Fehler mit Ansage: Schalke hat Kramer bestellt und Kramer bekommen

Frank Kramer
Frank Kramer / Christof Koepsel/GettyImages
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Mit der Freistellung von Frank Kramer hat Schalke 04 einen offensichtlichen Fehler zugegeben. Zwar recht spät, aber immerhin. Die Anstellung des Trainers war ein Fehler mit Ansage, der den Klub nun erneut in eine Notlage bringt. Ein Kommentar.


Kurz nach dem erreichten Aufstieg erklärte Peter Knäbel, auf was bei der Suche nach dem neuen Trainer geachtet wird. Der Sportvorstand betonte, dass man aufgrund des emotionalen Umfelds auf Schalke nicht um einen mutigen, offensiven Spielstil herumkommen würde. Das sorgte bei vielen Fans für Euphorie und Hoffnung, schließlich bot der Klub über die letzten Jahre nie wirklich mitreißenden Fußball an.

Entsprechend gedämpft war dann die Euphorie, die aus dem Aufstieg mitsamt Meisterschaft und der neu gewonnenen Verbundenheit zum Verein gespeist war, als Frank Kramer als neuer Cheftrainer vorgestellt wurde.

Zum einen, weil er als Trainer keineswegs zu dem von Knäbel beschriebenen Profil passte. Zum anderen, weil er bei seinen vorigen Stationen keinen Erfolg verbuchen konnte und sogar Stimmen laut wurden, dass er die Führungsspieler in der Mannschaft vergleichsweise schnell verloren hatte. So war es keine Überraschung, dass Kramer mit wenig Fan-Kredit in die Vorbereitung startete.

Vielen Anhängern von Königsblau war klar: Mit Kramer als Cheftrainer wird es nicht gelingen, den Klassenerhalt zu erreichen. Nebenbei würde man den Bielefelder Spielstil sehen: Kaum Ballbesitz, lange Bälle, ein Fokus auf Standards um irgendwie zu Torchancen gekommen.

Das Kramer nicht für Erfolg und Begeisterung sorgte, ist keine Überraschung - sondern das Gegenteil

Nun, ein paar Monate später, muss man aus S04-Sicht traurigerweise festhalten: Es war ein Fehler mit Ansage. Es verblüfft, dass Rouven Schröder und Knäbel augenscheinlich überrascht sind, sich doch so frühzeitig von ihrem Coach trennen zu müssen. Immerhin wurde Kramer bestellt - und Kramer wurde geliefert.

Der 50-Jährige hat ein sympathisches Auftreten und so manch derbe Beleidigung im Netz definitiv nicht verdient. Das macht ihn aber keineswegs frei von vernünftiger, wenngleich auch deutlicher Kritik. Und für derartige Kritik gab es zwar vor allem in den letzten Wochen, aber auch darüber hinaus mehr als genug Anhaltspunkte.

Frank Kramer
Kramer am Dienstagabend in Hoffenheim / Simon Hofmann/GettyImages

Schon in der Saisonvorbereitung, bei den ersten Testspielen zeigte sich: Der im Vorhinein versprochene mutige, offensive Spielansatz ist nicht zu sehen. Stattdessen schon im Sommer der Versuch, eine "wuchtige" Doppelspitze aus Simon Terodde und Sebastian Polter auf den Platz zu bringen. Das damit einhergehende Resultat: Lange, hohe Bälle und sehr wenig Lust auf Ballbesitz.

Dieser Spielstil zog sich durch die bis dato zwölf Pflichtspiele. Natürlich kann ein Aufsteiger mit sehr geringen finanziellen Mitteln die Liga nicht vorspielen. Doch dieser Ansatz war von Beginn an nicht erfolgsversprechend. Und noch bitterer: Es war genau das, was mit der Anstellung von Kramer als Trainer zu erwarten war.

Insgesamt hat Schalke genau das bekommen, was sie mit der Trainer-Entscheidung auch bestellt haben.

Die selbstgemachte Notlage macht den Klassenerhalt nur noch schwieriger

Das macht es umso ärgerlicher, dass eben jene Entscheidung dafür gesorgt hat, dass sämtliche Euphorie verflogen ist. Die Fans sind wieder enttäuscht und wütend, die Spieler sind nicht eingespielt und haben keinerlei Selbstvertrauen auf dem Platz und können auf keinerlei Strukturen im Spiel zurückgreifen. Es ist eine selbstgemachte Notlage, die den Klassenerhalt um ein Vielfaches erschweren wird.

Es braucht auch gar nicht über diverse weitere Kritikpunkte gesprochen werden, wie etwa den fehlenden Chancen für Spieler wie Rodrigo Zalazar, Alex Kral oder Florent Mollet. Oder dem nahezu blinden Vertrauen in Polter. Oder der Doppelspitze. Oder, oder, oder...

Es ist das Gesamtpaket Kramer, das eine grundlegend falsche Entscheidung war - und das mit Ansage. Das Missverständnis wurde zudem viel zu spät aufgelöst. Spätestens der leere Auftritt in Leverkusen hätte der finale Schlussstrich sein müssen, um weiteren Schaden möglichst zu minimieren. Schröder hingegen hielt an seiner Personalie fest und schenkte damit noch zwei weitere Spiele ab.

Diese Notlage, für die die Verantwortlichen selbst verantwortlich sind, könnte Schalke im Hinblick auf den Saisonausgang im Mai einen entscheidenden Tiefschlag haben. Es wird enorm schwer, den aktuellen Trend umzukehren.

Dahingehend ist es erst einmal völlig egal, wer der Nachfolger auf der Trainerbank sein wird: Königsblau hat sich durch die Entscheidung für Kramer und die Entscheidung, so lange an Kramer festzuhalten, in einem ohnehin schwierigen Wettrennen die Füße aneinandergeknotet.


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