EURO2020: Eine Europameisterschaft der Rekorde
Von Guido Müller

Seit einigen Stunden ist die 16. Fußball-Europameisterschaft nun Geschichte. Und ein neuer (alter) Europameister gekrönt. Zum zweiten Mal (nach 1968) konnte sich Italien die begehrte Trophäe sichern. In einem Turnier, das auch von Rekorden geprägt wurde.
Elf verschiedene Spielorte - Rekord!
Superlativ waren schon die Rahmenbedingungen. Denn noch nie fand das europäische Kontinentalturnier an so vielen Austragungsorten (11) statt wie in dieser "EURO2020" genannten Meisterschaft.
Als diese Idee einer Europa überspannenden Endrunde geboren wurde, war "Corona" den meisten Fans auf der Welt (wenn überhaupt) nur als mexikanische Biermarke bekannt.
Doch die Tatsache, dass sich hinter diesem Begriff ab dem Februar vergangenen Jahres auch eine handfeste (und potentiell tödliche) Pandemie verbarg, brachte es zunächst mit sich, dass die UEFA von ihrem ursprünglichen Terminplan abweichen und das Turnier um ein Jahr verschieben musste.
Doch auch mit einem Jahr Verspätung hatte das COVID-19-Virus die Planung der europäischen Fußball-Party fest im Griff. Zuschauer konnten nur in begrenzter Anzahl in die Stadien. Von Ausnahmen wie in Budapest oder London abgesehen lag die Auslastung bei einem Viertel der jeweiligen Kapazität.
142 Tore - Rekord!
Aber selbst diese Restriktionen konnten der Freude der Fans an diesem Event keinen Abbruch tun. Zumal sie Tore in Hülle und Fülle zu sehen bekamen. Insgesamt 142 in 51 Spielen. Bei der EM vor fünf Jahren in Frankreich waren es - bei gleicher Anzahl von Spielen - 109 Treffer.
Indes stellt diese Europameisterschaft nicht nur in absoluten Treffer-Zahlen eine Rekordmarke auf. Auch in der Tor-Anzahl pro Spiel (2,78) liegt sie deutlich vor ihren Vorgängern, wenn man in diesem Zusammenhang nur die Turniere ab 1980 (mit Vorrunde und k.o-Runde) betrachtet.
Dem diesjährigen Wert am nächsten kommt die EURO2000 (in Belgien und Holland), die ein Register von 2,48 Toren pro Match aufwies. Zum Vergleich: bei der Endrunde vor fünf Jahren waren es nur 2,12.
Schicks Treffer aus 45 Metern - Rekord!
Eines dieser 142 Tore dieser EM gelangte auch für sich selbst in die Rekord-Annalen der Fußball-Europameisterschaften: mit seinem erfolgreichen Schuss aus 45 Metern Entfernung gelang Patrik Schick im Auftaktmatch der Tschechen gegen die Schotten ein Treffer, der so schnell wohl nicht überboten wird.
17 Elfmeter und 10 Eigentore - ebenfalls Rekord!
Ein Rekord ist auch von der Elfmeter-Front zu vermelden. 17 Mal zeigten die Referees während der regulären Spielzeit auf den ominösen Punkt - so oft wie bei keinem anderen Endturnier. Neun davon wurden verwandelt - acht verschossen.
Und dann war da ja noch diese ganz besondere Rekord-Marke bezüglich der Eigentore. Insgesamt zehn Mal bugsierten Spieler während dieser Europameisterschaft das runde Leder ins eigene Netz.
Zum Vergleich: in allen vorherigen EM-Turnieren, zwischen 1960 und 2016, lag die Zahl in Summe bei gerade mal 9. Die EURO2020 hat also die Gesamtzahl an Selbsttoren bei Europameisterschaften mehr als verdoppelt.
Guter Fußball, enge Spiele - aber keine Mannschaft, die über allen anderen stand
Neben all diesen statistisch messbaren Rekordwerten hatte diese Europameisterschaft aber auch jede Menge guten Fußballs und enger Spiele zu bieten.
Was vielleicht etwas fehlte war die Präsenz einer über alle anderen Teams herausragenden Mannschaft, wie es z.B. Spanien 2008 oder die Niederlande 1988 oder Frankreich 1984 gewesen waren.
An erinnerungswürdigen Spielen bleiben vor allem die beiden Achtelfinal-Begegnungen am "Mad Monday" zwischen Kroatien und Spanien (3:5 n.V.) sowie Frankreich und der Schweiz (4:5 n.E.) nachhaltig in Erinnerung.
Und - außersportlich - natürlich das Happy End im nervenaufreibenden Überlebensdrama des Dänen Christian Eriksen, ohne welches diese Europameisterschaft natürlich nicht zu dem fröhlichen Event geworden wäre, zu dem es trotz aller Widrigkeiten im Vorfeld des Turniers am Ende wurde.
Auch wenn dies die Virologen und Epidemiologen überall in Europa sicherlich etwas anders sehen.