Köln in der Frauen-Bundesliga unter den Erwartungen: Was läuft schief beim Effzeh?

Gemischte Gefühle nach der Hinrunde der Frauen-Bundesliga beim 1. FC Köln
Gemischte Gefühle nach der Hinrunde der Frauen-Bundesliga beim 1. FC Köln / Christof Koepsel/GettyImages
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Vor der Saison machte der 1. FC Köln mit großen Verpflichtungen auf sich aufmerksam. Viele hatten die Geißböcke als Überraschungsteam der Frauen-Bundesliga-Saison auf dem Zettel, doch bisher konnte Köln die Erwartungen noch nicht erfüllen: Platz acht und nur zehn Tore - im Schnitt eins pro Spiel - stehen zu Buche. Wo liegt das Problem beim Effzeh?


Transfers mit Signalwirkung: Hohe Erwartungen vor der Saison

"Boom! 💥" schrieb der 1. FC Köln am 22. Juni auf Instagram. Damit gab der Effzeh den Bombentransfer von Selina Cerci bekannt. Cerci war in der letzten Saison auf dem besten Weg gewesen, Torschützenkönigin in der Frauen-Bundesliga zu werden, bevor ein Kreuzbandriss sie ausbremste. Dass sie nun vom Viertplatzierten Potsdam nach Köln wechselte, war ein Transfer mit Signalwirkung.

Köln vollzog einen Umbruch, viele junge Talente kamen, aber auch Erfahrung: Sarah Puntigam kam aus Montpellier an den Rhein, um die Defensive zu verstärken.

Nach dem ersten Bundesliga-Jahr schienen die Geißböcke bereit für einen größeren Sprung. Zu den Neuzugängen kam schließlich eine solide Basis aus der letzten Saison. Die Hürde Klassenerhalt hatte Köln als Aufsteiger locker genommen. In den wichtigen Spielen, etwa gegen die Absteiger Jena und Sand, konnte das Team von Sascha Glass punkten. Und die Offensive um die ehemalige Torschützenkönigin Mandy Islacker zeigte mit gut gefahrenen Kontern schon ihr Potenzial.

Von daher schien es nicht irrsinnig, Köln einen Sprung in der Tabelle zuzutrauen. Auch wenn der dritte Platz noch sehr weit weg wirkte, schien der Effzeh das Zeug zu haben, um die Großen zu ärgern. Die Verantwortlichen ließen sich aber nicht zu Schwärmereien hinreißen und wollten die Kirche im Dorf lassen. Statt von Champions-League-Nächten in Barcelona zu träumen, war das erklärte Ziel eine weitere Stabilisierung in der Liga.

Und das ist gut so. Ansonsten hätte Köln zum Jahreswechsel wohl ein jähes Erwachen vor sich gehabt. Dabei war der Start in die Saison noch traumhaft: Beim 3:1-Sieg gegen Hoffenheim zeigten die Kölnerinnen in der ersten Hälfte, was das Team gut kann. Zur Halbzeit lag der FC überraschend mit 3:0 vorne, Hoffenheim wirkte geschockt. Die potenzielle Stärken, die auch schon in der Vorsaison zu sehen waren, zeigten sich.

Starker Auftakt gegen Hoffenheim

Mandy Islacker
Kölns Torjägerin Mandy Islacker / Lukas Schulze/GettyImages

Köln fuhr gegen ein Hoffenheimer Team, das aus dem Ballbesitz hinaus nicht gefährlich genug wurde, schnelle und direkte Konter. Über Zawistowska, Beck und Beuschlein kam der Effzeh immer wieder in die Lücken zwischen den TSG-Verteidigerinnen. Dort lauerte Mandy Islacker, die aufspielte wie zu ihren besten Zeiten: eiskalt vor dem Tor und mit einem guten Gefühl für die Räume.

Im Angriff war auch zu sehen, dass die Außenverteidigerinnen eine zentrale Rolle im Kölner Spiel einnehmen können. Andrea Gavric auf links und Ally Gudorf rechts bildeten eine überaus effektive Flügelzange. Gudorf stand sehr weit vorne, schien streckenweise eher als Mittelfeldspielerin zu agieren und trieb oft den Ball nach vorne. Ihr Pendant Gavric war etwas defensiver positioniert, wodurch sich eine Asymmetrie im Kölner Spiel ergab, auf die Hoffenheim so nicht eingestellt schien. Aber auch Gavric schaltete sich nach vorne ein, gab etwa die Flanke zum 2:0.

