Mit Leistner hat der HSV noch einen Trumpf im Ärmel!

Kann Leistner im Saison-Finale der Mannschaft den nötigen Halt geben?
Kann Leistner im Saison-Finale der Mannschaft den nötigen Halt geben? / Thomas Eisenhuth/Getty Images
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Zwischen Bangen und Hoffen. Das ist derzeit in etwa die Stimmungslage rund um den Hamburger SV, nachdem die letzten Spiele wieder erschreckende Parallelen zu den gescheiterten Aufstiegsmissionen der vorangegangenen Jahre aufwiesen. Von der Rückkehr eines "Säulenspielers" erhofft man sich nun einen Schub für den Saisonendspurt.


Als ein solcher wurde nämlich vor der Saison Toni Leistner angepriesen. Da sich der gebürtige Dresdner mit dem 1. FC Köln nicht über eine Vertragsverlängerung einig geworden war, schnappten sich die Hanseaten die Abwehrkante für lau.

Sein neuer Trainer Daniel Thioune, selbst gerade erst in der Hansestadt angekommen, jubilierte nach der Unterschrift des 30-Jährigen: "Toni definiert sich über eine hohe Robustheit, ist sehr gierig gegen den Ball, sehr aktiv, aber auch jemand, der in der Lage ist zu führen und aufgrund seines Alters ein bisschen was gesehen hat. Das war mein Anspruch: dass ich einen auf dem Platz brauche, der sofort funktioniert und den einen oder anderen auch mal mitziehen kann." (Quelle: ndr.de)

Leistners holpriger Start

Das erste Pflichtspiel (im DFB-Pokal) führte den Coach und seinen prospektiven Führungsspieler ausgerechnet in dessen Geburtsstadt. Es wurde ein Alptraum für den HSV.

Aufgrund der damals niedrigen Inzidenzwerte waren sogar teilweise wieder Zuschauer zugelassen worden. In Dresden machten 10.000 Fans (mehr gab es an jenem Pokal-Wochenende in keinem anderen Spiel) den Besuch der Hamburger zu einem Spektakel.

Doch leider beflügelte die Anwesenheit der seit Monaten so vermissten Zuschauer an diesem Montagabend des 14. September nur die Hausherren, die die prominenten Gäste mit 4:1 förmlich überrannten.

Gerannt ist Leistner auch. Selbst noch nach dem Schlusspfiff. Denn aufgrund verbaler Ausrutscher seitens einiger "Fans" brannten dem Abwehrhünen kurzerhand die Sicherungen durch - und er knöpfte sich einen der Beleidiger (der, laut Leistner, irgendwas in Bezug auf seine Familie gepöbelt haben soll) mal direkt auf der Tribüne vor. Ein kleines Gerangel, ein Stoß - genug für die DFL, um Leistner anschließend für mehrere Spiele zu sperren.

Dynamo Dresden v Hamburger SV - DFB Cup: First Round
Erster Frust-Moment der Saison für den HSV: Bei Dynamo Dresden setzte es im Pokal ein peinliches 1:4 / Thomas Eisenhuth/Getty Images

Comeback - und neuerliche Sperre

Als er dann zurückkam, im dritten Liga-Spiel der Saison bei der SpVgg Greuther Fürth (die ersten beiden Partien hatten die Rothosen auch ohne ihn gegen die beiden Absteiger aus Düsseldorf und Paderborn gewonnen), schien Leistner die Unglücks-Story fortschreiben zu wollen.

Nach einer Notbremse am durchgebrochenen Nielsen sah der Routinier glatt Rot. Nach einer Stunde war Leistners Liga-Debüt für die Hamburger auch schon wieder beendet. Wenigstens brachten seine Kollegen die knappe 1:0-Halbzeitführung in Unterzahl über die Zeit.

Toni Leistner, Martin Petersen
Kaum da - und schon wieder weg: Bei seinem Liga-Debüt in Fürth sah Leistner Rot. / Alexander Hassenstein/Getty Images

Die zwei Spiele Sperre, die Leistner in der Folge absitzen musste, gewann der HSV gegen Aue und Würzburg.

Es war also alles andere als ein Bilderbuchstart, den Toni Leistner in Hamburg hingelegt hat. Und es blieb schwierig. Denn just mit seiner Rückkehr (am 6. Spieltag) im Stadtderby gegen den FC St. Pauli begann die Mannschaft, die erste größere Auszeit der Saison zu nehmen.

In den fünf Spielen zwischen 6. und 10. Spieltag blieb das Team nicht nur sieglos, sondern verlor nach den beiden aufeinanderfolgenden Remis gegen die Braunen und bei Holstein Kiel dreimal in Folge (gegen Bochum, Heidenheim, Hannover).

