DFB-Verbleib (zu) schnell bestätigt: Ein Kommentar zu Martina Voss-Tecklenburg

Martina Voss-Tecklenburg
Martina Voss-Tecklenburg / Visionhaus/GettyImages
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Von ran.de-Autor Justin Kraft


Nach dem Vorrunden-Aus der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Australien und Neuseeland wurde schnell bekannt gegeben, dass Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg in ihrem Amt bleiben wird. Dabei hätte es zumindest eine offene Debatte um ihre Zukunft geben müssen. Ein Kommentar.

Martina Voss-Tecklenburg macht weiter. Das gab die Bundestrainerin gemeinsam mit dem DFB bekannt.

Ein "Weiter so" werde es nicht geben, versprach sie. Doch das zu glauben, fällt schwer. Im Gegenteil erinnert vieles derzeit an die Situation, die die Nationalmannschaft der Männer im Jahr 2018 durchlebte.

Damals kündigte Joachim Löw weitreichende Maßnahmen an. Auch da sollte es kein "Weiter so" geben. Doch die Leistungskurve ging steil nach unten, die Probleme blieben.

Ähnlich wie einst Löw muss Voss-Tecklenburg gerade einen Generationenwechsel bewältigen. Weg von Spielerinnen, die das Nationalteam über Jahre geprägt haben und hin zu jungen Talenten, die auf dem höchsten Niveau geformt werden müssen.

Wie schon ihr Vorgänger Horst Hrubesch und dessen Vorgängerin Steffi Jones scheitert sie bisher daran, die richtige Balance im Team zu finden.

Entwicklung der DFB-Frauen nicht zufriedenstellend

Ja, da war diese Europameisterschaft, bei der das Team alle verzaubern konnte. Doch fußballerisch ist die Entwicklung, klammert man dieses Turnier mal aus, rückläufig. Und selbst in England zeigte die DFB-Elf in Ansätzen jene Schwächen, die ihr nun auf die Füße fielen.

Deutschland hat herausragende Fußballerinnen. Doch Deutschland hat, so muss man es mittlerweile feststellen, keine überzeugende Spielidee. Kritik gab es dazu auch aus dem Kreis der Spielerinnen – wenn auch sehr vorsichtig. Lena Lattwein beispielsweise merkte an, dass die Abstände im Mittelfeld nicht passten, das Positionsspiel nicht gut genug sei. Das ist nicht neu. Schon vor der EM und zwischen den beiden Turnieren kam das Team dahingehend nie in einen Rhythmus.

Es ist Kritik, die unweigerlich auf das Trainerteam zurückzuführen ist. Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter der Nationalmannschaft, erklärte nach dem Ausscheiden, dass die Leistungsspitze in Deutschland nicht breit genug sei. Doch das greift viel zu kurz. Gerade in Mittelfeld und Angriff gibt es kaum einen Kader auf der Welt, der so viele Spielerinnen auf Top-Niveau hat. Dafür muss man seinen Blick aber weiten.

Auffällig: Voss-Tecklenburg setzt bevorzugt auf Wolfsburgerinnen

Voss-Tecklenburg stritt zuletzt ab, zu viel auf Wolfsburg-Spielerinnen zu setzen. Gegen Südkorea standen acht VfL-Profis in der Startelf. Mit Chantal Hagel, die im Vergleich zur Frankfurterin Sophia Kleinherne eher im Mittelfeld zu Hause ist, wurde die verletzte Felicitas Rauch durch eine Klubkollegin ersetzt.

Die besondere Verbindung nach Wolfsburg ist in den letzten Tagen medial kritisch beäugt worden.  In der Vergangenheit gab es schon häufiger Entscheidungen gegen formstarke Spielerinnen und für formschwache Wolfsburgerinnen.

Nicole Anyomi, Laura Freigang oder eben Kleinherne – allein bei Eintracht Frankfurt gibt es zahlreiche Spielerinnen, die in den vergangenen Monaten trotz starker Verfassung keine echte Chance bekamen. Ganz zu schweigen vom SC Freiburg oder der SGS Essen, die viele Talente hervorbringen. Ähnlich ist es Carolin Simon vom FC Bayern München bis vor Kurzem ergangen.

Mit Maximiliane Rall hat sie eine Teamkollegin, die zu Hause bleiben musste, obwohl ihr flexibles Profil auf der Außenbahn dringend gebraucht worden wäre. Voss-Tecklenburg setzt lieber auf vermeintlich Bewährtes, als Neuem eine Chance zu geben. Damit macht sie sich das Leben nicht nur selbst schwer, sondern sich auch angreifbar.

Vor der EM hat die Bundestrainerin eindrucksvoll bewiesen, dass sie reflektiert ist und dass sie in der Lage ist, ihre Arbeitsprozesse zu verändern. Aus Kreisen der Spielerinnen war damals zu hören, dass Voss-Tecklenburg entspannter, gelassener und vertrauensvoller im Umgang mit ihnen gewesen sei. Nicht mehr so verbissen. Das war Teil des Erfolgsrezepts.

Doch kann sie das auch im taktischen Bereich umsetzen? Nach dem frühen Ausscheiden bei der WM muss man das infrage stellen. Deutschland ist wieder da, wo man vor der Euro 2022 war: Abgehangen und weit weg von dem, was die Topfavoriten bei der WM zeigen. Zwischen den DFB-Frauen 2018 und jenen von heute gibt es keine großen Unterschiede. Die Entwicklung fehlt.

Statt wenige Stunden nach dem bitteren Aus das Fortführen der Zusammenarbeit zu verkünden, hätte man erstmal mit Abstand in die Analyse gehen sollen. Die Option einer weitreichenden Veränderung im Trainerteam hat nichts mit Weglaufen zu tun. Viel mehr hätte es Größe gezeigt, das stärker zur Diskussion zu stellen. Wenn auch erstmal ergebnisoffen und mit allem Respekt vor Voss-Tecklenburgs Verdiensten.


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