Die Offensive war sicherlich ein wichtiger Bestandteil der Kölner Leistung, aber hinten machte es das Team von Sascha Glass ebenso gut. Die Viererkette machte der Hoffenheimer Angriffsreihe das Leben sehr schwer: Köln stellte die Wege geschickt zu und ließ die TSG nicht in die gefährlichen Zonen kommen. Hoffenheim durfte von hinten aufbauen, aber wenn die Blau-Weißen zentral durch das Mittelfeld kommen wollten, schob Köln dem einen Riegel vor. Oft doppelte der Effzeh auch die ballführende Spielerin und ließ wenig Platz zum Kombinieren.

Sascha Glass
Gegen Hoffenheim ging die Taktik von Sascha Glass auf / Lukas Schulze/GettyImages

Gegen den Ball fiel nicht nur dieses disziplinierte Verteidigen auf, sondern auch ein mutiges Pressing. Die Kölner Spielerinnen scheuten sich nicht, sich aus der Kette zu lösen und Hoffenheim früh zu bedrängen. Dadurch sollten die Angriffe der TSG proaktiv gestoppt werden, was natürlich einige Risiken birgt, in dem Spiel aber gut funktionierte. Das lag vor allem daran, dass die anderen Spielerinnen meist konsequent nachrückten und absicherten.

Traumstart - aber Probleme zeigen sich schon in der zweiten Halbzeit

Klingt alles vielversprechend. Bloß: Auch im Hoffenheim-Spiel waren die ersten Risse im Kölner Gebilde zu sehen. Effizienz vor dem Tor ist natürlich eine Stärke, aber die drei Schüsse des FC hätten wohl auch nicht an jedem Tag den Weg ins Tor gefunden. Köln machte aus drei großen Chancen drei Tore, Hoffenheim aus ebenso guten Möglichkeiten nur eins.

Nach der starken ersten Halbzeit ließ Köln merklich nach - und das, obwohl sie nach dem Platzverweis von Jana Feldkamp in Überzahl spielten. Dass es den Geißböcken nicht mehr gelang, das Spiel zu kontrollieren, konnte man mit Unerfahrenheit oder schwindenden Kräften begründen. Da sich dieses Problem in den weiteren Spielen aber wiederholt zeigte, handelt es sich eher um strukturelle Ursachen.

Kölns Stärken blitzten im Verlauf der Hinrunde immer wieder auf, ohne aber konsequent ausgespielt zu werden. Nur sieben Tore kamen nach dem Spiel gegen die TSG noch hinzu. Wie letzte Saison steht der FC auf dem achten Platz, aber die Gefühlslage ist jetzt eine andere. Waren die Ansprüche schlicht zu hoch, oder blieb Köln unter seinen Möglichkeiten? Vermutlich ist es eine Mischung aus beidem. Der Anspruch muss sicherlich sein, vor Teams wie Meppen zu stehen, oder auch vor Leverkusen - wie es auch Ally Gudorf vor der Saison im 90min-Interview sagte. Dass das bisher nicht gelungen hat, hat vielfältige Gründe.

Kölns Probleme - vorne ungenau, hinten wacklig

Die Spielanlage: Zu vorhersehbar und statisch

Erstens zeigte sich Köln von der Spielanlage nicht flexibel genug. Kontern ist schön und gut, aber was tun, wenn das andere Team den gleichen Plan verfolgt? Vor diesem Problem stand Köln etwa gegen Meppen und Duisburg. Wenn die Rheinländerinnen das Heft selbst in die Hand nehmen mussten, taten sie sich oft enorm schwer. Aus dem offenen Spiel hatte Köln nur einen Expected Goals-Wert von 6,26. Mit den Möglichkeiten, die sie sich herausgespielt haben, hätten sie statistisch also etwas mehr als sechs Tore erzielen sollen.

Kein überragender Wert, auch im Vergleich mit dem von anderen Teams. Freiburg etwa wurde vor der Saison ähnlich eingeschätzt: Talent und Erfahrung gemischt, gute Ansätze beim Kontern, mit Potenzial für die oberen Plätze. Die Breisgauerinnen haben nun aber einen doppelt so hohen xG-Wert wie Köln.

Effizienz ist verloren gegangen

Dazu kommt, dass der Effzeh diesen Wert untertroffen hat: Nur vier Tore waren es in Wirklichkeit aus dem offenen Spiel. Statistische Modelle wie die Expected Goals sind nicht unfehlbar, aber diese Diskrepanz zeigt: Eine der zentralen Stärken der letzten Saison, die Effizienz, ist flöten gegangen. Im Vergleich machte Freiburg aus seinem xG von dreizehn erstaunliche 21 Tore. Im Abschluss war sicherlich an der ein oder anderen Stelle Pech dabei, dennoch hätte Köln mehr aus seinen Chancen machen können. Dass sogar die eigentlich souveräne Islacker zwei Elfmeter verschoss, passt ins Bild.

