Ist der VfB Stuttgart ernsthafter Bayern-Jäger? Ein Pro & Kontra
Von Dominik Hager

Es ist noch nichtmal eineinhalb Jahre her, als der VfB Stuttgart als Überraschungs-Team Vizemeister wurde und dabei sogar den FC Bayern hinter sich ließ. Nach einer durchwachsenen Bundesliga-Saison 2024/25 schickt sich der Pokalsieger an, auch in der Liga wieder eine größere Rolle zu spielen. Das Team von Sebastian Hoeneß hat die letzten vier Partien allesamt gewonnen und rangiert in der Bundesliga auf dem dritten Platz.
Doch hat der VfB auch wirklich das Potenzial, hinblicklich der gesamten Saison zum Bayern-Jäger zu werden? 90min stellt verschiedene Argumente gegenüber.
Kontra: Der VfB hatte bislang fast nur leichte Gegner
So stark die jüngste Serie auch sein mag, sei zu bedenken, dass die Stuttgarter noch keinen Kracher-Gegner in der Bundesliga hatten. Die bisherigen Gegner lauten Union Berlin, Gladbach, Freiburg, St. Pauli, Köln, Heidenheim und Wolfsburg. Mit Köln und Union befinden sich lediglich zwei der bisherigen Gegnern in der ersten Tabellenhälfte. Die Bilanz von fünf Siegen und zwei Niederlagen mag gut sein, ist aber nicht außergewöhnlich.
In der Hinrunde geht es noch unter anderem gegen Bayern, Dortmund, Leverkusen, Leipzig und Frankfurt - also eigentlich gegen alle Top-Teams der Liga. Erst in diesen Matches wird sich zeigen, wie weit es der VfB wirklich bringen kann.
Pro: Der VfB ist noch entwicklungsfähig
Der VfB Stuttgart hat eine der jüngsten und talentiertesten Mannschaften der Liga. Tatsächlich ist Ersatzkeeper Fabian Bredlow mit seinen 30 Jahren der älteste Kaderspieler, alle anderen haben die 30er-Marke noch nicht geknackt. Spieler wie Finn Jeltsch (19), Luca Jaquez (22), Chema Andrés (20), Badredine Bouanani (20), Bilal El Khannouss (21) oder Tiago Tomás (23) sind alle jung genug, um in kürzester Zeit enorme Entwicklungsschritte vollziehen zu können.
Viele dieser Spieler sind noch nicht lange an Bord und werden erst in den nächsten Wochen und Monaten von Sebastian Hoeneß profitieren, der ein absoluter Jugendförderer ist und Spieler besser machen kann.
Trotz des geringen Durchschnittalters gibt es aber dennoch auch Führungsspieler wie Maximilian Mittelstädt, Jeff Chabot, Angelo Stiller oder Deniz Undav, die die nötige Erfahrung mitbringen und für eine gesunde Mischung sorgen.
Kontra: Die Demirovic-Verletzung ist schwer zu kompensieren
Für den VfB ist es natürlich bitter, dass sich ausgerechnet auf der am dünnsten besetzten Position ein Spieler verletzt hat. Die Rede ist von Angreifer Ermedin Demirovic, der noch bis Dezember fehlen wird. Die Verletzung trifft den Klub hart, weil er der einzige klassische Angreifer im Team ist. Selbst Deniz Undav funktioniert als hängende Spitze eigentlich besser.
Ohne einen klassischen Mittelstürmer zu spielen, kann gutgehen, jedoch auch sehr negative Konsequenzen haben. Die Schwaben haben schließlich ohnehin schon mit Vollstrecker-Problemen zu kämpfen. Im Europa-League-Match gegen Basel ließ man 31 Schüsse ungenutzt. Zudem ist der VfB der Verein, der in der Bundesliga nach den Bayern am meisten Schüsse abgegeben hat. Die Treffer-Anzahl ist mit elf Buden aber purer Durchschnitt.
Pro: Der VfB kann im Winter noch nachlegen
Der Woltemade-Abgang hat natürlich ein Loch in der Offensive gerissen, jedoch hat der VfB natürlich Ressourcen generiert, die es erlauben, im Winter nochmal nachzulegen. Man darf davon ausgehen, dass noch ein Angreifer kommen wird. Eigentlich sollte das ja noch im Sommer geschehen, jedoch rasselte Hyeon-gyu Oh durch den Medizincheck, worauf der Klub nicht mehr reagieren konnte.
