1. FC Köln: Die Lehren aus dem "Fall Wirtz"

Der Transfer von Florian Wirtz sorgte für einen Aufschrei
Der Transfer von Florian Wirtz sorgte für einen Aufschrei / Matthias Kern/Getty Images
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Florian Wirtz steht sinnbildlich für eine Fehlentwicklung in der Bundesliga. Vor einigen Monaten wechselte der Jugendspieler des 1. FC Köln im Alter von 16 Jahren zum Liga-Konkurrenten Bayer Leverkusen. Obwohl die sportlichen Ambitionen des Spielers und die auf 200.000 Euro taxierte Ablösesumme für Bayer Leverkusen wirtschaftlich nachvollziehbar sind, entlarvte dieser Transfer eine Kernproblematik der Liga - kurzfristige finanzielle Interessen des Einzelnen sind mehr wert als nachhaltige Prinzipien.

Rechtlich gesehen, ist der Wechsel des Mega-Talentes nicht zu beanstanden. Allerdings einigten sich die regional eng beisammen liegenden Vereine in Nordrhein-Westfalen schon lange vorher eigentlich darauf, das Abwerben von Jugendspielern zu unterlassen. Ein Schalke-Talent soll auf Schalke zum Bundesligaspieler reifen, ein Gladbacher Fohlen soll nicht beim 1. FC Köln sein Debüt in der höchsten deutschen Spielklasse feiern.

Eigentlich eine sinnvolle Überlegung in vielerlei Hinsicht - die Spieler werden nicht schon in jungen Jahren mit Unsummen in Versuchung gebracht, ihr noch nicht einmal voll ausgebildetes Talent anderweitig zur Verfügung zu stellen und können sich so auf ihre sportliche Entwicklung konzentrieren.

Zudem erhalten die auf nachhaltige Entwicklung von Eigengewächsen angelegten Vereine einen sportlichen Mehrwert über mehrere Jahre und können dann ihre "fertigen" Spieler für teures Geld an die zahlungskräftigere Konkurrenz abgeben - ein Modell, das wirtschaftlich absolut Sinn ergibt und für eine ausgeglichenere und damit sportlich interessantere Situation bei den Vereinen in NRW und damit in der Bundesliga sorgen kann. Wie gesagt - eigentlich.

Leverkusen torpediert die Vereinbarung

Leverkusens Geschäftsführer Sport äußerte sich damals klar zu dem Abwerben des Kölner Talentes. "Wirtz nicht zu holen, wäre fahrlässig gewesen", so Rudi Völler gegenüber dem kicker. Soll heißen, dass das Agreement in Bezug auf die Nachwuchsspieler bei solch einem Ausnahmespieler aus Leverkusener Sicht nicht greift. Dabei wurde die Vereinbarung für genau DIESEN Fall geschlossen, denn ein mittelmäßiges Talent wirft auch nach seiner Ausbildung keine exorbitanten Beträge ab.

Haste was, biste was. Rudi Völler denkt wirtschaftlich
Haste was, biste was. Rudi Völler denkt wirtschaftlich / Pool/Getty Images

Zähneknirschend nahmen die Kölner und auch die anderen Vereine aus NRW den Transfer zur Kenntnis, betonten jedoch, dass sie in rechtlicher Hinsicht keine Handhabe hätten - die Vereinbarung basierte auf Vertrauen, rationalem Denken und auf dem Ziel, in Zukunft für mehr Solidarität zu sorgen. Sinnbildlich für das Gebaren vieler Klubs im deutschen Profi-Fussball torpedierte Leverkusen diese Ideen und zeigte auf, wie groß man das Wort "Solidarität" schreibt, wenn eigene finanzielle Interessen im Vordergrund stehen.

