Kommentar zum Lunow-Rückzug: Der BVB ist jetzt Watzke-Land

Der sich anbahnende Machtkampf beim BVB wurde mit dem Rückzug von Dr. Reinhold Lunow im Keim erstickt. Das Verfahren lässt tief blicken und offenbart das Monopol, auf das Hans-Joachim Watzke bei der Borussia mittlerweile Anspruch erhebt.
Hans-Joachim Watzke wird neuer BVB-Präsident
Hans-Joachim Watzke wird neuer BVB-Präsident / Ralf Ibing - firo sportphoto/GettyImages
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Borussia Dortmund hat einen neuen Präsidenten. Am Freitag teilte der amtierende Amtsinhaber Dr. Reinhold Lunow mit, dass er seine Bewerbung zurückzieht und somit Platz für Hans-Joachim Watzke macht, der im November als einziger Kandidat zur Wahl antreten wird.

Als Lunow im November 2022 das Präsidentschaftsamt beim BVB antrat, galt es bereits als offenes Geheimnis, dass er den Thron nur wärmen würde, bis Hans-Joachim Watzke als Geschäftsführer ausscheiden und sich für das Amt an der absoluten Spitze bewerben würde. Dieser Fall ist nun zwar eingetreten, doch in der Zwischenzeit hat sich einiges getan.

Lunow vs. Watzke hat sich beim BVB zum Kulturkampf entwickelt

Zum einen überraschte Lunow, der als starker Vertreter der Interessen der Vereinsmitglieder viele Sympathien gewinnen konnte und somit schnell die Zuschreibung als reiner Platzhalter ablegen konnte. Als dann ausgerechnet sein designierter Nachfolger damit anfing, die von den Mitgliedern vorgelebten Werte zu biegen und zu verrücken, wurde aus Lunow eine echte Antithese beim BVB - ein Gegengewicht zum ohnehin schon unfassbar mächtigen Watzke.

In Watzke und Lunow manifestierten sich zunehmend zwei Philosophien. Auf der einen Seite der gewinnorientierte Betriebswirt Watzke, der den BVB als Unternehmen vorantreiben möchte. Auf der anderen Seite Lunow, der die Vereinswerte und Interessen der Mitglieder noch über dem wirtschaftlichen Erfolg des BVB priorisiert.

Natürlich sind beide Positionen überspitzt formuliert; auch Watzke liegt etwas an der Vereinskultur, am sportlichen Erfolg, an der Partizipation der Mitglieder. Und doch zeigte sich in einigen Fällen - etwa der Verpflichtung des queerfeindlichen Felix Nmecha, dem Abschluss eines Sponsoring-Vertrages mit Waffenhersteller Rheinmetall oder den Bestrebungen, die Bundesliga für Investoren zu öffnen - dass Watzke und Lunow völlig unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was gut für den BVB ist.

Eben aufgrund dieser Differenzen kündigte Lunow zur Überraschung aller (einschließlich Watzke) in diesem Jahr an, ein weiteres mal für das Amt des Präsidenten zu kandidieren und sich damit Watzke in den Weg zu stellen. Im Zuge dessen kommunizierte Lunow deutlich, dass er den von Watzke eingeschlagenen Weg für außerordentlich fragwürdig hält und daher im Interesse der Mitglieder erneut kandidiert, um die Werte des Vereins zu erhalten.

Lunow räumt das Feld: Konsens oder Kompromiss?

Intern und extern erwartete man sich beim BVB eine Schlammschlacht um die Präsidentschaftswahl im November. Umso überraschender kam Lunows Rücktritt zwei Monate vor der Wahl. Der 72-Jährige begründete seine Entscheidung in einem offiziellen Statement damit, dass er Watzke das Versprechen abgenommen habe, seine Schwerpunkte zur Weiterentwicklung des BVB im Interesse der Mitglieder umzusetzen.

Dies seien "die aktive Mitgliederbeteiligung, die Berücksichtigung von Faninteressen sowie die strikte Beachtung des BVB‑Grundwertekodex." All diese Punkte liegen nun in den Händen von Watzke, der im November zum Präsidenten gewählt wird und somit endgültig zum mächtigsten Organ des BVB aufsteigt.

Angesichts der Differenzen, die Watzke und Lunow hatten, ist es allerdings schwer vorstellbar, dass die beiden Wettstreiter tatsächlich einen Konsens über die inhaltlichen Punkte zur Weiterentwicklung des Vereins im Interesse der Mitglieder finden konnten. Gemessen an Lunows klaren Positionen würde das nämlich bedeuten, dass die Partnerschaft mit Rheinmetall alsbald beendet wird und der Kommerzialisierung des Vereins in weiten Teilen Einhalt geboten wird.

Bei aller Liebe, die Watzke für den BVB auch hat: das ist mit dem 66-jährigen Westfalen schlichtweg nicht zu machen. Nein, einen Konsens werden Lunow und Watzke in den Gesprächen sicher nicht erreicht haben. Einen Kompromiss, womöglich - aber ganz bestimmt zu den Bedingungen von Watzke.

Watzke-Monopol beim BVB

Ob Watzke die Wünsche von Lunow berücksichtigen wird, muss sich noch zeigen. So umstritten er auch ist: Der BVB hat Hans-Joachim Watzke viel zu verdanken und wird in ihm einen fähigen, vereinsnahen und leidenschaftlichen Präsidenten bekommen.

Und doch hat dieses Kapitel einen faden Beigeschmack. Dass Lunow kampflos das Feld räumt, zeigt nämlich vor allem eines: der BVB ist nun, wenn er es nicht schon lange war, endgültig Watzke-Land. Und innerhalb seiner Grenzen regiert nur einer und einer allein.

Welchen Kurs auch immer er einschlagen möchte und wird: Hans-Joachim Watzke hat Thron, Zepter und Krone der Borussia überreicht bekommen. Dass ein solches Monopol immer Schwierigkeiten nach sich zieht, zeigt die Geschichte, zeigen die Erfahrungen an anderen Standorten. Da muss der BVB nur einmal an der Säbener Straße nachfragen.


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