Sollte im Winter im Angriff oder auch auf einer anderen Position Bedarf bestehen, hat der VfB ordentlich Kohle auf der Habenseite. Es steht nach dem Woltemade-Deal ein sattes Transferplus von 63,5 Millionen Euro.
Kontra: Der Qualitätsunterschied zum FC Bayern ist zu groß
Im Endeffekt kann der VfB im Winter einkaufen, wie er will, den Qualitätsunterschied zu den Bayern kann man nicht aufholen. Natürlich gewinnt nicht immer die qualitativ am besten besetzte Mannschaft am Ende auch den Titel, jedoch sind die Voraussetzungen natürlich grundverschieden. Es gibt praktisch keine Position, auf der der FC Bayern qualitativ nicht deutlich besser besetzt ist als Stuttgart. Vermutlich hätten lediglich Maximilian Mittelstädt und Angelo Stiller überhaupt die Aussicht auf regelmäßige Spielzeit.
Die Stuttgarter haben im Endeffekt einfach keinen Kader, der unter normalen Umständen auch nur ansatzweise mit den Bayern mithalten kann. Selbst Dortmund, Leverkusen, Leipzig und wohl auch Frankfurt haben die (noch) besseren Einzelspieler. Man kann fehlende Qualität mit Einsatz, Charakter, Kameradschaft und einer guten taktischen Ausrichtung oft kompensieren, aber nicht im Vergleich zum aktuell fast unbesiegbaren FC Bayern.
Pro: der VfB hat den breiteren Kader
Verglichen mit dem FC Bayern lässt sich dieses Argument fast immer anwenden. Tatsächlich hat Stuttgart aber nicht nur den breiteren Kader, sondern sogar den viel breiteren Kader. Abgesehen von der Mittelstürmer-Position gibt es eigentlich überall fast gleich gute Ersatzspieler, die je nach Form auch mal die Nase vorne haben können.
Alleine die Auswahl in der Innenverteidigung ist riesig. Doch auch im offensiven Mittelfeld hat Hoeneß zahlreiche Optionen. Ein Chris Führich saß zuletzt beispielsweise fast nur auf der Bank. Auch Kapitän Atakan Karazor musste sich jüngst häufiger mal hinten anstellen, weil Youngster Chema Andrés im Mittelfeld-Zentrum aktuell die besseren Leistungen bringt. Ähnlich ist die Lage auch rechts hinten, wo Lorenz Assignon im Konkurrenzkampf mit Josha Vagnoman aktuell gute Karten hat. Derartige Konkurrenzsituationen sind optimal.
Der VfB kann fast jeden Ausfall ohne größeren Qualitätsverlust kompensieren. Lediglich Mittelstädt, Stiller und unglücklicherweise Demirovic stellen hierbei eine Ausnahme dar.
Fazit: Ist der VfB im Meisterrennen?
Letztlich stellt sich die Frage, was die genaue Definition eines Bayern-Jägers besagt. Der VfB Stuttgart hat eine Chance von maximal ein bis zwei Prozent, um den Münchnern wirklich den Titel streitig zu machen. Zudem ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass es dem VfB möglich ist, für Spannung im Kampf um die Schale zu sorgen.
Was den Schwaben aber schon zuzutrauen ist, ist das Mitmischen im Kampf um Platz zwei. Auf Dauer dürften hier Dortmund und wohl auch Leverkusen bessere Chancen haben, jedoch muss sich der VfB nicht verstecken. Läuft alles gut, ist ein Champions-League-Platz, wenn nicht gar Rang zwei möglich - aber eben mit gehörigem Rückstand zum FC Bayern.
Es ist aber auch zu bedenken, dass Stuttgart noch nicht gegen die Top-Teams gespielt hat. Folgerichtig kann es auch schnell wieder in Richtung Mittelfeld gehen. Alles andere als ein einstelliger Platz wäre aber eine Überraschung. Letztlich ist nicht der FC Bayern der Gegner, sondern die Teams, die um die Champions-League- und Europa-League-Plätze spielen. Läuft alles erwartungsgemäß, haben die Bayern dieses Jahr keinen ernsthaften Konkurrenten oder Verfolger.
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