Ex-Spielerinnen geben Einblick in die Probleme bei Turbine Potsdam

Quo vadis, Turbine Potsdam?
Quo vadis, Turbine Potsdam? / Pool/GettyImages
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Turbine Potsdam droht der Abstieg in die zweite Bundesliga. Nach Platz vier und dem DFB-Pokalfinale im vergangenen Jahr konnten die Brandenburgerinnen in dieser Saison noch kein einziges Spiel gewinnen und stehen mit einem Punkt am Tabellenende. Der rbb hat mit sechs ehemaligen Spielerinnen über die Gründe für den Absturz gesprochen.


Turbine Potsdam hat turbulente Monate hinter sich. Nach der verpassten Champions-League-Qualifikation trennte sich der Klub von Trainer Sofian Chahed. Weil er mit der Entscheidung nicht einverstanden war, trat kurz darauf der langjährige Präsident Rolf Kutzmutz zurück, gefolgt von Vizepräsident Uwe Reher und weiteren Vorstandsmitgliedern, die ihre Ämter im September bzw. Oktober niederlegten.

Ebenfalls im Oktober musste auch Chahed-Nachfolger Sebastian Middeke seinen Hut nehmen. Einen neuen Cheftrainer hat der Traditionsklub bis heute nicht präsentiert. Die sportliche Verantwortung tragen Co-Trainer Dirk Heinrichs und Sven Weigand, der nach der Middeke-Entlassung ins Trainerteam geholt wurde. Damals hieß es von Klubseite, dass Weigand den Trainerstab lediglich "bis zur Klärung der Cheftrainerposition" unterstützen werde.

Dass bei Turbine einige Dinge schief laufen, war zahlreichen Spielerinnen schon lange klar. Zwölf Akteurinnen, der Großteil davon Stammpersonal, brachen ihre Zelte im Sommer ab und schlossen sich neuen Vereinen an. Anonym schildern nun sechs von ihnen gegenüber dem rbb, welche Probleme ihrer Meinung nach in Potsdam vorherrschen.

Leben in der Vergangenheit

"Vor zehn Jahren hatte man einen Vorsprung in der Infrastruktur, jetzt ist der Frauenfußball gewachsen und die Strukturen ähneln mehr dem Männerfußball", erklärt eine der Spielerinnen. "Der Verein hat den Absprung verpasst und das Innovative verloren und sich in der Phase des Erfolgs ausgeruht." Turbines "steifes Image" führe zum Verlust von Sponsoren. Statt weiter in der erfolgreichen Vergangenheit zu leben, müsse sich der Verein weiterentwickeln und an den modernen Fußball der Frauen anpassen.

Vakanter Sportdirektoren-Posten

Dazu gehöre auch, einen Sportdirektor, Teambetreuer oder Manager zu installieren, der als Ansprechpartner für die Spielerinnen fungieren könne. Diesen Wunsch hätte die Mannschaft mehrfach an den Vorstand herangetragen.

"Wir haben viele Gespräche geführt, sehr, sehr oft die gleichen Themen angesprochen, dass wir mehr Personal brauchen und die Bedingungen sich verändern müssen", sagt eine Spielerin. Die Vorschläge seien zwar begeistert aufgenommen worden, geändert habe sich jedoch mit Verweis auf fehlende finanzielle Mittel wenig.

Zudem hätten die Spielerinnen den Eindruck gewonnen, dass der ehrenamtliche Vorstand mit seinen Aufgaben überlastet gewesen sei. Gerade deshalb sei es so wichtig, professionelle Strukturen unabhängig vom Ehrenamt zu schaffen.

Kommunikationsprobleme

Wesentliche Probleme im Verein gehen offenbar auf Mängel in der internen Kommunikation zurück. So berichten die Spielerinnen exemplarisch davon, dass die Physiotherapeuten teilweise nicht wüssten, welche Verletzungsprobleme eine Spielerin hat. Ehemalige Mitglieder der Vereinsführung, die ebenfalls anonym bleiben wollten, bekräftigen die Schilderungen.

Zum einen hätten die Anliegen der Spielerinnen nicht alle Vorstandsmitglieder erreicht, da es um den Informationsfluss in der Führungsetage nicht zum Besten bestellt sei. Zum anderen hätten Teile des Vorstands vergeblich auf Antworten zur Sponsorenakquise gewartet. Einblicke in diesen Bereich wären insbesondere in den Diskussion um die Finanzierung professioneller Strukturen von entscheidender Bedeutung gewesen.

Grundsätzlich habe es eine Spaltung zwischen Vorstand und Präsidium gegeben. Vor den Rücktritten im Sommer und Herbst habe es bei den Sitzungen "mehrfach geknallt", schreibt der rbb und bezeichnet das Präsidium als "Befürworter der alten Strukturen", während der Vorstand zu mehr Fortschritt gedrängt habe.

Reaktionen der (ehemaligen) Verantwortlichen

Ex-Präsident Rolf Kutzmutz bestätigt die Vorwürfe teilweise. Zum Thema Umstrukturierung hätten ihm stets die konkreten Vorschläge gefehlt, erklärt der 75-Jährige. Was den mangelnden Informationsfluss angeht, gesteht Kutzmutz Fehler ein: "Wenn es um Dinge geht, die kein anderer übernehmen wollte und ich mich dieser Sache angenommen habe - dann ist es schon so, dass ich diesen Vorwurf auf meine Kappe nehme. Weil dann habe ich auch keinen großen Grund gesehen, darüber Rechenschaft abzulegen." Gleichzeitig betont er, dass während der Vorstandssitzungen nie Kritik in diese Richtung geäußert worden sei.

Auch Geschäftsführer Stephan Schmidt, der seit 2011 in verschiedenen Positionen für Turbine tätig ist, äußert sich zur Kritik der Ex-Spielerinnen. In Bezug auf den vakanten Sportdirektor-Posten räumt Schmidt ein, dass "eine Stelle für sportliche Leitung geschaffen werden" müsse. Das sei eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Vorstands, der am 6. Januar gewählt werden soll.

Zudem gibt er zu, dass die schlechten Trainingsbedingungen von der Mannschaft mehrfach angesprochen worden seien. Die ehemaligen Spielerinnen monieren, dass das Training auf einem zu kleinen Ausweichplatz stattgefunden habe, um anderen Potsdamer Klubs Platz zu machen. Mehrere Vorstandsmitglieder betonen jedoch, das aktuell eine zufriedenstellende Lösung gefunden worden sei. In der Vergangenheit habe man zudem immer wieder das Gespräch mit der Stadt gesucht, da die Zahl der Sportplätze für die ansässigen Vereine nicht ausreiche.

Ihre Hoffnungen, dass Turbine das Ruder herumreißen kann, setzen die ehemaligen Spielerinnen auf den im November neu gewählten Präsidenten Karsten Ritter-Lang. "Es braucht auf der Kulturebene mehr Offenheit. Mehr gemeinsames Arbeiten und nicht das 'Jeder zieht sein Ding durch'. Mehr aufeinander hören, aufeinander zugehen und gemeinsam daran arbeiten. Ich wünsche mir das für Turbine", so eine der Akteurinnen.


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