Pellegrino Matarazzos erstes Jahr beim VfB Stuttgart: Geduld zahlt sich aus
Von Florian Bajus

Als der VfB Stuttgart vor einem Jahr die ausgerufenen Saisonziele zu verpassen drohte, entschieden sich die Verantwortlichen für einen Trainerwechsel: Tim Walter musste seinen Hut nach nur wenigen Monaten wieder nehmen, stattdessen sollte Pellegrino Matarazzo den VfB wieder in die Bundesliga führen. Diese Entscheidung war goldrichtig.
Die Geschicke eines Fußballvereins zu leiten, ist gewiss keine einfache Aufgabe. Tagtäglich herrscht viel Druck in dem schnelllebigen Geschäft, in dem Erfolge von gestern viel unbedeutender sind als die Aufgaben, die am nächsten Morgen warten. Alles, was zählt, sind die nächsten drei Punkte und dass die gesteckten Saisonziele erreicht werden. Misslingt diese Aufgabe, droht man zu scheitern.
Beim VfB Stuttgart ist in den vergangenen Jahren einiges schiefgelaufen. Zahlreiche Trainer und Sportchefs wollten den Traditionsverein aus dem Schwabenland wieder auf die Beine bringen, nachhaltig und geduldig konnte in diesem unruhigen Umfeld aber kaum gearbeitet werden. Die Konsequenz: Im Jahr 2016 stieg der VfB erstmals nach 41 Jahren wieder in die 2. Bundesliga ab, auch 2019 musste man das Oberhaus wieder verlassen.
Sven Mislintat, der im April 2019 zum Sportdirektor ernannt worden war, konnte den Abstieg nicht verhindern. Gleichwohl sollte er dafür sorgen, dass der VfB so schnell wie möglich in die Bundesliga zurückkehrt. Er probierte es mit Tim Walter, der 45-jährige Cheftrainer scheiterte jedoch mit seinem aggressiven Offensivfußball. Am 23. Dezember 2019 folgte die Trennung, genau eine Woche später wurde der Nachfolger präsentiert: Pellegrino Matarazzo.
Mit Matarazzo geht es nachhaltig bergauf
Der US-Amerikaner mit italienischen Wurzeln war im Profi-Geschäft ein unbekannter Name, offenbarte sein Talent aber im Nachwuchsbereich des 1. FC Nürnberg und der TSG Hoffenheim und assistierte von Januar 2018 bis zu seiner Vertragsunterschrift in Stuttgart Julian Nagelsmann und Alfred Schreuder. Auch unter seiner Leitung lief nicht alles rund, denn die junge und neu aufgestellte Mannschaft hatte auch in der Rückrunde mit der Favoritenrolle in Liga zwei zu kämpfen, blieb zwischenzeitlich sogar vier Spiele sieglos. Doch inmitten dieser Phase wurde Matarazzos Vertrag bis 2022 verlängert - und nur sieben Monate später würde sich wohl niemand über eine erneute Verlängerung beschweren.
Der Aufstieg war kein leichtes Unterfangen, wurde aber erreicht. Und seit der VfB wieder in der Bundesliga spielt, tritt die Mannschaft wesentlich befreiter auf und macht unheimlich Spaß. Der Kader zeichnet sich durch eine gesunde Mischung aus jungen und talentierten sowie erfahrenen Spielern aus, an deren Seite Shootingstars wie Silas Wamangituka, Tanguy Coulibaly, Sasa Kalajdzic oder Orel Mangala aufblühen. Ob im 3-4-1-2 oder 3-4-2-1, der VfB läuft hoch an, will früh den Ball erobern und spielt mit viel Tempo nach vorne, weiß aber auch mit längeren Ballbesitzphasen etwas anzufangen. Aktiv am Spiel teilnehmen und Fehler erzwingen, statt auf Ballverluste des Gegners zu warten - das ist die Devise.
Das Vertrauen in Matarazzo hat sich voll ausgezahlt. Nach 13 Spieltagen stehen die Stuttgarter auf dem siebten Tabellenplatz und haben bereits acht Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze. Mit dem Cheftrainer und dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger hat Mislintat ein stabiles Fundament errichtet, auf welchem sich der Verein nachhaltig weiterentwickeln kann. Der Prozess benötigt Zeit - doch der Sportdirektor hat den übrigen Verantwortlichen eindrucksvoll bewiesen, dass Geduld eine wichtige Tugend ist.