Kim nagt am Stammplatz von Tah: Welcher Bayern-Verteidiger ist wirklich besser?
Von Dominik Hager

Obwohl Vincent Kompany im Spiel gegen die TSG Hoffenheim fleißig rotiert hat, sind die meisten Positionen in der Bayern-Startelf klar vergeben. Lediglich im zentralen Mittelfeld ist nicht auszumachen, ob Leon Goretzka oder Aleksandar Pavlovic in der Hierarchie weiter oben steht.
Langsam, aber sicher deutet sich allerdings noch ein weiterer Zweikampf um einen Stammplatz an. Zwar war Jonathan Tah eigentlich schon mit dem Tag seiner Bayern-Ankunft gesetzt, jedoch präsentiert sich Kim min-jae aktuell in Topform. Nachdem inzwischen feststeht, dass sich der Südkoreaner am vergangenen Samstag nicht schwerer verletzt hat, ist dieser mehr als nur ein ernsthafter Herausforderer.
Wir sehen uns Argumente dafür an, warum Kim in die Startelf rücken sollte, werfen aber auch ein Blick auf die Punkte, die weiterhin für Tah sprechen.
Kim ist in Topform individuell der bessere Verteidiger
In Neapel erhielt Kim min-jae nicht ohne Grund den Spitznamen Abwehr-Monster. Beim FC Bayern sah man dann aber in weniger guten Phasen eher ein Monsterchen, das vor allem zu einigen Fehlern neigte. Dabei darf man aber nicht vergessen, das sich der Südkoreaner in der letzten Saison mit Achillessehnenproblemen herumplagte und seine Performance auch deswegen nicht abrufen konnte. Auch in der Saison davor sorgte das Ableisten des Militärdienstes im Sommer und der Asien-Cup im Winter dafür, dass Kim nie wirkliche Ruhepausen hatte.
In der laufenden Saison wirkt der Abwehr-Star nun endlich erholt und fit – sowohl im körperlichen als auch im mentalen Bereich. Befindet sich Kim in dieser Verfassung, können ihm nur wenige Innenverteidiger das Wasser reichen. Jonathan Tah gehört zu diesen wenigen nicht, weil er insbesondere gegen schnelle Gegenspieler häufig zu behäbig wirkt und dann nur noch die Rücklichter sieht.
Kim hingegen ist gerade in Eins-gegen-Eins-Duellen deutlich zweikampfstärker und kann seine überlegene Athletik einsetzen. Auf diese Weise gelingt es ihm auch in den meisten Fällen, schnelle Gegenspieler einzuholen und fast schon spielerisch abzulaufen, wenn diese mit dem Ball an Fuß in Richtung Tor stürmen. Diese Qualität hat Tah nicht, weshalb Kim gerade in der klassischen Abwehrarbeit einfach der individuell bessere Verteidiger ist.
Tah fungiert als Ruhepol und Leader-Figur
Wie bereits erwähnt, ist Kim individuell betrachtet der bessere Verteidiger. Allerdings muss man in einem Mannschaftssport natürlich auch das Kollektiv im Auge haben. Diesbezüglich hat Tah gewisse Vorteile. Der 29-Jährige war schon in Leverkusen Abwehr-Leader und versteht es, Kommandos zu geben. In diese Rolle konnte er auch im Bayern-Trikot auf Anhieb schlüpfen. Hiervon profitiert vor allem Dayot Upamecano, der zwar auch individuell ein hervorragender Verteidiger, aber ähnlich wie Kim kein großer Lautsprecher ist.
Tah ist eine Führungsfigur und ein Ruhepol, was für die stürmische Bayern-Mannschaft ein Gewinn sein kann. Der Ex-Leverkusener weiß, wie man eine Abwehr ordnet und positioniert sich auch selbst in der Regel sehr geschickt. Außerdem neigt er nicht dazu, in Stress zu verfallen, wenn er mal einen Fehler gemacht hat. Diesbezüglich können sowohl Upamecano als auch Kim noch einiges von ihm lernen.
Kim passt besser ins System von Kompany
In der Bayern-Abwehr ist insbesondere eine Fähigkeit ganz besonders gefragt: Gemeint ist natürlich der Faktor Geschwindigkeit. Die Münchner spielen wohl europaweit mit der am höchsten positionierten Abwehr. Kim spielt das grundsätzlich in die Karten, weil er mit seiner Geschwindigkeit einen größeren Raum in seinem Rücken verteidigen kann. Gleichzeitig versteht er es aber auch, aggressiv nach vorne zu verteidigen, wenn es die Situation erfordert. Ab und an stimmt das Timing beim Südkoreaner nicht zu 100 Prozent, aber grundsätzlich verkörpert er die Attribute, die im Kompany-Fußball gefragt sind.
Bei Tah ist das in dem Maße nicht gegeben. Schon in Leverkusen offenbarte Tah genau dann Schwächen, wenn der Gegner mit schnellen Stürmern konterte. Zwar ist seine Endgeschwindigkeit nicht schlecht, jedoch dauert es meist genau die paar Zehntel zu lange, bis Tah sich gedreht und beschleunigt hat. Für die meisten Klubs wäre die Pace von Tah völlig ausreichend, beim FC Bayern stößt er jedoch auf gewisse Grenzen. Dies kann vor allem in Duellen mit echten Hochkarätern ins Auge gehen.
Tah hat Vorteile im Spielaufbau
Im Spiel mit dem Ball am Fuß hat Jonathan Tah gewisse Vorteile. Zwar konnten beide in der Vorsaison sehr ähnliche Passquoten erzielen (93 Prozent in der Bundesliga), dennoch tut sich Tah im Spielaufbau leichter. Kim spielt häufig Querpässe auf Upamecano, wohingegen Tah immer wieder den Vertikalpass nach vorne probiert. Was lange Zuspiele betrifft, nehmen sich beide nicht sonderlich viel, was auch die Statistik beweist.
Der Ex-Leverkusener hat allerdings seine Vorteile in Sachen Technik und Ballführung. Bei Kim kann es schon mal passieren, dass ihm ein Ball verspringt oder eine Annahme zur kleinen Stolperfalle wird. Bei Tah ist derartiges hingegen kaum mal zu sehen. Gegen Teams, die hart ins Gegenpressing gehen, könnte dieser folgerichtig die sicherere Lösung sein.
Fazit:
Unter dem Strich ist es enorm schwer auszumachen, ob der FC Bayern mit Tah oder Kim besser dran ist. Beide sind unterschiedliche Spielertypen mit großen Stärken, aber auch dem ein oder anderen Defizit. Letztlich besteht bei beiden Verteidigern die Gefahr, dass sie in Top-Spielen zum Unsicherheitsfaktor werden. Bei Tah liegt das an der fehlenden Schnelligkeit und Beweglichkeit, bei Kim an seinen gelegentlichen Patzern. Hierbei ist aber zu hoffen, dass er diese in einem körperlich und mentalen Top-Zustand minimieren kann.
Welcher der beiden Abwehrspieler letztlich den Vorzug bekommen sollten, hängt auch ein wenig vom Gegner ab. Hat das gegnerische Team viele sprintstarke Offensivspieler im Kader, die gerne ins Dribbling und in die Tiefe gehen, ist Kim der bessere Mann. Kommt der Gegner eher über Flanken und lange Bälle, ist Tah die bessere Option. Unter dem Strich ist Tah wohl eher die Sicherheits- und Kim eher die Risiko-Wahl. Möchte man in der Königsklasse wirklich den ganz großen Coup landen, ist ein wenig Risiko aber womöglich unerlässlich.
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