Ein Kommunikationsdesaster: Kommentar zur Posse um Martina Voss-Tecklenburg

Die Bundestrainerin verspielt viele Sympathien, aber auch der DFB steht nicht gut da
Die Bundestrainerin verspielt viele Sympathien, aber auch der DFB steht nicht gut da / Visionhaus/GettyImages
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Martina Voss-Tecklenburg ist nicht mehr Bundestrainerin. Damit geht eine wochenlange Posse zu Ende, die von schlechter Kommunikation beider Seiten geprägt war. Das ist ein unwürdiges Ende für die Trainerin, die nach der EM noch ein hervorragendes Standing genoss. Ein Kommentar

Während der EM: "MVT" noch als Heldin gefeiert

"Die Art und Weise, wie sie auf dem Platz agieren, das ist genau die Spielweise, die wir uns wünschen und die ich auch als Leitfaden mit in die Nationalmannschaft reingebe. Von daher bin ich unendlich stolz, dass sie das so umsetzen und auch sehr stolz auf das Trainerteam", sagte Joti Chatzialexiou letztes Jahr. Chatzialexiou ist beim DFB der Leiter Nationalmannschaften und war während der EM 2022 voller Lob für "MVT" und ihr Team.

2022 war Voss-Tecklenburg auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs: Trotz der durchwachsenen Vorbereitung hatte ihre Elf ein starkes Turnier abgeliefert und die Kritiker verstummen lassen. Ob das Auftakt-Spektakel gegen Dänemark, die Abwehrschlacht gegen Spanien oder das hochdisziplinierte Halbfinale gegen Frankreich, Deutschland löste die Aufgaben mit einem klaren taktischen Plan. Nur im Finale, ohne zwei Leistungsträgerinnen (Popp und Bühl), scheiterte das DFB-Team an England.

Das Standing von Voss-Tecklenburg hätte nicht besser sein können. Chatzialexiou und andere Verantwortliche schwärmten von der Bundestrainerin, die mit der richtigen Taktik und der Beschwörung vom starken Teamgeist den Grundstein für den EM-Erfolg legte. Der DFB wollte die Erfolgstrainerin unbedingt halten und verlängerte ihren Vertrag zu deutlich verbesserten Bezügen.

Joti Chatzialexiou
Joti Chatzialexiou war nach der EM von MVT begeistert / Alex Grimm/GettyImages

Unterkühlte Beziehungen - Spielerinnen verärgert

Inzwischen ist alles anders. Das sportliche Scheitern ist das eine, der Umgang damit das andere. Nach dem WM-Aus ist zwischen dem DFB und der Trainerin viel in die Brüche gegangen. Lange blieb ihre Zukunft unklar, der Ton der Verantwortlichen unterkühlt. "Ich hätte gerne schon eine Analyse durchgeführt, vor allem um den Rucksack der WM endlich abzulegen. Das ist aufgrund der Situation von Martina Voss-Tecklenburg nicht der Fall. Das kann man sich nicht aussuchen“, sagte Chatzialexiou in dieser Phase der Ungewissheit.

Über die Krankheit von Voss-Tecklenburg, die für ihre Pause nach der WM sorgte, sind Spekulationen jeder Art unangebracht. Fragen wirft dagegen der anschließende Erholungsurlaub der Bundestrainerin auf, der die dringend nötige Grundsatzanalyse weiter nach hinten verschob. Dass Voss-Tecklenburg dagegen einige öffentliche Vorträge hielt, wenn auch in Abstimmung mit dem DFB, passt ins Bild.

Nicht nur Lena Oberdorf ärgerte sich darüber. Die 21-Jährige formulierte es aber am deutlichsten: "Es gibt ein paar Fragezeichen natürlich. Ich hätte mir da durchaus etwas anderes gewünscht. Dass man sagt: Ok, wir klären erstmal, was bei der WM passiert ist."

Zwischen den Zeilen lässt sich Ähnliches auch aus Äußerungen ihrer Mitspielerinnen herauslesen. Lea Schüller sagte etwa nach dem Spiel gegen Wales: "Für uns war es gut, dass jetzt eine Zwischenlösung da ist. Man hat das auch von Trainingseinheit zu Trainingseinheit gemerkt, dass wir immer lockerer geworden sind." Auch ihre Kolleginnen sprachen immer wieder von der mangelnden Klarheit.

Die unsichere Zukunft nahm die Spielerinnen sichtlich mit - erst übernahm Co-Trainerin Britta Carlson, nun Horst Hrubesch, aber weiterhin ohne langfristige Perspektive. Und all das, während die Olympia-Qualifikation auf dem Spiel stand und steht. Auch der DFB muss sich hier unangenehme Fragen gefallen lassen, denn souverän konnte der Verband das Chaos nicht wirklich bewältigen - weder intern noch extern.

Kommunikation und Stil von MVT und DFB sorgen für Fragezeichen

Vor allem die Kommunikation von Voss-Tecklenburg sorgt aber für Stirnrunzeln und Fragezeichen. Denn das sportliche Debakel hätte man ihr beim DFB ja noch verziehen. Erstaunlich wohlwollend waren die ersten Töne beim DFB nach dem schockierenden Aus in der Gruppenphase: Die Trainerin stehe nicht zur Diskussion, auch wenn nun einiges aufgearbeitet werden müsse.

