Frauenfußball - Bayer Leverkusen im Höhenflug: Ist die Champions-League möglich?

Leverkusen bejubelt den späten Punktgewinn gegen Frankfurt
Leverkusen bejubelt den späten Punktgewinn gegen Frankfurt / Andreas Schlichter/GettyImages
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Bayer Leverkusen hat in der Frauen-Bundesliga einen guten Saisonstart hingelegt: Nach einer Auftakt-Niederlage gegen Wolfsburg blieb die Werkself ungeschlagen, trotzte zuletzt Frankfurt ein 2:2 ab. Haben die Bayer-Frauen nach einer soliden letzten Saison sogar eine Chance auf die Platz drei und damit die Champions-League-Qualifikation?

Pro: Das spricht für Leverkusen

Die spielerische Entwicklung

Bayer Leverkusen hat eine klare spielerische DNA: Unter Robert de Pauw will die Werkself durch Ballbesitz zum Erfolg kommen. Anders als viele Konkurrenten setzt Leverkusen nicht auf Konter und lange Bälle, sondern will viele Situationen spielerisch lösen. Das führt zu vielen ansehnlichen Kombinationen.

Von einem Pep-Guardiola-Stil ist Leverkusen freilich noch weit entfernt - der Weg zu einem flüssigen Ballbesitz-Fußball ist steinig. Das war etwa beim 2:2 gegen Frankfurt zu sehen, als Leverkusen sich mit dem Anspruch, nie den Ball rauszukloppen, oft selbst in die Bredouille brachte. Die Balance zwischen spielerischer Weiterentwicklung und der Vermeidung von unnötigen Risiken wird Robert de Pauw auch diese Saison beschäftigen.

Robert de Pauw
Hat gut lachen: Bayer-Trainer Robert de Pauw / Selim Sudheimer/GettyImages

Trotzdem hat Leverkusen schon eine starke Entwicklung durchgemacht. Während es zu Beginn oft noch ideenlose Flanken gab (beispielsweise letzte Saison gegen Duisburg), ist Bayer variabler geworden. Falls sich Leverkusen ebenso stark weiterentwickelt wie zuvor, könnte die Werkself bald oben anklopfen - wenn nicht jetzt, dann vielleicht in der nächsten Saison.

Die Neuzugänge

Zu dem Höhenflug haben die Neuzugänge viel beigetragen: Karolina Vilhjalmsdottir und Nikola Karczewska haben sich als echte Glücksgriffe erwiesen und sich als kongeniales Sturmduo einen Namen gemacht. Bayer hat die Abgänge, wie den der Niederländerin Jill Baijings, gut kompensieren können.

Die Integration von Vilhjalmsdottir und Karczewska im Team wird sich im Laufe der Saison nur noch weiter verbessern - gleiches gilt für Synne Skinnes Hansen, die gegen Frankfurt ein absolutes Traumtor erzielte. Mit Emilie Bragstad, wie Vilhjalmsdottir per Leihe von Bayern gekommen, hat Leverkusen nun zudem eine Innenverteidigerin mit starker Spieleröffnung. Die Niederländerin Janou Levels hat einiges an Schwung auf den Flügel gebracht.

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Starker Neuzugang: Karolina Lea Vilhjalmsdottir / ANP/GettyImages

Die Effektivität

Bei allem Lob für Spielstil und Neuzugänge war vor allem ein Faktor entscheidend für den starken Saisonbeginn: Die Effektivität. Laut The Analyst erzielte Leverkusen aus dem offenen Spiel 13 Tore, bei einem Expected-Goals-Wert von nur 6,25. Damit traf Bayer also doppelt so oft wie es statistisch gesehen zu erwarten gewesen wäre.

Das ist eine unglaubliche Effizienz - und diese Qualität half Leverkusen bereits, einige Punkte zu retten, auch wenn es spielerisch nicht ganz so gut lief. Gegen Frankfurt etwa hatte die Pauw-Elf an sich nicht viele Chancen, schoss aber trotzdem zwei Tore und rettete so das Unentschieden. Genau diese Effizienz fehlt vielen anderen Teams - Bayern-Trainer Alexander Straus etwa dürfte neidisch auf diese Statistik von Leverkusen blicken.