Der Heidenheim-Moment

Im Spiel bei den Brenz-Städtern sorgte Leistner - im Verbund mit Keeper Sven Ulreich - für einen ersten Slapstick-Moment der Saison. Wäre man kein HSV-Fan gewesen, hätte man wohl auch drüber lachen können.

Irgendwie wurden sich die beiden in den Schlusssekunden des Spiels in der Voith-Arena nicht darüber einig, wie der vermutlich letzte Torabstoß des Spiels auszuführen wäre.

Eigentlich sollte Ulreich den Ball lang schlagen, entschied sich aber, kurz auf Leistner zu legen. Da der, angesichts der pressenden Heidenheimer, auch nicht so recht wusste, was er mit dem Ball anfangen sollte, passte er ihn wieder zu Ulreich.

Und dem rutschte das Leder bei der Annahme derart weit vom Fuß, dass Heidenheims Kühlwetter dazwischen spritzen konnte - und von dessen Schienbein der versuchte weite Schlag Ulreichs ins Tor prallte.

Mal wieder hatte sich der HSV buchstäblich selbst geschlagen - und Leistner einen gewissen Anteil daran gehabt.

Doch in den folgenden Tagen schien dann endlich das zu passieren, worauf die Hamburger Kadermacher vor der Saison spekuliert hatten: Leistner wurde zum Anführer. Schon beim 0:1 gegen Hannover war die Körpersprache der Mannschaft eine komplett andere als in den müden Auftritten gegen Bochum und in Heidenheim zuvor.

Neun ungeschlagene Spiele mit Leistner - und Abwärtsentwicklung ohne ihn

Zwar ging auch das Nordderby gegen die Roten verloren - doch dann startete der HSV - mit Leistner als Abwehrchef - eine starke Serie von neun ungeschlagenen Spielen (7 Siege, 2 Unentschieden). Höhepunkt war sicherlich das sehr überzeugend herausgespielte 3:1 im Heimspiel gegen Paderborn.

Doch in selbiger Partie verletzte sich Leistner - und konnte bis heute kein weiteres Spiel mehr für die Rothosen bestreiten. Die Bilanz seitdem: nur zwei Siege aus neun Spielen (bei vier Unentschieden und drei Niederlagen).

Daniel Thioune, Toni Leistner
Nichts geht mehr - Leistner musste gegen Paderborn schon nach einer Viertelstunde vom Platz / Stuart Franklin/Getty Images

Somit lässt sich also schon rein statistisch nachweisen, welche Wertigkeit Leistner für die Mannschaft hat. Mit Sicherheit gibt es technisch beschlagenere Kollegen, auch in der Defensive. Wahrscheinlich auch kopfballstärkere. Und auch im Spielaufbau dauert das bisweilen alles etwas zu lang, wenn Leistner am Ball ist.

Doch es ist das Gesamtpaket, das Leistner so wichtig für diese Mannschaft macht. Denn in Sachen Einsatzbereitschaft, Kampfgeist und - vor allem - Lautstärke verfügt der HSV momentan über keinen Besseren.

Aufgrund seiner Erfahrung (während seiner Kölner Zeit war Leistner vom englischen Zweitligisten Queens Park Rangers ausgeliehen) gibt er den jungen Spielern im HSV-Kader Stabilität und Halt.

Leistners Anteil an Ambrosius' positiver Entwicklung

Nicht wenige schreiben die phänomenale Entwicklung von Stephan Ambrosius zu einem Gutteil den integrativen Kräften eines Toni Leistners zu. Um so besser, dass der Abwehrchef nun endlich wieder im Mannschaftstraining mitmischen kann.

Stephan Ambrosius
Profitierte sehr von der Erfahrung seines Innenverteidiger-Kollegen: Stephan Ambrosius / Sebastian Widmann/Getty Images

Und durch die vor kurzem noch als riesengroßes Unglück im Aufstiegsrennen betitelte Corona-Pause, in der sich der HSV nach den Quarantäne-Fällen in Karlsruhe und Sandhausen nun zwangsläufig befindet, erhält Leistner nun sogar die nötige Zeit, um den logischen Konditionsrückstand bis zum nächsten Pflichtspiel (Stand heute wird dies am 24. April in Regensburg sein) wieder aufzuholen.

Leistner als Trumpf-Karte für den Endspurt

Sollte Leistners Anwesenheit die Hamburger Defensive ähnlich stabilisieren wie in den meisten seiner bisherigen fünfzehn Einsätze, hat der HSV in ihm einen weiteren Trumpf für den Saison-Endspurt in der Hand.

Und Leistner würde seinem Ruf als Säulenspieler am Ende doch noch gerecht werden. Manchmal muss man also einfach nur ein bisschen Geduld haben. Aber das war in Hamburg bislang immer noch leichter gesagt, als getan.