Spielerin im Fokus: Freiburg-Hoffnung Annabel Schasching im 90min-Gespräch

Freiburgs Winterneuzugang Annabel Schasching
Freiburgs Winterneuzugang Annabel Schasching / SC Freiburg
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Annabel Schasching ist eins der größten österreichischen Talente und machte sich in Graz als torgefährliche Mittelfeldspielerin einen Namen. Zur Rückrunde sicherte sich der SC Freiburg die Dienste der 20-Jährigen, gegen Wolfsburg gab sie ihr Debüt. Im 90min-Gespräch redet Schasching über ihre Stärken und Ziele, die Stimmung im Österreich-Team, ihre Bewunderung für Barcelonas Tiki-Taka und vieles mehr.

Kapitänin, Torschützenkönigin und MVP in der österreichischen Liga und EM-Teilnehmerin: Mit 20 Jahren hat Annabel Schasching bereits einiges erreicht. Letzte Saison führte sie Sturm Graz mit der Kapitänsbinde am Arm und 15 Toren zur Vizemeisterschaft, kurz darauf fuhr sie als Nachrückerin mit nach England zur Europameisterschaft 2022. Im Winter fühlte sich Schasching dann bereit für den berühmten nächsten Schritt und entschied sich, wie viele junge Talente aus den Alpenrepubliken, für den SC Freiburg.

Lisa Kolb etwa, die vor Schasching Torschützenkönigin und Österreich war, ist denselben Weg gegangen und erzählte ihrer Teamkollegin vor dem Wechsel vom Leben in Freiburg - anscheinend überzeugend. Ausschlaggebend für Schaschings Wechsel war aber der Wunsch, aus der Komfortzone herauszugehen: "Ich habe gemerkt, dass ich etwas Neues brauche, eine Herausforderung möchte, und die in Graz nicht mehr gegeben war", sagt Schasching.

Annabel Schasching
Schasching für Graz in Aktion / Quality Sport Images/GettyImages

Freiburg ist dafür der ideale Schritt, denn die sonnigste Stadt Deutschlands ist auch nicht unbedingt eine Metropole, aber schon eine Veränderung im Vergleich zum ländlichen Österreich - eine "echte Großstadt", in Schaschings Worten. "Der Wechsel nach Freiburg war schon eine große Umstellung. In Österreich war ich das Umfeld sehr gewohnt. Dort sind auch viele Freundinnen, die ich schon seit dem Alter von 14 oder 15 kenne, mit denen ich schon lange Fußball spiele. Es ist mir schon schwergefallen, dieses Umfeld zurückzulassen", erklärt Schasching.

Beim SC hat sie das gesamte Paket überzeugt: "Ich habe mich direkt wohlgefühlt in dem Umfeld hier, in der Stadt und auf dem Trainingsgelände."

Schasching: Instinktfußballerin mit Kreativität

Worauf können sich die SC-Fans also freuen? Schasching durfte ihr Können bereits in zwei Spielen zeigen. Ihr Debüt gab sie gegen den schwerstmöglichen Gegner, den Double-Sieger VfL Wolfsburg. Das 0:4 war für Freiburg eine frustrierende Angelegenheit, Schasching ärgert sich im Nachhinein besonders über die vermeidbaren Patzer in der Defensive: "Wenn wir die Fehler in der ersten Halbzeit nicht machen, und die Tore nicht so leicht bekommen, hätten wir schon Zugriff auf das Spiel gehabt. Wir hatten selbst auch Chancen, Tore zu schießen, aber natürlich nicht viele, und die musst du dann nutzen. Und zeitgleich keine dummen Fehler begehen und nach zehn Minuten schon einem Rückstand hinterherrennen", sagt sie.

Trotzdem blitzte das Talent der 20-Jährigen in mancher Szene auf. "Ich versuche, mich immer anzubieten, immer präsent zu sein. Gleichzeitig denke ich kreativ nach vorne und spiele auch mal Bälle, mit denen man nicht rechnet. Ich bin eine klassische Instinktfußballerin und will in Situationen zu kommen, in denen ich vom Gefühl her entscheide, was jetzt gut passen könnte. Ich würde die Kombination aus Laufstärke und Kreativität als eine meiner Stärken beschreiben", so beschreibt sie selbst ihren Spielstil.

In Graz war Schasching als Torjägerin auch von den gegnerischen Torhüterinnen gefürchtet, in Freiburg rechnet sie aber nicht mit einer ähnlichen Quote: "Man darf nicht unterschätzen, dass in Österreich die Liga schwächer ist und es dementsprechend einfacher ist, individuell Tore zu schießen. Aber stören würde es mich natürlich nicht, wenn ich wieder torgefährlich bin", sagt sie. Tatsächlich ist die Lücke zwischen der österreichischen und deutschen Liga groß, auch Lisa Kolb zum Beispiel zeigt in Freiburg gute Leistungen, trifft aber nicht so regelmäßig wie in Neulengbach.

Den Unterschied merkt Schasching auch im Training, das sie mehr fordert als in Österreich:  "Die Intensität, die bei den Trainings abgehalten wird, ist schon anders als das, was ich von Graz gewohnt war", sagt sie. Andererseits bietet das auch mehr Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, Trainerin Theresa Merk setzt viel auf den direkten Draht zu den Spielerinnen. Für Schasching eine willkommene Neuerung: "Ich bin es aus Österreich nicht so gewohnt gewesen, dass die Trainer so eine offene Kommunikation zu den Spielerinnen suchen und immer wieder Feedback geben. Das ist eine tolle Eigenschaft und auch für die persönliche Entwicklung sehr hilfreich."

