Das Personalpuzzle des HSV: Wenig Geld - aber viele Baustellen!

Müssen die Quadratur des Kreises hinbekommen: Trainer Dieter Hecking und Sportvorstand Jonas Boldt
Müssen die Quadratur des Kreises hinbekommen: Trainer Dieter Hecking und Sportvorstand Jonas Boldt / TF-Images/Getty Images
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Vor etwa zwei Wochen tagte der Aufsichtsrat des Hamburger SV. Die Themen wurden dabei von der faktischen Wirklichkeit vorgegeben: es ging um Sportliches und um die Auswirkungen der Corona-Krise auf die personellen Planungen für die kommende Spielzeit. Klar ist: große Sprünge wird der Dino in diesem Sommer nicht machen können.

Denn nach Angaben des Hamburger Abendblattes sind die finanziellen Spielräume der Hanseaten "begrenzt". Wobei das noch die optimistische Prognose sei. Andere im Klub sprächen, so das Blatt, eher von "sehr begrenzten" Mitteln. Was angesichts von 1,5 Millionen Euro, die der HSV durch jedes Geisterspiel an Zuschauereinnahmen einbüßt, auch nicht weiter überraschen kann. Erschwerend kommt für die Verantwortlichen im Volkspark hinzu, dass die DFL von den Klubs eine Kostenkalkulation einfordert, die auch für die kommende Spielzeit von Geisterspielen ausgeht.

Im rein sportlichen Bereich geht das Abendblatt von einem größeren Umbruch des Kaders nach dieser Spielzeit aus. Der Klub wird Einnahmen aus Spielerverkäufen generieren müssen, um selbst liquide Mittel für neue Spieler zu haben. Dabei sollen vor allem vier Spieler im Fokus stehen: Tim Leibold, Jeremy Dudziak, Josha Vagnoman und sogar Fan-Liebling Bakery Jatta. Alle vier wären auf ihre jeweils eigene Art ein schmerzlicher Verlust für die Fan-Seele.

Vorlagenkönig Leibold könnte Geld in die Kasse spülen

Tim Leibold, zur Zeit beim Internet-Portal transfermarkt.de auf einen Marktwert von 2,4 Millionen Euro geschätzt, ist DER Torvorbereiter dieser Saison. Mit mittlerweile 14 Torvorlagen führt der Tor-Butler diese Statistik im Unterhaus unangefochten an. Leibold, der es geschafft hat, den früheren Publikumsliebling Douglas Santos binnen weniger Monate vergessen zu machen, wäre ein herber Verlust für den Klub. Doch die finanziellen Notwendigkeiten könnten für eine Trennung nach nur einem Jahr sorgen.

Keiner bereitete in Liga 2 mehr Tore vor: Tim Leibold
Keiner bereitete in Liga 2 mehr Tore vor: Tim Leibold / TF-Images/Getty Images

Dudziak mit Nicht-Aufstiegsklausel von 3 Millionen Euro

Auch ein Jeremy Dudziak hat sich seit seiner Ankunft im Volkspark prächtig entwickelt. Viele sahen in seinem (ablösefreien) Transfer vom Stadtrivalen FC St. Pauli eher eine Kader-Ergänzung, denn eine echte Verstärkung. Und tatsächlich sind 3 Tore und 2 Vorlagen jetzt nicht unbedingt eine Bilanz zum Zungeschnalzen. Doch Dudziaks Wertigkeit für die Mannschaft wird von nackten Zahlen nicht vollumfänglich dargestellt. Als immer anspielbarer und technisch extrem versierter Spieler (für mich der stärkste Techniker im ganzen Kader, noch vor Hunt) ist er enorm wertvoll für seine Mitspieler.

Wenn seine Fitness entsprechend ist, gehört Dudziak zu denjenigen Akteuren, die selten mal einen Ball verlieren. Sein Vertrag (bis 2022) soll eine Nicht-Aufstiegsklausel beinhalten. Demnach könnte er, sollte der HSV den Wiederaufstieg erneut verpassen, für schlappe drei Millionen Euro gehen. Unwahrscheinlich, dass unter solchen Bedingungen kein Interessent für ihn auftaucht.

Als Ergänzungsspieler geholt, zum Leistungsträger gereift: Jeremy Dudziak wird den HSV bei Nicht-Aufstieg wohl verlassen
Als Ergänzungsspieler geholt, zum Leistungsträger gereift: Jeremy Dudziak wird den HSV bei Nicht-Aufstieg wohl verlassen / Stuart Franklin/Getty Images

Verkauft der HSV auch seine "Eigengewächse"?

Etwas anders liegt der Fall bei den beiden "Eigengewächsen" Josha Vagnoman und Bakery Jatta. Ersterer war in diese Saison eigentlich als Back-up für den etatmäßigen Rechtsverteidiger Jan Gyamerah vorgesehen. Als der sich jedoch kurz vor dem Stadtderby schwer verletzte, konnte Josh die Gunst der Stunde für sich nutzen - und sich dauerhaft in die erste Elf spielen. Doch auch Vagnoman selbst musste in dieser Spielzeit schon durch die Verletzungshölle. Zurück kam er jedoch gestärkt und liefert seither solide Arbeit ab. Mehr aber auch nicht. Damit hat er zwar schon einen gewaltigen Schritt gegenüber der Ausgangslage vor der Saison getan - weitere wären aber nötig, um auch perspektivisch (in Liga 1) konkurrenzfähig aufgestellt zu sein. Der Vertrag mit dem Youngster wurde erst vor Kurzem bis 2024 verlängert. Von einer Ausstiegsklausel ist nichts bekannt, so dass der HSV hier die Zügel in der Hand hält. Bei einem aktuellen Marktwert von 2,7 Millionen Euro könnte er durchaus zu einer interessanten Verhandlungsmasse werden.