Contra: Das spricht gegen Leverkusen

Phasenweise zu harmlos

Die andere Seite der Effizienz-Medaille ist aber: Ein Expected-Goals-Wert aus dem offenen Spiel von 6,25 ist nicht gerade berauschend. In einigen Partien rettete die starke Chancenverwertung Leverkusen - aber dass Schüsse wie der von Skinnes Hansen gegen Frankfurt immer ihren Weg ins Tor finden, darauf ist kein Verlass.

Das musste etwa Freiburg letzte Saison auf die harte Tour erfahren - der SC war in der Hinrunde ebenfalls sehr effizient, aber in der Rückrunde hatten sie dann alles Schusswasser verbraucht. Es kann auch mal passieren, dass die Schüsse partout nicht ins Tor wollen. Dass Leverkusen die aktuelle Effizienz über die ganze Saison halten kann, scheint unwahrscheinlich.

Dann wird es zum Problem werden, dass Leverkusen sich aktuell nicht konstant genug Chancen herausspielt. Gegen Frankfurt, aber auch gegen Essen, fiel Bayer nach vorne nicht viel ein. Ab und zu sorgt dann ein Geniestreich - ein Seitenwechsel, ein Traumpass, ein schönes Dribbling - für Gefahr, aber phasenweise bleibt die Werkself zu berechenbar.

Die Defensive

Die hauptsächlichen Konkurrenten im Kampf um Platz drei sind Hoffenheim und Frankfurt. Besonders Frankfurt stellt mit Sophia Kleinherne und Sara Doorsoun eine starke Innenverteidigung, auch Hoffenheim ließ bisher weniger Chancen zu als die Leverkusenerinnen.

Dort ist die individuelle Qualität bei Bayer nicht ganz so hoch wie bei der Konkurrenz. Neuzugang Emilie Bragstad glänzt mit ihren langen Bällen, aber gewinnt nicht jedes Sprintduell - und Matysik an ihrer Seite packt manchmal eine tolle Grätsche aus, aber verschätzt sich doch noch manchmal. Schlecht ist Leverkusens Verteidigung im Liga-Vergleich deswegen nicht, aber gegen die Top-Teams kassierte Bayer diese Saison je mindestens zwei Tore.

Reicht es in den Topspielen?

Diese direkten Duelle werden wohl auch diese Saison der entscheidende Punkt sein. Letzte Saison erledigte Leverkusen seine Hausaufgaben gegen die nominell schwächeren Teams fast immer - mal mehr, mal weniger souverän, aber es wurde konstant gepunktet. Gegen die Topteams war die Bilanz aber ziemlich mau.

Gegen Wolfsburg, Bayern, Frankfurt und Hoffenheim konnte Bayer in der letzten Spielzeit keinen einzigen Punkt holen - mit dieser Bilanz schafft man es nicht in die Champions League. Diese Saison sieht es mit den Unentschieden gegen SGE und TSG schon besser aus - aber in diesen Sechs-Punkte-Spielen müsste dann auch mal ein Sieg her, und das könnte aufgrund der doch noch schwächeren individuellen Qualität schwierig werden.

Sveindis Jonsdottir, Janou Levels
In Topspielen wie dem gegen Wolfsburg tut sich Leverkusen noch schwer / Selim Sudheimer/GettyImages

Fazit

Bayer spielt bisher eine starke Saison und der Trend zeigt klar in eine Richtung: nach oben. Das Team hat einen klaren Spielstil, der über die letzten Monate verfeinert wurde, und wurde im Sommer mit guten Neuzugängen verstärkt. Langfristig befindet sich die Werkself damit sicherlich auf einem guten Weg.

Ob es in dieser Saison aber für die Champions League reicht, ist eher fraglich. Denn der bisherige Erfolg hing auch maßgeblich von der überdurchschnittlichen Effizienz ab, die nicht die ganze Saison anhalten dürfte. Für Platz Drei müsste zudem auch mal ein Erfolg gegen die Top-Teams her. Ganz so weit ist Leverkusen vielleicht noch nicht - aber wenn sich die Entwicklung der letzten Jahre fortsetzt, müssen sich Hoffenheim und Frankfurt bald auf einen ernsthaften Konkurrenten gefasst machen.


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