So lief die Gruppenphase für die WM-Debütanten - Teil 1: Philippinen, Irland, Sambia, Haiti

Jubel bei Sarina Bolden, die gerade das erste WM-Tor der Philippinen geschossen hat.
Jubel bei Sarina Bolden, die gerade das erste WM-Tor der Philippinen geschossen hat. / MARTY MELVILLE/GettyImages
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32 Teams spielen bei der WM 2023 mit, so viele wie nie zuvor. Die Qualität litt darunter aber nicht, denn die Debütanten schlugen sich sehr gut. Obwohl keins der acht Teams die K.O.-Runde erreichen konnte, konnten viele für Aufsehen sorgen. Die WM kann gerade in diesen Ländern eine Chance sein, die Bedingungen für den Fußball der Frauen zu verbessern. Teil 1: Philippinen, Irland, Sambia und Haiti.

1. Philippinen: Umjubelter erster Sieg und Euphorie trotz Ausscheiden

Norway v Philippines: Group A - FIFA Women's World Cup Australia & New Zealand 2023
Stolz trotz der Niederlage gegen Norwegen: Die Philippinen / Buda Mendes/GettyImages

Sarina Bolden schrieb am 25. Juli 2023 zum zweiten Mal Geschichte: Die 27-Jährige erzielte das erste WM-Tor für die Philippinen. Zuvor hatte sie auch schon das entscheidende Tor geschossen, das die Filipinas nach Neuseeland gebracht hatte. Der Jubel war grenzenlos.

Nicht nur in Wellington, wo die philippinischen Fans klar den Ton angaben, obwohl ihr Team gegen die Gastgeberinnen aus Neuseeland spielte. Auch in Manila und in vielen anderen Städten der Philippinen brach spontan Jubel aus, die Spiele wurden in großen Einkaufszentren übertragen. Fußball ist auf den Philippinen nicht der beliebteste Sport, die Männer konnten sich noch nie für eine Weltmeisterschaft qualifizieren. Umso wichtiger war dieses erste Tor, und einige Minuten später auch der erste WM-Sieg.

Die Torhüterin Olivia McDaniel hielt mit ihren Glanzparaden den Sieg fest, und vorne wurden Bolden und ihre Sturmpartnerin Guillou immer wieder gesucht. An dieses Spiel wird man sich noch lange erinnern - auch wenn die Philippinnen in den anderen beiden Partien, gegen die Schweiz und Norwegen, defensiv Probleme hatten und klar verloren.

Die WM könnte ein Wendepunkt sein, um den Fußball der Frauen auf den Philippinen populärer zu machen. Aktuell besteht das Nationalteam zum Großteil aus Spielerinnen mit philippinischen Wurzeln, die in den USA geboren wurden. Die Entwicklung eines Systems zur Nachwuchsförderung wäre ein großer Schritt. In Neuseeland waren bereits zahlreiche philippinische Fans da, um ihr Team anzufeuern, die Suchanfragen explodierten. Das Interesse ist da, jetzt muss es nur genutzt werden.

2. Irland: Zäher Kampf in Hammergruppe - aber von Konflikt überschattet

Ireland v Nigeria: Group B - FIFA Women's World Cup Australia & New Zealand 2023
Irlands Spielerinnen nach dem Unentschieden gegen Nigeria / Bradley Kanaris/GettyImages

Vierblättrige Kleeblätter sind ein Symbol von Irland, aber beim Los hatten die Girls in Green wenig Glück: Irland landete in der wohl schwersten Gruppe der WM, mit Gastgeber Australien, Olympiasieger Kanada und Nigeria.

Irland tat dennoch sein Bestes, um den Gegnerinnen das Leben schwer zu machen. Das Mittelfeld mit Sinead Farrelly machte das Zentrum zu, die kompakte Defensive um Louise Quinn war schwer zu überwinden. Australien brauchte dafür einen Elfmeter, Kanada eine deutliche Leistungssteigerung zur zweiten Halbzeit. Gegen Nigeria zeichnete sich Torhüterin Courtney Brosnan mit einer Heldentat aus und sicherte so den ersten WM-Punkt der Geschichte.

Nach vorne ging bei den Irinnen aber zu wenig, um ernsthafte Chancen auf die K.o.-Runde zu haben. Das einzige Tor war eine spektakuläre, direkt verwandelte Ecke von Katie McCabe - natürlich, denn McCabe ist Kapitänin, Star, Torschützin und Lieblings-Anspielstation des Teams zugleich. Wer, wenn nicht sie?