Schasching weiß, woran sie noch arbeiten muss: "Ich denke, dass ich als Mittelfeldspielerin noch viel abgeklärter sein muss, und viel genauer im Passspiel und bei der Passschärfe", sagt die Österreicherin. Für ihre erste Saison will sie sich noch keine zu hohen Ziele stecken, aber dem Team helfen: "In der Bundesliga möchte ich Spielminuten sammeln, aber gleichzeitig will ich mich damit nicht unter Druck setzen."

Mit Österreich bei der EM: Das bisherige Karriere-Highlight

Nicole Billa, Annabel Schasching
Im Nationalteam Mitspielerinnen, in der Bundesliga jetzt Konkurrentinnen: Nicole Bella und Annabel Schasching / Eurasia Sport Images/GettyImages

Dieses Jahr könnte sich Schasching auch weiter in dem österreichischen Nationalteam etablieren. Im Sommer fuhr sie als Nachrückerin mit zur EM, kam allerdings zu keinem Einsatz. Trotzdem war das Turnier für Schasching ein Karriere-Highlight, nicht nur wegen der Spiele: "Die Nationalmannschaft in Österreich ist einfach eine richtig coole Truppe. Die Momente neben dem Platz und im Hotel waren mindestens genauso schön, wenn nicht sogar schöner als die am Spielfeld", sagt Schasching. Mit ihrer guten Laune - etwa, als sie nach einem Sieg jubelnd in eine Pressekonferenz hereinplatzten - machten die Österreicherinnen sich auch neben dem Rasen einem Namen.

Dass Österreich sich in einer harten Gruppe mit England und Norwegen beweisen konnte und ins Viertelfinale einzog, war für Schasching "irrsinnig cool". Mit ein wenig mehr Glück, meint sie, wäre auch das Halbfinale möglich gewesen. Aber auch so hatte die EM einen großen Effekt, Schasching sagt: "Die EM war irrsinnig groß aufgezogen und ein richtiges Statement für den Frauenfußball, dass wir die Stadien füllen können und geile Spiele abliefern können. Das war für Österreich und den Frauenfußball im Land sehr viel wert."

Mit Freiburg in die Champions League?

Seitdem fielen in Österreich und Deutschland einige Zuschauerrekorde. Auch im Dreisamstadion gab es diese Saison bereits einige gute Kulissen. Mit dem SC will Schasching an die überaus erfolgreiche Hinrunde anknüpfen, als Freiburg erfrischenden Offensivfußball spielte und auf dem vierten Platz landete. "Wenn sich die Möglichkeit ergibt, wäre es natürlich toll, unter den Top-3 mitzumischen. Aber ich denke, vorrangig gilt es von Spiel zu Spiel zu schauen", ordnet Schasching die Saisonziele ein.

Der dritte Platz würde die Champions-League-Qualifikation bedeuten. Dafür muss sich Freiburg in der Rückrunde aber nochmal steigern, besonders gegen die direkte Konkurrenz aus Hoffenheim und Frankfurt.

Der Spielstil von Freiburg sollte Schasching dabei gut liegen: Unter Merk will der SC ein hohes Pressing spielen und sich dann mit flachen Pässen nach vorne kombinieren. Schaschings spielerisches Vorbild ist Ballon d'Or-Gewinnerin Alexia Putellas, die ebenfalls mit ihrer Kreativität und Übersicht glänzt. "Ich bin ein ziemlich großer Barca-Fan. Das kommt noch von früher, als bei den Männern noch Xavi und Iniesta im Mittelfeld gespielt haben. Mittlerweile schau ich eigentlich die Frauen lieber als die Herren. Ich bin, glaube ich, auch vom Spieltyp ähnlich: Viel Ballbesitz, viel Kleinklein, so ein bisserl Tiki-Taka. Dementsprechend bin ich einfach Fan vom Spielstil von Barca und natürlich auch von Alexia", sagt sie.

Neben dem Platz: unkompliziert und spontan

Vielleicht wird Schasching eines Tages auch Artikel über Barcelona schreiben: Sie will bald ein Journalismus-Fernstudium beginnen. Ob es dann Sportjournalismus oder das Feuilleton wird, kann Schasching noch nicht genau sagen: "Ich glaube, ich sehe dann mit der Zeit, in welchen Bereichen ich mich wohler fühle. Natürlich bin ich mit dem Sport durch das Fußballspielen verbunden, daher kann ich mir das schon gut vorstellen."

Neben dem Platz beschreibt sich Schasching ansonsten als "spontaner Typ" und macht einfach das, worauf sie gerade Lust hat - vom Kaffeetrinken mit Freundinnen bis zum Serienschauen oder Lesen. Schasching mag Medizin-Serien wie Grey's Anatomy oder The Good Doctor, ist ansonsten aber "nicht so der Serientiger", wie sie sagt.

Als Mensch beschreibt sich Schasching als unkompliziert: "Ich lerne irrsinnig neue Leute kennen, bin sehr gesprächig und offen für Neues. Ab und zu bin ich ruhig, aber für jeden Spaß zu haben." Die Mischung aus unkompliziertem Charakter und komplizierten Pässen, sie könnte dafür sorgen, dass Schasching und Freiburg ein sehr gutes Match werden.


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