Gisdol und Wolf bitten um Geduld - doch dem 1. FC Köln läuft die Zeit davon

Der 1. FC Köln tritt weiter auf der Stelle
Der 1. FC Köln tritt weiter auf der Stelle / Lars Baron/Getty Images
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Aus fußballerischen Aspekten war das 0:0 zwischen dem 1. FC Köln und Hertha BSC wahrlich kein attraktives Bundesligaspiel. Den Gastgebern geht es derzeit aber ohnehin nicht darum, Hurra-Fußball zu zelebrieren, sondern im Abstiegskampf zu punkten. Markus Gisdol und die Seinen sprachen zu Recht von einem kleinen Schritt gegen die Hertha, verharmlosen die Probleme in der Offensive allerdings. 90min fasst einige Erkenntnisse des Spiels zusammen.

Ein Chancenfestival sieht anders aus. Nach 90 Minuten standen acht Torschüsse für den 1. FC Köln und dreizehn für Hertha BSC zu Buche, die wohl beste Chance hatte der Herthaner Matteo Guendouzi mit seinem Pfostentreffer in der 83. Minute.

Dass es nur selten vor den Toren von Timo Horn und Alexander Schwolow brenzlig wurde, war den Leistungen beider Mannschaften geschuldet. Der FC verteidigte in einem situativen Mix aus 5-2-3 und 5-3-2 gegen eine im flachen 4-4-2 aufbauende Hertha. Die Alte Dame hatte zwar mehr Spielanteile, blieb aufgrund zu hoher Statik aber insbesondere im ersten Durchgang zu ungefährlich und konnte keine Lücken im extrem tiefen Abwehrblock des Gegners aufreißen.

Von Beginn an war offensichtlich, dass der FC nach der 0:5-Klatsche in Freiburg zunächst einmal die Null halten will, allerdings präsentierte sich die Elf von Markus Gisdol im Umkehrschluss mit dem Ball erneut harmlos. Gefährlich wurde es überwiegend nach Zufallsmomenten oder einem kleinen Hauch von Spielverständnis zwischen den Mittelfeldspielern, spätestens im letzten Drittel mangelte es aber weiterhin an einer klaren Idee: an Abläufen und Strukturen, an einer ausreichenden Strafraumbesetzung - schlicht an Qualität, um in der Bundesliga zu bestehen.

1. FC Köln: Viel Schatten, wenig Licht

Der positivste Lichtblick am Samstagnachmittag war Rechtsverteidiger Kingsley Ehizibue. Der 25-Jährige wurde erstmals seit dem vierten Spieltag wieder für die Startelf nominiert und brachte - wenn auch überwiegend nur in Ansätzen - Beweglichkeit, Dynamik und Mut für das Eins-gegen-eins auf den Platz. Genau diese Eigenschaften sind es, die mit Marius Wolf auf der rechten Abwehrseite fehlen - und auch im Angriff konnte die Leihgabe von Borussia Dortmund bislang noch nicht überzeugen, zu sehr mangelt es an Durchsetzungsvermögen im direkten Duell mit seinem Gegenspieler.

Unter dem Strich machte Kingsley Ehizibue ein ordentliches Bundesligaspiel
Unter dem Strich machte Kingsley Ehizibue ein ordentliches Bundesligaspiel / Lars Baron/Getty Images

Auch Ondrej Duda, der in der 3-4-3-Formation bei Ballbesitz als zentrales Element im Sturm spielte, ist in der Spitze nicht gut aufgehoben. Auf dieser Position sind seine Übersicht und seine Technik am Ball verschenkt. Auf einer tieferen Position, auf der er das Spiel an sich reißen und Angriffe mit seinem guten Auge für den richtigen Pass initiieren kann, wäre er eindeutig besser aufgehoben. Solange Sebastian Andersson jedoch ausfällt, dürfte der Ex-Herthaner weiterhin in vorderster Front spielen.

Damit einher geht ein großes Problem, das Gisdol noch nicht lösen konnte: Die von ihm angestrebte Spielweise ist nicht für den Kader geeignet. Es soll derzeit flach und am besten über die Außenbahnen gehen, doch bei Flanken in den Strafraum ist schlicht kein Abnehmer da - und auch Andersson war meist alleine im Sechzehner positioniert. In diesen Szenen braucht der Stürmer Unterstützung von den Mittelfeldspielern, die sich allerdings nur sehr verhalten in der gegnerischen Hälfte respektive im letzten Drittel bewegen.