McCabe hält sich mit ihrer Meinung nicht zurück, umso mehr Spekulationen erregte es, als sie nach dem letzten Gruppenspiel einen Emoji mit verschlossenem Mund tweetete. Hintergrund ist ein Konflikt mit der Trainerin Vera Pauw, der aus ihrer Zeit in der amerikanischen Liga Missbrauch und Mobbing vorgeworfen werden.

Trotzdem wurde sie von Irland verpflichtet und erreichte sportlich viel - ihr Führungsstil ist aber weiterhin umstritten, so griff sie etwa ihre Kapitänin in der Pressekonferenz nach dem Nigeria-Spiel offen an und warf ihr vor, ihre Autorität zu untergraben. Daher wird ihr Vertrag vermutlich nicht verlängert werden.

3. Sambia: Trotz erstem Sieg hinter den Erwartungen zurückgeblieben - Vorwürfe gegen den Trainer

Spain v Zambia - FIFA Women's World Cup
Sambia im Spiel gegen Spanien / Anadolu Agency/GettyImages

Auch bei Sambia drehten sich die Schlagzeilen vor dem Turnier kaum um Fußball. Dabei hatte das Team vor der WM schon gezeigt, was sie können: Besonders der 3:2-Sieg gegen Deutschland sorgte für Aufsehen, bei Olympia 2021 hatte die Offensive auch schon für Furore gesorgt. Mit Barbra Banda und Racheal Kundananji hat Sambia im Sturm zwei Top-Spielerinnen, die mit ihrer Schnelligkeit und Physis schwer zu verteidigen sind.

All das rückte aber in den Hintergrund, als immer mehr Vorwürfe gegen den Verband und den Trainer, Bruce Mwape, publik wurden. Mwape werden in einem Guardian-Artikel sexueller Missbrauch und Nötigung vorgeworfen. Der Verband habe davon gewusst, aber die Vorwürfe wegen der guten sportlichen Leistungen ignoriert.

Bei der WM zeigte sich aber, dass beides schwer zu trennen ist. Eine der besten Spielerinnen, Grace Chanda, reiste ab - offiziell wegen einer Verletzung, aber da sie auch zu den schärfsten Kritikerinnen gehörte, löste ihre Abreise einige Spekulationen aus. Auch die erste Torhüterin, Hazel Nali, war wegen einer Verletzung nicht dabei. Sie durfte die Ergebnisse ihres MRT-Scans aber selbst nicht mal einsehen und fühlte sich eigentlich bereit zu spielen.

All das ist nicht vom Sportlichen zu trennen, und so ist es wenig überraschend, dass Sambia bei der WM unter den Erwartungen zurückblieb. Gegen Japan und Spanien hatten sie nicht den Hauch einer Chance (zweimal 0:5), die so gefürchtete Offensive hatte in beiden Spielen keine Großchancen. Gegen Costa Rica gelang der heiß ersehnte erste WM-Sieg, trotzdem bleiben unter dem Strich viele offene Fragen. Nach dem letzten Spiel wurde bekannt, dass eine neue FIFA-Untersuchung gegen Mwape läuft, weil er während des Trainings einer Spielerin an die Brüste gegriffen hat.

4. Haiti: Kein Tor, aber gute Defensive; Dumornay ragt heraus

Melchie Dumornay, Georgia Stanway, Millie Bright
Melchie Dumornay am Ball / Bradley Kanaris/GettyImages

Elfmeter waren bei der WM Haitis Endgegner: Aus dem offenen Spiel kassierten Les Grenadières nur ein einziges Tor, und da war gegen Dänemark in der zehnten Minute der Nachspielzeit bereits alles entschieden. Dafür musste Haiti in jedem Spiel einen Elfmeter hinnehmen und verlor so knapp gegen England und China.

Besonders das Auftaktspiel gegen England war beeindruckend. Die 19-jährige Melchie Dumornay, Haitis Supertalent, zeigte eine Weltklasse-Leistung im Mittelfeld und war defensiv wie offensiv überall involviert. Von Dumornay, ab diesem Sommer für Lyon aktiv, wird man noch viel hören.

Ohne eine Top-Parade von Englands Torhüterin Mary Earps wäre sogar ein Unentschieden gegen den Europameister drin gewesen. Viele hatten mit einem Kantersieg gerechnet, aber Haiti schlug sich gut.

Nach vorne gelang Haiti zu wenig, um zum ersten Mal bei einer WM zu punkten oder auch ein Tor zu erzielen. Es fehlte zu oft an individueller Klasse und sauberen Ballannahmen.

Auch in Haiti ist bei der Förderung des Fußballs der Frauen noch viel Luft nach oben, gegen den Präsidenten des Verbandes gibt es Vorwürfe des Machtmissbrauchs und sexuellen Missbrauchs. Vielleicht können die guten WM-Leistungen immerhin ein Stück weit die Situation verbessern.