Der DFB glänzte damit nicht: Klare Kommunikation gab es zu keinem Punkt. Und zunächst, noch vor einer wirklichen Analyse, eine voreilige Jobgarantie auszusprechen, um sie wenig später doch zurückzuziehen, ist auch nicht der beste Stil. Mit einem klaren Zeitpunkt für die Analyse hätten sich beide Seiten viel Hin und Her sparen können.

Mit genau diesem Willen zur selbstkritischen Aufarbeitung hätte Voss-Tecklenburg wohl eine Zukunft gehabt. Als Nationaltrainerin, oder auch als sportliche Direktorin, wie es zwischendurch gemunkelt wurde. Damit hätten eigentlich beide Seiten gut leben können - der klamme DFB, um die Abfindung zu sparen, und Voss-Tecklenburg, um weiterhin involviert zu sein. Diese Wege hat sich die 55-Jährige aber selbst versperrt.

Bizarr und unprofessionell wirkte es etwa, dass ihr Ehemann Hermann Tecklenburg als ihr Pressesprecher fungierte und Informationen an ihrer Stelle kommunizierte. Dabei richtete er sich teils direkt an den DFB, was nicht auf viele Gespräche zwischen beiden Seiten hinweist. "Martina zu verlieren, wäre ein Riesenfehler", erklärte er etwa.

Nach dem wochenlangen Schweigen zu ihrer Zukunft folgte dann ein Statement, das in Ton und Inhalt irritierte. "Wir haben bereits direkt nach der Fifa-Frauen-WM mit dem für uns negativen Ergebnis sehr selbstkritische Analysen der WM mit der Sportlichen Leitung durchgeführt", erklärte Voss-Tecklenburg. "Dabei sind wir zu der festen Überzeugung gekommen, dass wir gemeinschaftlich einen Weg finden, wieder erfolgreich zusammen zu arbeiten." Warum dieses Ergebnis von beiden Seiten nicht klar kommuniziert wurde, wissen wohl nur die Beteiligten.

Nach der verkorksten WM komplette Rückendeckung erwartet

Besonders fällt aber die Selbstverständlichkeit auf, mit der die Bundestrainerin an ihrem Posten festhielt. "Wir haben dem DFB signalisiert, dass wir zu einer weiteren Analyse und Aufarbeitung der WM und vertrauensvollen Gesprächen über die weitere Art und Weise der Zusammenarbeit im Team bereit sind. Diesbezüglich sind wir in einem vertrauensvollen Austausch mit dem DFB und erwarten kurzfristig einen Termin, nach dem auch der Geschäftsführer Andreas Rettig aus den USA zurückgekehrt ist", schrieb sie.

Nach langem Schweigen kurzfristig einen Termin zu fordern, und das auch noch per öffentlichem Druck, gehört nicht zum guten Stil. Vielleicht fühlte sich Voss-Tecklenburg in die Enge gedrängt. Informationen von t-online zufolge fühlte sich die Bundestrainerin nach dem WM-Aus von ihren Spielerinnen verraten. Tatsächlich war die Diskrepanz zwischen den Jobgarantien des DFB und der Zurückhaltung der Spielerinnen in den Tagen nach der WM offensichtlich.

Aber nach dem schlechten WM-Abschneiden war klar, dass sich die Bundestrainerin den kritischen Fragen ihrer Spielerinnen stellen muss. Dass sie trotz des historischen Debakels komplette Rückendeckung von allen Beteiligten erwartete, spricht nicht für die Selbstkritik, die sie im Statement betont hatte.

Unwürdiges Ende - Schaden auch für die Spielerinnen

So geht das Kapitel Martina Voss-Tecklenburg beim DFB unwürdig zu Ende. Unabhängig davon, ob die Trainerin nach der WM aus sportlicher Sicht hätte gefeuert müssen, war die Posse der letzten Wochen für beide Seiten maximal unangenehm. Der Stil und die Kommunikation von Voss-Tecklenburg, die lange am Job klammerte, um womöglich noch eine hohe Ablöse herauszuschlagen, hinterlässt einen faden Beigeschmack.

Am Ende schadet die Posse vor allem Voss-Tecklenburg, die sich mit der EM ein hervorragendes Standing erarbeitet hatte - und das, obwohl über weite Strecken ihrer Amtszeit Kritik an ihr geäußert wurde. Die WM 2019 war alles andere erfolgreich, viele Vorbereitungsspiele ebenso. Trotzdem hatte MVT das Vertrauen des DFB und viele Sympathien gewonnen - und die jetzt leichtsinnig verspielt. Für ihr nächstes Bewerbungsschreiben kein guter Start.

Aber auch der Verband wird aus der wochenlangen Posse einige Lehren ziehen müssen. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, daran hätte der DFB sich schon früher halten können - statt wenig souverän herumzueiern. Am Ende hat die lange Unsicherheit wohl am meisten den Spielerinnen geschadet.


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