In Germany, we call it "Klassiker" - and I think it's beautiful
Von Oliver Helbig

Am 18. Oktober 2025 ist es wieder so weit: Der FC Bayern München und Borussia Dortmund duellieren sich um die deutsche Fußballkrone. Anders als in den letzten Jahren hat man diesmal im Vorfeld aber endlich wieder das Gefühl, dass es sich bei diesem Aufeinandertreffen tatsächlich um das Beste handelt, was die Bundesliga zu bieten hat. Zu diesem Zeitpunkt des Jahres verdient das Duell zwischen diesen beiden Klubs endlich wieder den Titel "Klassiker". Nicht als Wiederbelebung einer eingestaubten Version, sondern als wahnsinnig spannende Neuauflage.
Der Klassiker war lange kein echtes Topspiel mehr
Blickt man mit einem gewissen Schuss nüchterner Ehrlichkeit auf die Spiele dieser beiden Teams in den letzten Jahren, lässt sich unter dem Strich festhalten, dass irgendwie das ganz große Kribbeln fehlte, wenn es hieß: der Klassiker steht an.
Zu selten hielt der Klassiker, was er versprach, zu wenig von der Klasse, die dieses Duell einst zum Klassiker machte, war noch vorhanden. Beide Teams waren zum einen zu weit auseinander und zu allem Übel sind beide Klubs in den letzten Jahren selbst dem eigenen Anspruch und teils auch der eigenen Identität nachgelaufen.
Weder die Bayern noch der BVB konnten die eigenen Erwartungen und Ansprüche an sich selbst erfüllen – wie hätte also ein Aufeinandertreffen des Rekordmeisters und seines vermeintlich ärgsten Konkurrenten dann einem deutschen Clasico gerecht werden können? Es war einfach nicht der Fall. Stattdessen wurde das Duell der kurzzeitigen Herausforderer Bayer Leverkusen und VfB Stuttgart bereits als "neuer Klassiker” betitelt. Ein Affront gegenüber den eigentlichen Giganten des deutschen Fußballs.
Doch dieses Mal ist es ganz anders: Die Bayern und Dortmund treffen gefestigt wie lange nicht aufeinander, und das Spiel als solches verspricht endlich wieder eine gewisse Brisanz. Seit langer Zeit freut man sich mal wieder auf dieses Duell und ist nicht von einer Berichterstattung genervt, die den Klassiker als mehr verkaufen wollte als er über Jahre war.
Die breite Brust des BVB ist bereit für die Bayern
Unter Trainer Niko Kovac ist Borussia Dortmund endlich wieder ein ernstzunehmender Herausforderer und aktuell hinter den Bayern wohl das große Top-Team der Bundesliga. Nicht, weil Dortmund mit einer unglaublich tollen Spielidee brilliert oder in puncto Stars mit den Münchnern mithalten kann. Nein, vielmehr hat man das Gefühl, dass der BVB wieder eine von Mentalität getragene DNA verkörpert, die es möglich erscheinen lässt, dem unbesiegten Klassenprimus ein Bein zu stellen. Man hat nicht mehr den Eindruck, dass der BVB mit zitternden Beinen diesem Spiel entgegenwankt - da war die Wahrnehmung in den jüngeren Vergangenheit noch anders. Man ist fast schon versucht zu sagen: Wer außer dem BVB soll diesen Bayern national aktuell überhaupt ein Bein stellen?
Das liegt in erster Linie daran, dass Kovac den Borussen eine sportliche Identität zurückgegeben hat. Die Dortmunder arbeiten wieder Fußball, sind bereit, dafür an ihre Grenzen zu gehen. Als Kollektiv wirkt Dortmund geschlossen, gefährlich und widerstandsfähig.
Hinzu kommt die durch Erfolge gewachsene breite Brust des BVB: Dortmund ist saisonübergreifend seit März und damit seit 14 Bundesligaspielen ungeschlagen und steht vollgetankt mit Selbstbewusstsein bereit, um seinen Ruf als Bayern-Jäger Nummer eins zurückzuerobern. Dortmund gewann elf dieser letzten 14 Ligaspiele und neben überzeugenden Auftritten und verdienten Erfolgen gewann der BVB, wie es sich für ein Top-Team gehört, auch die dreckigen und engen Spiele.
Nicht verwunderlich also, dass bereits einige Dortmunder Stars das Wort "Meisterschaft" schon wieder in den Mund genommen haben. So tritt man auch auf. Mit mutigem Pressing, Lust, nach vorne zu spielen, und einer aktiven sowie unangenehmen Spielweise gegen den Ball. Dortmund scheint bereit für die Bayern. Mit einem nadelbesetztem Umschaltspiel, bereit den Räumen hinter der Münchner Abwehrkette schmerzhafte Stiche zu versetzen.