Köln zieht Konsequenzen aus dem "Fall Wirtz"

"Wir hätten Florian Wirtz gerne hier zum Bundesliga-Spieler gemacht und nicht in Leverkusen", sagte Kölns Geschäftsführer Alexander Wehrle kürzlich gegenüber dem GEISSBLOG.KOELN. "In diesem Fall ging es um andere Faktoren, weshalb wir unsere internen Prozesse angepasst haben", spricht er die Konsequenzen aus dem Transfer an. Denn Köln setzt schon länger darauf, den Spielern mehr als nur eine Ausbildung auf dem Platz zu geben.


"Wie nachweislich ist die Durchlässigkeit zu den Profis? Meinen es die Verantwortlichen ernst? Da können wir jetzt etwas nachweisen. Darüber hinaus sind wir in der Verantwortung, einem Jugendspieler während seiner fußballerischen Entwicklung auch eine solide schulische Bildung zu ermöglichen", beschreibt Wehrle den Ansatz seines Klubs. Und er kann in der Tat etwas nachweisen, spielten doch mit Jakobs, Thielmann und Katterbach drei Männer aus der eigenen Jugend eine größere Rolle in der abgelaufenen Saison.

Alexander Wehrle baut auf die Jugend
Alexander Wehrle baut auf die Jugend / TF-Images/Getty Images

"Bei dem einen oder anderen Sonderfall werden wir dennoch unter Umständen mehr Geld in die Hand nehmen müssen als in der Vergangenheit", fügt Wehrle jedoch auf den Wirtz-Transfer bezogen hinzu. Konkret hat der FC nun auch seine Kommunikation mit den Talenten und deren Gefolgschaften angepasst.

"Die Abstimmung zwischen Lizenzspieler- und Nachwuchsabteilung, die Gesprächsfolgen mit Spielern, Eltern und Beratern. Wer tauscht sich wann und wie oft mit wem über welche Ebenen hinweg aus? Das wurde intern verändert. Das waren die Erfahrungswerte aus diesem unerfreulichen Ereignis", benennt Wehrle die Maßnahmen.

Doch der wirtschaftliche Aspekt werde in Zukunft die größte Rolle spielen, Vereinbarungen hin oder her. Um einen zweiten "Fall Wirtz" zu verhindern, muss Köln in Zukunft bei seinen Talenten mehr Geld in die Hand nehmen und tut dies auch. Man habe schon mit einigen Jugendspielern "früher langfristig verlängert und es werden weitere Verlängerungen folgen", kündigt Wehrle an.

Geißbockheim soll ausgebaut werden - mehrere Hürden zu überwinden

Zudem sei man dabei, das Ausbildungszentrum im "Geißbockheim" zu modernisieren, doch neben den wirtschaftlichen Engpässen aufgrund der Corona-Pandemie gibt es weitere Stolpersteine. Denn der Ausbau des unter Denkmalschutz stehenden Geländes würde auch drei Kunstrasenplätze auf dem Grünstreifen "Gleueler Wiese" bedeuten, dies soll von Naturschützern verhindert werden wollen.

Doch Wehrle bestätigt, dass man an einer Lösung arbeitet: "Die Planungen laufen, sind durch Corona aber nicht einfacher, sondern viel komplizierter geworden. Dennoch haben wir unterschiedliche Lösungsansätze, die wir schon länger diskutieren." Einer etwaigen Klagewelle sieht er aktuell entspannt entgegen.

"Das Geißbockheim ist ein Gewölbe unter Denkmalschutz, in dem sich die Jungs unter schwierigen Bedingungen aufhalten müssen. Gerade in Corona-Zeiten ist die räumliche Enge eine große Herausforderung. Deswegen wollen wir möglichst früh in die Bauphase eintreten", begründet er die notwendige Modernisierung und bereitet sich auf einen Rechtsstreit vor.

"Wenn es dann zu Klagen kommt, müssen wir abwarten, ob es zu einer einstweiligen Verfügung kommt oder nicht", viel Arbeit wartet also auf Wehrle, der die richtigen Schlüsse aus den Geschehnissen der jüngeren Vergangenheit gezogen zu haben scheint.