Emotional könnte es bei Bakery Jatta werden. Der hat in knapp einem Monat eine Saison hinter sich, in die normalerweise ein ganzes Fußballerleben passt. Die unsägliche Kampagne der Sportbild gegen ihn im September, die wochenlangen Diskussionen um seine Identität, während der er bisweilen schon in eine kriminelle Ecke gestellt worden war - all das hat Spuren bei dem Gambier hinterlassen. HSV-Fans stellen sich wohl heute noch die Nackenhaare auf, wenn sie an den emotionalen Moment seines Tores gegen Hannover 96 denken. Doch bei aller Gefühlsduselei: unter rein sportlichen Aspekten muss man festhalten, dass der von allen erhoffte nächste Entwicklungsschritt bisher ausblieb. Anders formuliert: Jatta stagniert seit einiger Zeit. Doch allein sein junges Alter und sein großes physisches Potential machen ihn auch jetzt schon zu einer interessanten Personalie - auch für den einen oder anderen Bundesligisten. Sein Marktwert wird zur Zeit auf 2,3 Millionen beziffert.

Emotionen pur nach seinem Treffer gegen Hannover: Jatta bedankt sich bei den HSV-Fans für die Unterstützung in schweren Zeiten
Emotionen pur nach seinem Treffer gegen Hannover: Jatta bedankt sich bei den HSV-Fans für die Unterstützung in schweren Zeiten / TF-Images/Getty Images

Leihspieler kehren wohl allesamt zu ihren Vereinen zurück

Um das Kapitel der Abgänge komplett zu machen: die geliehenen Jordan Beyer (Borussia Mönchengladbach), Louis Schaub (1.FC Köln), Adrian Fein (Bayern München) und Joel Pohjanpalo (Bayer Leverkusen) werden wohl eher keine Rolle in den Zukunftsplänen von Hecking und Co. spielen. Beim finnischen Stürmer haben sich die Hamburger schon bei der Abwicklung des Leihgeschäfts bewusst keine Kaufoption in den Vertrag schreiben lassen. Denn die wäre mit zehn Millionen Euro sowieso zu hoch für die Hanseaten ausgefallen. Ob Bayer hier nochmal mit sich reden lässt, wird man sehen.

Bei Adrian Fein könnte es noch eine kleine Hoffnung auf einen weiteren einjährigen Verbleib in der Hansestadt geben. Allein: seine seit Beginn der Rückrunde gezeigten Leistungen lassen auch ihn nicht mehr zu einem unverzichtbaren Bestandteil in den Planungen werden. Dennoch könnte beim Spieler selbst, angesichts der Weltklasse-Konkurrenz, die ihn beim Rekordmeister erwartet, noch ein Sinneswandel einsetzen. Und auch Bayern selbst dürfte wohl einem weiteren Leihgeschäft (immer unter der Bedingung, dass dieses dann in Liga 1 stattfindet) nicht gänzlich abgeneigt sein.

Zehn Millionen Euro sind dem HSV zu viel für ihn: Joel Pohjanpalo
Zehn Millionen Euro sind dem HSV zu viel für ihn: Joel Pohjanpalo / Stuart Franklin/Getty Images

Ferner wird es wohl auch in der Defensive den einen oder anderen Abgang gegen. Bei den Machern im Volkspark genießt der Holländer Timo Letschert noch die höchste Wertschätzung. Seine Un-Leistungen in den letzten beiden Spielen dürften aber auch die Bosse ins Grübeln gebracht haben. Ob ein Ewerton nochmal die Chance bekommt, die vom Trainer postulierte Führungsrolle einzunehmen, ist ebenso zweifelhaft wie eine dauerhafte Zusammenarbeit mit Rick van Drongelen. Der ist mit 7,2 Millionen Euro in besagtem Experten-Portal überraschend hoch bewertet. Dass der HSV in der Abwehr nicht bundesliga-tauglich aufgestellt ist, hat sich jedoch nicht erst in den letzten Partien gezeigt. Hier besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf - der auch vom Klub erkannt wurde.

Als Leader geholt, als Flop entpuppt: Ewerton
Als Leader geholt, als Flop entpuppt: Ewerton / TF-Images/Getty Images

Zwei neue Stürmer sollen kommen

Holen wollen die Hamburger auf jeden Fall zwei Stürmer. Zwar haben die Rothosen in der aktuellen Spielzeit den zweitstärksten Sturm der Liga - was aber auch nur wiederum auf die mitunter tiefe Diskrepanz zwischen statistischen Zahlen und subjektiven Eindrücken verweist. Denn dass der HSV Probleme hat, seine Chancen effizient zu verwerten, zieht sich im Grunde genommen wie ein roter Faden durch die Saison.

Scouts haben Primera División im Blick

Interessante Randnotiz: Für ihre Bemühungen, neue (und preiswerte) Spieler zum HSV zu locken, sollen sich die HSV-Scouts in Zukunft vor allem auf den spanischen Markt konzentrieren. Zuletzt seien sie vermerkt von spanischen Beratern kontaktiert worden sein. Hintergrund: Die Corona-Krise. Die wird für die Primera División erheblich negativere Folgen haben als es in anderen, vergleichbaren Ligen der Fall sein wird.