Bei einem Überfluss an Chancen könnte man sich das leisten, aber das war bei Köln eben nicht der Fall. Bei Kontern zeigte sich mit frappierender Regelmäßigkeit, dass die Genauigkeit fehlt. Zu viele Abspielfehler und überhastete Pässe machten aussichtsreiche Positionen zum Gegenstoß zunichte. Köln spielte zwar schnell - bei der direct speed verzeichnet der Effzeh den zweithöchsten Wert in der Frauen-Bundesliga -, aber nicht immer zielführend. Nur gegen Hoffenheim und Potsdam wurde Köln wirklich gefährlich. Gegen diese beiden Teams erzielten die Rheinländerinnen sieben Tore, gegen den Rest der Bundesliga nur drei.

Pressing: Wo ist der anfängliche Mut hin?

Nicht immer zielführend war auch das Pressing. Vom Mut, den Köln gegen den Ball im ersten Saisonspiel zeigte, war in den weiteren Spielen wenig zu sehen. Klar: Ein hohes Pressing kann auch ordentlich schief gehen und hinten Lücken lassen. Aus Angst davor stand Köln in den weiteren Spielen etwas tiefer und lief nicht mehr besonders couragiert an.

Bei den Statistiken der Pressing-Intensität und den hohen Ballgewinnen steht das Team von Sascha Glass im Mittelfeld. Wenn nicht hohes Pressing und Konter, was ist dann die Stärke von Köln? Vielleicht strebt Glass langfristig eine Entwicklung in Richtung ballbesitzorientierter Fußball an. Bislang ist der Effzeh aber noch meilenweit davon entfernt, diesen zu beherrschen.

Verteidigung: Zu viele individuelle Fauxpas

So viel zur Offensive. Die Kölner Verteidigung hingegen stand über weite Strecken der Spiele gegen Gegner auf Augenhöhe stabil. Dann aber schlichen sich immer wieder unnötige Fehler ein, ähnlich den "unforced errors" im Tennis. Mal wurde der Ball zu kurz geklärt, mal verschätzte sich eine Verteidigerin, mal die Torhüterin. Diese individuellen Fehler passierten öfter, als es Kölns Anspruch sein muss.

Dazu kommt, dass die Koordinierung der Viererkette nicht immer klar wirkte. Besonders bei Hereingaben herrschte des Öfteren Chaos im Strafraum der Geißböcke, gegnerische Spielerinnen standen komplett blank. Daher probierte es Glass mit verschiedenen Aufstellungen, ließ Sarah Puntigam etwa im defensiven Mittelfeld oder in der Innenverteidigung zum Einsatz kommen. Auch das war der Stabilität vielleicht nicht zuträglich.

Kaderbreite, Auswärtsschwäche und Pech

Neben diesen taktischen und individuellen Mängeln fallen weitere Faktoren ins Gewicht. Zum einen scheint der Kader nicht breit genug aufgestellt. Gegen Freiburg hatte Glass etwa nur drei Feldspielerinnen zur Verfügung. Schuld daran waren Verletzungen, aber auch ohne die wären mehr Alternativen sicherlich wünschenswert.

Zudem scheint Köln eine mysteriöse Auswärtsschwäche zu plagen. In der Ferne konnte der FC noch keinen einzigen Punkt holen, während die Leistungen zuhause meist deutlich besser waren. Vor einer Kulisse wie gegen Wolfsburg spielt man sicherlich am liebsten - aber die Fans wären wohl nicht böse, wenn auch auswärts mal gepunktet würde.

Vielleicht lastet ja auch ein Auswärtsfluch auf dem Effzeh? Obwohl die Leistungen nicht immer überragend waren, hätte sich Köln doch in dem ein oder anderen Spiel einen Punkt verdient. Zum Beispiel gegen Meppen, wo sie unglücklich nach umstrittenem Platzverweis und Elfmeter-Fehlschuss mit 0:1 verloren.

Ausblick auf die Rückrunde: Mehr ist drin - falls die Baustellen angegangen werden

Pech spielte in manchen Szenen sicherlich auch eine Rolle - und wären diese anders ausgegangen, wäre der Punktestand jetzt wohl höher und der Optimismus größer. Daher gilt es, die bisher eher mickrige Punkteausbeute nicht überzubewerten. Köln ist es durchaus zuzutrauen, in der Rückrunde noch an Boden wettzumachen.

Voraussetzung dafür ist, dass Glass und sein Team die der Winterpause genutzt haben, um an den größten Baustellen zu arbeiten: Offensiv die Kölner Ungenauigkeit und Vorhersehbarkeit, defensiv die Patzer und mangelnde Zuordnung. Die anstehende Rückkehr von Selina Cerci ist sicherlich ein Lichtblick für den Effzeh. Gut möglich, dass mit ihr die Effizienz an den Rhein zurückkehrt, auch wenn das an den strukturellen Defiziten nichts ändert.


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