Bundesliga-Pressesprecher im 90min-Gespräch: Gladbachs Markus Aretz über die Medien und Anonymität im Netz

Gladbachs Pressesprecher Markus Aretz bei der Arbeit
Gladbachs Pressesprecher Markus Aretz bei der Arbeit / Quelle: Markus Aretz/Borussia Mönchengladbach
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Die Arbeit eines Pressesprechers ist vielseitiger, als man annehmen könnte. Auch die Profi-Klubs der Bundesliga profitieren von charismatischen und umtriebigen Gesichtern, die ihren Verein nach außen tragen. In einer kleinen Reihe widmet sich 90min den Personen, die ansonsten eher selten ein eigenständiges Sprachrohr bekommen.

Heute äußert sich Markus Aretz von der Borussia über starke Amateure und den "Schutzschild" Internet.


Der gebürtige Mönchengladbacher Markus Aretz verkörpert bereits seit 1999 die Außendarstellung der Borussia. Dabei gereicht es nicht, ihn als den dienstältesten Pressesprecher der Bundesliga zu bezeichnen, war und ist er doch wesentlich vielfältiger aufgestellt.

Schon lange vor seiner journalistischen Ausbildung war er bereits glühender Fan der Fohlen, danach arbeitete er als Redakteur bei der RP und trotz seiner vielfältigen Aufgabenbereiche bei der Borussia wirkte und wirkt er auch noch als Buch-Autor. Aktuell leitet und begleitet er als Direktor Medien, Kommunikation und Marketing so ziemlich jeden Gladbacher Gang an die Öffentlichkeit.

Dank seiner langjährigen Erfahrung hat Markus Aretz dabei den digitalen Wandel hautnah miterleben können und damit professionell umgehen müssen.

"Das Tempo ist enorm" - keine Pauschalisierung bei der Zusammenarbeit mit den Medien

Vergleicht man die heutige digitale Schnelllebigkeit mit der relativen Ruhe des Jahrtausend-Wechsels, dann fühlt man sich fast an den eigenen Geschichtsunterricht erinnert.

"Die Sozialen Medien und das Internet sind ein riesiges Thema geworden. In meiner Anfangszeit gab es zwar schon eine Homepage des Vereins, diese wurde jedoch nur einmal täglich aktualisiert. Heute geht es in der medialen Berichterstattung um Minuten - oft wird erst danach recherchiert. Jeder will so schnell wie möglich eine Meldung veröffentlichen, das Tempo ist enorm", beschreibt auch Markus Aretz zwei scheinbar völlig unterschiedliche Welten.

Dabei benennt der Gladbacher Kommunikator die Problematiken dieses Tempo-Wahns und -zwangs. Obwohl er dabei einen Unterschied zwischen etablierten Medien-Anstalten und kleineren, digitalen Plattformen ausmacht, sieht er von einer Pauschalisierung ab.

"Medienhäuser, mit denen wir über die Jahre ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben, fragen zumeist nach, bevor sie etwas schreiben. Viele Online-Portale, die sich in den letzten Jahren vermehrt gründeten, greifen hingegen fast alles ungeprüft auf und verteilen es dann im Netz. Allerdings wollen alle Medien eine größtmögliche Reichweite - auch die etablierten", leitet Markus Aretz seine sehr differenzierte Sicht der Dinge ein.

Markus Aretz auf einer CL-PK
Markus Aretz auf einer CL-PK / Quelle: Markus Aretz/Borussia Mönchengladbach

Denn trotz des Renommees und der damit verbundenen Reichweite der Borussia, zeigt man in Mönchengladbach keinerlei Berührungsängste mit kleineren Portalen oder Amateur-Journalisten. Wichtig sei dabei in erster Linie, welchen Eindruck das jeweilige Medium erweckt oder hinterlässt.

"Clickbait-Schlagzeilen oder reißerische Überschriften findet man überall. Zudem ist es immer personenabhängig. Auch bei den weniger bekannten Portalen gibt es Journalisten, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind, obwohl sie zum Teil keine langjährige Erfahrung oder Ausbildung genossen haben. Oft staunt man, wie gut diese vorbereitet sind", gibt Markus Aretz einen kleinen Hinweis in Richtung der zukünftig anfragenden Medien-Vertreter.

Eine weitere Problematik des digitalen Wandels bedarf nach Ansicht des Gladbacher Mediendirektors jedoch weniger einer differenzierten Betrachtung, denn einer dringend notwendigen Regulierung.

"Kommentar-Erlaubnis" ist utopisch - Aretz wünscht sich dennoch verstärkte Nachverfolgung

Während der abgelaufenen Saison verkündete die Borussia den mittlerweile vollzogenen Wechsel des damaligen Trainers Marco Rose zum BVB. Neben den üblichen Beleidigungen und Unmutsäußerungen tauchte im Netz sehr schnell eine Sprachnachricht auf, die von Streitigkeiten zwischen Rose und seinen "Jungs" fabulierte.

Diese Nachricht machte rasend schnell die Runde und dürfte an kaum einem Anhänger der Fohlen vorübergegangen sein. Gladbachs Sportdirektor Max Eberl fand für den Verfasser dieser ursprünglichen "News" einen treffenden Begriff, den er zuletzt noch einmal unterstrich.

"Mittlerweile handelt es sich auch oft um Einzelmeinungen, denen eine völlig überhöhte Bedeutung beigemessen wird und die dann ungeprüft von den Medien übernommen werden", erläutert Markus Aretz auch die Gründe dieser modernen Unkompliziertheit, ohne großen Aufwand eine enorme Reichweite erzeugen zu können.

Markus Aretz sieht die Anonymität im Netz als großes Problem
Markus Aretz sieht die Anonymität im Netz als großes Problem / Quelle: Markus Aretz/Borussia Mönchengladbach

Während jedoch diese Facette der sozialen Digitalisierung nur sehr schwerlich in den Griff zu bekommen ist, muss in einem anderen Bereich dringend ein konsequentes Umdenken angestrebt werden.

"Die Anonymität im Netz ist ein Schutzschild für viele Kritiker. Ich würde mir wünschen, demjenigen gegenübertreten zu können, der Spieler oder Verantwortliche beleidigt oder rassistisch attackiert, anstatt nur dessen Pseudonym zu sehen. Die meisten Menschen würden mehr auf ihre Wortwahl achten, wenn sie sich nicht verstecken können. Eine juristische Nachverfolgung muss möglich sein, denn eine Art 'Kommentar-Erlaubnis' einzuführen, ist utopisch", spricht Markus Aretz das aus, was wohl einer überwältigenden Mehrzahl der User auf der Seele liegt.

Denn wo man auf der einen Seite sicherlich über die Schwierigkeiten einer automatisierten Zensur oder einer zu großen Transparenz der Nutzer diskutieren kann und muss, darf es in den von Markus Aretz genannten Beispielen keine zwei Meinungen geben.