Ondrej Duda wird seiner Qualitäten beraubt, wenn er in der Sturmspitze aushelfen muss
Ondrej Duda wird seiner Qualitäten beraubt, wenn er in der Sturmspitze aushelfen muss / Lars Baron/Getty Images

Mit Duda, Ellyes Skhiri, Salih Özcan, Elvis Rexhbecaj und Jonas Hector verfügen die Kölner über ein zentrales Mittelfeld, das durchaus Ballsicherheit versprüht und nach vorne denkt. Doch statt sich auf die Stärken dieser Zone zu konzentrieren und sie zum Kern des Spiels zu machen, belässt es Gisdol Woche für Woche bei harmlosen Ansätzen über die Flügel, sofern seine Mannschaft im Umschaltspiel überhaupt mit genügend Spielern nach vorne marschiert - auch an diesem Punkt mangelte es gegen Hertha in vielen Szenen.

Drangphase nach dem Seitenwechsel macht Hoffnung

Allerdings hat die Gisdol-Elf zu Beginn der zweiten Halbzeit bewiesen, dass sie höher stehen und aggressiver nach vorne spielen kann, ohne defensive Stabilität einzubüßen. Gerade solche Phasen sind in den kommenden Bundesligaspielen gegen den FC Schalke 04, Arminia Bielefeld und 1899 Hoffenheim wichtig, wenn erstmals seit dem 1:0-Sieg über den FSV Mainz am elften Spieltag wieder ein Tor erzielt und ein Spiel gewonnen werden soll.

Diese kurze Drangphase stimmt Jonas Hector zuversichtlich: "Wir haben alles reingeworfen und streckenweise auch besser Fußball gespielt als in den letzten Wochen", wird der Kapitän auf der Vereinswebsite zitiert. Über 90 Minuten betrachtet klagte Keeper Horn allerdings über "zu wenige Lösungen", die die Mannschaft im eigenen Ballbesitz gefunden habe. "Und nach hinten raus muss man sagen, dass wir in der einen oder anderen Szene, wie dem Pfostenschuss beispielsweise, auch ein bisschen Glück hatten", mahnte der 27-Jährige.

Der 1. FC Köln geht Schritt für Schritt - das Tempo ist jedoch zu langsam

Die Mannschaft geht den Weg des Trainers mit, will Schritt für Schritt gehen und auf der Arbeit gegen den Ball aufbauen: "Die Basis ist die Defensivarbeit und wir hatten es uns nach dem Freiburg-Spiel fest vorgenommen, wieder besser zu stehen", betonte Horn, der optimistisch in die Zukunft blickt: "Nach vorne müssen uns noch mehr Lösungen einfallen, dann werden wir auch wieder Spiele gewinnen."

Chef-Coach Gisdol betonte derweil erneut, dass die Mannschaft Schwierigkeiten "im Herausspielen von Torchancen" habe. "Daran müssen wir arbeiten", sagte der 51-Jährige - allerdings ist diese Phrase ebenso fehl am Platz wie die Aussage von Marius Wolf, dass man eine "junge Mannschaft" habe, die "lernen" müsse.

Markus Gisdol flüchtet sich weiter in Phrasen - von einer Weiterentwicklung auf dem Platz ist aber kaum etwas zu erkennen
Markus Gisdol flüchtet sich weiter in Phrasen - von einer Weiterentwicklung auf dem Platz ist aber kaum etwas zu erkennen / Lars Baron/Getty Images

Denn Fakt ist zwar, dass der 1. FC Köln mit einem Durchschnittsalter von 24,7 Jahren über den drittjüngsten Bundesliga-Kader verfügt, doch RB Leipzig kämpft mit einem Durchschnittsalter von 24,2 Jahren um die Meisterschaft und Aufsteiger VfB Stuttgart steht mit 24,1 Jahren auf einem einstelligen Tabellenplatz. Und angesichts der Tatsache, dass am Dienstag und Mittwoch der 17. Spieltag gespielt wird, sollte die Mannschaft wesentlich weiter sein. Doch Gisdol, der seit November 2019 im Amt ist, steht mit ihr noch ganz am Anfang.

Wollen sich die Kölner im Abstiegskampf durchsetzen, muss die Entwicklung im Eiltempo voranschreiten. Gisdol, so scheint es, wird diese Aufgabe voraussichtlich nicht gelingen. Es braucht einen Trainer, der die Stärken und Schwächen des Kaders erkennt und die Spielweise daran ausrichtet; und er muss ihr beibringen, wie sie im Ballbesitz konstruktiv nach vorne spielen kann. Wie das geht, beweisen Union Berlin und Urs Fischer in dieser Saison - daran kann und sollte sich der FC ein Beispiel nehmen.