Überheblichkeit, Ego und Drama: Frankreich scheitert an sich selbst

Frankreichs Spieler verlassen niedergeschlagen den Platz.
Frankreichs Spieler verlassen niedergeschlagen den Platz. / Daniel Mihailescu - Pool/Getty Images
facebooktwitterreddit

Frankreich hat auf dem Papier die wohl beste Mannschaft der Welt. Doch auf dem Rasen zeigt sie es nur selten und verliert sich stattdessen eher in Überheblichkeit und Egoismen. Das wurde ihr gegen die Schweiz zum Verhängnis.


Es war bei dieser Europameisterschaft mal wieder frustrierend, den Franzosen zuzuschauen. Eine Mannschaft, die so unglaublich stark besetzt ist, dass sie jedes andere Team auf der Welt problemlos herspielen könnte. Aber eben auch eine Mannschaft, die es nur selten tut, die im eher italienisch anmutenden Stil gerade das Minimum investiert, um sich durchzusetzen. So wurde sie Weltmeister, so gewann sie diesmal die "Todesgruppe" F.

Dieses Wissen um die eigene individuelle Stärke, mit der die Franzosen seit Jahren am Ende mit einem positiven Resultat davon kommen, hat aber auch ein klein wenig den Schlendrian in die Mannschaft gebracht. In den vergangenen Tagen berichtete die L'Equipe, dass die Spieler bis tief in die Nacht Netflix schauen oder Videospiele zocken würden. Didier Deschamps und sein Staff sollen alle Hände voll zu tun gehabt haben, für einen guten Schlafrhythmus zu sorgen.

Frankreich wird überheblich

Zu sehen war die zu große Lockerheit aber auch im Spiel gegen die Schweiz am Montagabend. Nachdem die Eidgenossen die große Chance auf das 2:0 per Strafstoß liegen gelassen hatten, machte Frankreich kurz ernst und spielte den Gegner an die Wand. In nur wenigen Minuten drehten sie das Spiel, dann stellte Paul Pogba mit einem fantastischen Tor auf 3:1 für Les Bleus. Das Spiel schien entschieden.

Dachten sich wohl auch die Franzosen. "Sie hatten einen Moment, in dem sie ein bisschen überheblich wurden", meinte sogar der Schweizer Held Yann Sommer nach dem Spiel am ZDF-Mikrofon. Pogbas nicht enden wollender Tanz, mit dem er sein Traumtor zelebrierte, steht ein wenig sinnbildlich dafür. Die Schweiz kam zurück, schoss zwei Tore und rettete sich in die Verlängerung.

Dort wurde dann der nächste Punkt sichtbar, der einer überragenden Auswahl wie der Frankreichs zum Verhängnis werden kann: Das Ego. Kingsley Coman musste in der 99. Minute behandelt werden und schien ausgewechselt werden zu müssen, der Gladbacher Marcus Thuram stand schon bereit. Nach einer Diskussion mit dem Mannschaftsarzt machte Coman aber doch weiter und schleppte sich in die Halbzeit der Verlängerung.

Dort wollte Deschamps ihn offenbar wirklich auswechseln, ließ ihn nach einem langen Wortgefecht mit wilden Gesten aber doch auf dem Rasen. Zumindest für sieben Minuten, dann musste der Flügelspieler des FC Bayern doch runter. "Kingsley hat Muskelprobleme im Oberschenkel gespürt, aber er wollte trotz allem weitermachen – im Wissen, dass es schwer werden wird. Es reicht nicht, weitermachen zu wollen, man muss es auch können", merkte Deschamps hinterher an (via Bild).

Natürlich verschießt Mbappé

Und zu guter Letzt haben wir doch alle das gleiche gedacht wie ZDF-Kommentator Oliver Schmidt, als Kylian Mbappé beim Stande von 4:5 zum letzten Elfmeter für Frankreich antrat. Schmidt sagte, wenn er sich an solche Situationen mit Stars wie David Beckham erinnere, dann gingen die nie gut aus. Mbappé ist ein genialer Fußballer, tritt zu oft aber sehr divenhaft auf und wirkt ein wenig abgehoben. Und natürlich verschoss er, der Superstar, der in die Fußstapfen von Cristiano Ronaldo und Lionel Messi treten soll, was einfach zum Abend Frankreichs und zu seiner persönlichen EM ohne Tor passte.

Kylian Mbappe
Kylian Mbappé nach seinem verschossenen Elfmeter. / Marcio Machado/Getty Images

Am Ende ist bei Frankreich so ziemlich alles zusammen gekommen, was eine solch überragende Mannschaft zu Fall bringen kann: Ego, Überheblichkeit und etwas Dramatik. Für die Equipe Tricolore beginnt damit jetzt die Mission Titelverteidigung bei der WM 2022. Die Mannschaft ist jung genug, um dort erneut die auf dem Papier beste zu sein. Wenn sie aus dieser EM lernt, ist sie wieder einmal der Top-Favorit.