Der FC Bayern hat wieder Mia San Mia getankt
Doch auch der FC Bayern trägt maßgeblich dazu bei, dass der Klassiker sich dieses Mal wieder wie ein Klassiker anfühlt. Vielleicht noch nicht wie zu seinen Hochzeiten, aber im Vergleich zu den letzten Jahren ist der Unterschied durchaus spürbar.
Ohne den ehemaligen Trainern Julian Nagelsmann und Thomas Tuchel zu nahe treten zu wollen, verspürt man erst jetzt unter Vincent Kompany wieder dieses für die Bayern typische Selbstverständnis im Spiel. Es scheint, als wisse jeder Spieler, was zu tun ist; die Rädchen greifen ineinander – egal, wer auf dem Rasen steht. Man geht raus und gewinnt einfach. Woche für Woche für Woche. Bayern wackelt nicht mehr – ganz im Gegenteil. Es wirkt, als wäre ein Spiel mit Bayern-Beteiligung bereits nach dem ersten Tor der Münchner wieder entschieden. Wie in alten Zeiten, als die Bayern-Siege bereits im Spielertunnel sicher schienen.
Das Mia San Mia ist merklich zurück an der Säbener Straße, das spürt man im Auftreten der Spieler und in der Art des Münchner Fußballs.
Der Rekordmeister lässt sein Spiel wieder einfach aussehen, spielt mit beängstigender Leichtigkeit und erdrückender Dominanz. Gespickt mit großen Namen in Topform gehen die Bayern in diesen Klassiker trotz der guten Form des Herausforderers als klarer Favorit – und das lässt die Attraktivität dieses Aufeinandertreffens wieder so anwachsen. Jetzt will - mit Ausnahme der Bayern-Fans - wieder jeder den großen Giganten fallen sehen und aktuell ist Dortmund wohl das einzige Team in der Liga, dem man dieses Kunststück derzeit zutrauen würde.
Die Münchner zu schlagen, ist jetzt wieder etwas Besonderes. Das ist ganz anders als zuletzt, als die Bayern in der Spielzeit 2023/24 beispielsweise ganze acht Niederlagen in der Bundesliga kassierten – so viele wie seit der Saison 2006/07 nicht mehr. In den beiden Jahren zuvor waren es immerhin je fünf. Mit nur zwei Pleiten in der vergangenen Saison gab es den lange ersehnten Kurswechsel und man hat nicht das Gefühl, dass es in diesem Jahr mehr werden könnten. Der FC Bayern wirkt wieder unbesiegbar.
Die aktuellen Hardfacts zum Klassiker:
- Erster gegen Zweiter
- die meisten Punkte (18) gegen die zweitmeisten Punkte (14) der Liga
- die beste Defensive (3 Gegentore) gegen die zweitbeste Defensive (4 Gegentore) der Liga
- die beste Offensive (25 Tore) gegen die drittbeste Offensive (12 Tore) der Liga
- die längste Ungeschlagenenserie der Liga (15 Spiele) gegen die zweitlängste (14 Spiele)
- der höchste Marktwert (951,65 Mio. Euro) gegen den zweithöchsten Marktwert (500,50 Mio. Euro) der Liga
Der Klassiker ist tot - lang lebe der Klassiker!
Der anstehende Klassiker erreicht sicherlich bei Weitem noch nicht das Format, das ihn einst zu diesem deutschem Gigantentreffen werden ließ. Dafür waren die Duelle und Teams zum damaligen Zeitpunkt einfach noch eine Nummer größer. Gemessen daran, was er in den letzten Jahren darstellte, ist dieses Duell aber mit großer Sicherheit das vermeintlich heißeste Aufeinandertreffen von Bayern und Dortmund seit Langem und verspricht absolutes Knallpotenzial.
Aktuell gibt es in Deutschlands Spitze wieder nur diese beiden Teams. Überraschungsteams wie Stuttgart, Leverkusen oder Leipzig, die sich in den Zweikampf einzumischen scheinen, gibt es diesmal (noch) nicht. In der Bundesliga wirkt aktuell niemand so gefestigt wie die Bayern und der BVB. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es das Duell der Duelle im deutschen Spitzenfußball.
Was dem Duell im Vergleich zu früheren Jahren und seinen Hochzeiten allerdings noch etwas abgeht, ist die große Identität auf beiden Seiten, als sich mit beiden Vereinen tief verwurzelte Akteure gegenüberstanden und es fast schon etwas Persönliches war, gegeneinander anzutreten und sich zu beweisen, wo der Frosch die Locken hat.
Rein sportlich betrachtet ist das kommende Duell am 18. Oktober allerdings endlich wieder eines, das die große Aufmerksamkeit und das ganze Rampenlicht verdient. Beide Teams sind zurück, die Bayern etwas mehr als der BVB – doch wehtun können diese Dortmunder der Übermacht aus dem Süden allemal.
Es handelt sich nicht um eine Wiederbelebung des großen Klassikers, sondern um eine spannende Neuauflage. Der Klassiker ist tot - lang lebe der Klassiker!
Weitere Bundesliga-News lesen:
feed