England zieht ins Finale sein und verspielt auch die letzten Sympathien

Harry Maguire, Kalvin Phillips und John Stones bejubeln den Finaleinzug.
Harry Maguire, Kalvin Phillips und John Stones bejubeln den Finaleinzug. / Andy Rain - Pool/Getty Images
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Erstmals seit 1966 steht England im Finale eines großen Turniers, zum ersten Mal überhaupt im Endspiel einer EM. Doch auf viele Sympathien außerhalb der Insel sollten die Three Lions nicht bauen, denn die sind spätestens nach diesem Halbfinale verspielt.


Das Spiel war gerade abgepfiffen, da schallte es schon wieder durch die Boxen im Wembley-Stadion: "It's coming home, it's coming home, it's coming." Außerhalb Englands kann wohl niemand mehr diesen Song hören. 1996 entstand er, anlässlich der EM im eigenen Land. Damals war im Halbfinale Schluss, aber das Lied lebte weiter und jetzt, wo England erstmals seit Heim-EM wieder ein Turnier im eigenen Land hat, könnte der Fußball wirklich nach Hause kommen. Nur eben 25 Jahre später als geplant.

Es sei ihr gegönnt, dieser stolzen und oft gebeutelten Fußball-Nation, die oftmals viel zu wenig aus ihrem Talent machte. Aber eben auch nur bis zu einem gewissen Punkt: Wie sie es letztlich geschafft haben, in dieses Endspiel zu kommen, war wirklich nicht schön.

Englands Fußball begeistert niemanden

Beginnend mit der Art und Weise, Fußball zu spielen, was sicherlich das Harmloseste ist. England geht es zunächst einmal um Stabilität; die Null muss stehen. In den ersten fünf Turnierspielen hat das auch geklappt und England konnte dann irgendwann vorne zuschlagen. Nicht besonders schön, aber effektiv. Gegen Dänemark zeigte das Team nach dem erstmaligen Rückstand aber auch, dass es mehr kann. Dass dann in den letzten Minuten der Verlängerung die Uhr heruntergespielt wird, ist legitim. Es passt aber auch ins Gesamtbild, was keinen neutralen Fan wirklich begeistert.

Das ist bei Italien schon anders. Klar gibt es hier auch ein Abwehrbollwerk, aber die Mannen vor Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini stehen für deutlich mehr Spektakel. Weil England es aber, ebenso wie Italien, defensiv gut macht und beide bedacht sein werden, keinen Fehler zu begehen, droht ein ödes Endspiel. Hoffen wir, dass es anders kommt.

Englische Fans überbieten sich in Unsportlichkeiten

Fernab vom Sportlichen haben sich auch Englands Fans während des Turniers extrem unbeliebt gemacht. Wir kennen sie alle als verrückten Haufen und gerne betrunken, wie der Typ in dem Video von gestern Abend, der plötzlich die Tribüne herunterpurzelt. Aber es sind mittlerweile zu viele Aktionen, die nicht mehr witzig sind: Da wären zum Beispiel das konsequente Niederpfeifen der gegnerischen Hymne, das einfach respektlos ist, und auch die unfassbaren Beleidigungen gegen das weinende deutsche Mädchen.

Klar, das sind nicht alle. Ein anderer sammelte daraufhin Geld für das Mädchen, nicht alle pfeifen bei der gegnerischen Hymne. Aber es bleibt hängen. Es war wohl auch eine einzelne Person, die beim Elfmeter in der Verlängerung mit dem Laserpointer auf Kasper Schmeichel zielte, aber auch das prägt das Gesamtbild des respektlosen und unsportlichen englischen Fans dieser EM.

War das wirklich Elfmeter?

Und wo wir beim Elfmeter sind, können wir da auch noch kurz bleiben. Lassen wir ZDF-Schiedsrichter-Experte Manuel Gräfe den Pfiff einordnen: "Man kann ihn theoretisch geben, er ist jetzt nicht grottenschlecht. Ich finde ihn hier persönlich nicht richtig. Ich hätte gesagt: Weiterspielen, weil es zum Turnier passt, weil es auch zur Linie des Schiedsrichters gepasst hätte." Da waren sich eigentlich alle einig, die etwas von Schiedsrichterei verstehen: In Bezug auf die Linie des Turniers, gerade bei Elfmetern, hätte man hier weiterlaufen lassen sollen. Der VAR konnte aber nicht eingreifen, denn einen kleinen Kontakt gab es.

Von Raheem Sterling, dem angeblich Gefoulten, kann man jetzt nicht erwarten, dass er nach dem Spiel sagt, es sei kein Elfmeter gewesen. Zu behaupten, es sei aber "auf jeden Fall" richtig, ist wiederum eher schwierig. Sterling mag einen Kontakt gespürt haben, deshalb gefallen und dieser Meinung sein, aber vielleicht wäre Schweigen in diesem Fall einfach besser gewesen.

"Es war ein Elfmeter, den es nicht hätte geben sollen", fand Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand. "So zu verlieren, ist enttäuschend. Eine bittere Art und Weise, auszuscheiden." Europa trauert mit den Dänen, zumindest außerhalb Englands. Dort freute sich Trainer Gareth Southgate über eine "fantastische Nacht", die den Fans geschenkt wurde. Doch das empfinden die Engländer nun wohl exklusiv; außerhalb ihres Landes wurden ihre Sympathien verspielt.