ich hätte gerne mehr olympisches Flair gehabt", wird er von der BILD zitiert.

Klingt tatsächlich mehr nach einem Gefängnis-Aufenthalt, als nach Olympia, wenngleich aufgrund der Pandemie schon im Vorfeld klar war, dass das Event kein sonderliches Vergnügen wird.

Kuntz lässt Zukunft offen: "Körper gibt deutliche Signale"

Bei so vielen negativen Eindrücken ist auch ganz logisch, dass Stefan Kuntz die Strapazen der letzten Monaten ordentlich zusetzen.

"Mein Körper gibt deutliche Signale, dass er an der Grenze ist. Ich fahre jetzt vielleicht mal zwei Wochen weg, schalte das Handy aus. Dann mache ich mir über meine Zukunft Gedanken", erklärte der niedergeschlagene DFB-Coach.

Klingt also ganz so, als würde Kuntz sogar überlegen, vorzeitig das Handtuch zu werfen. Eigentlich hätte der Erfolgstrainer noch einen Vertrag bis 2023. Nach den Ereignissen der letzten Monate ist es aber nur konsequent, dass er sich Gedanken um seine Zukunft macht.

Klar ist, dass er mit der U21-Auswahl alles erreicht hat, was es zu erreichen gibt. Dass sein Abschied dann möglicherweise aber genau nach diesem unerfreulichen olympischen Turnier kommen könnte, stimmt schon traurig. Allerdings hätte sich der DFB auch ein wenig selbst zuzuschreiben, nachdem man ihn bei der Löw-Nachfolge ignoriert und vor Olympia wenig unterstützt hat.

Ein wenig spricht derzeit natürlich auch die Müdigkeit und die Enttäuschung aus Kuntz. Nach zwei Wochen kann die Welt für den Coach schon wieder ganz anders aussehen. Prinzipiell scheint dieser immer viel Spaß an der Arbeit mit den Talenten gehabt zu haben. Allerdings hat er sich mit seinen zwei EM-Titeln durchaus auch einen Namen in der Fußball-Szene gemacht.

Es erscheint gut möglich, dass es Klubs oder Verbände gibt, die die Qualitäten von Kuntz mehr schätzen als der DFB. Aktuell scheint der Ausgang dieser Angelegenheit völlig offen zu sein.