Hoeneß wird Eberl zum Verhängnis: Das Transfer-Zeugnis für den FC Bayern

Das Sommer-Transferfenster ist nach einem dramatischen Deadline Day geschlossen. Wir analysieren, wie gut die Bayern in diesem Sommer gearbeitet haben.
Max Eberl und Uli Hoeneß dürften in diesem Sommer nicht immer einer Meinung gewesen sein.
Max Eberl und Uli Hoeneß dürften in diesem Sommer nicht immer einer Meinung gewesen sein. / Stefan Matzke - sampics/GettyImages
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Ein denkwürdiges Transferfenster liegt hinter dem FC Bayern. Nun ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen und sich detaillierter anzusehen, wie die Arbeit der Verantwortlichen auf dem Transfermarkt zu bewerten ist. Dabei wird vor allem eines deutlich: Die Macht von Uli Hoeneß ist ein Problem.

Was können die Neuzugänge liefern?

  • Tom Bischof (Hoffenheim)
  • Jonathan Tah (Bayer 04 Leverkusen)
  • Luis Diaz (FC Liverpool)
  • Nicolas Jackson (FC Chelsea/Leihe)

Der FC Bayern hat lediglich vier neue Spieler geholt. Zwar fehlt durch das Scheitern bei Florian Wirtz der absolute Statement-Transfer, jedoch besteht zumindest die Hoffnung, dass die Neuzugänge allesamt sportlich eine Hilfe darstellen können.

Am größten dürften die Erwartungen bei Luis Diaz sein, der als Königstransfer für Linksaußen geholt wurde. Der Kolumbianer ist schnell, lauffreudig, torgefährlich und technisch beschlagen und hat das beim FC Bayern auch schon in seinen ersten Einsätzen zeigen können. Mit drei Toren und zwei Assists in vier Pflichtspielen, hat der 28-Jährige einen sehr guten Start hingelegt und scheint ein Upgrade im Vergleich zu Leroy Sané und Kingsley Coman zu sein. Seine Chancenverwertung muss aber dringend besser werden, damit er wirklich zum Schlüsselfaktor werden kann.

Für eine nicht optimale Chancenverwertung ist auch Nicolas Jackson bekannt. Der Senegalese ist jedoch im Angriff eine gute Ergänzung zu Harry Kane, weil er schnell, athletisch und durchsetzungsfähig ist. Zudem kann er mit seinen Tiefenläufen für Gefahr sorgen. Eine Komponente, die durch den Sané-Abgang verloren gegangen ist. Ob sich Jackson einen Stammplatz als hängende Spitze schnappen kann, sei mal dahingestellt, gebraucht werden dürfte er aber definitiv. Letztlich wird man sehen müssen, wie sein Spielstil mit dem Ballbesitzfußball der Münchner harmoniert.

Jonathan Tah soll beim FC Bayern mit seiner Erfahrung, Ruhe und Persönlichkeit der neue Abwehr-Leader werden. Der 29-Jährige kann Kommandos geben und die Abwehrarbeit koordinieren, was nicht unbedingt der Kernkompetenz von Dayot Upamecano und Kim min-jae entspricht. Ob Tah gemeinsam mit Upamecano den Laden dicht bekommt, ist aber noch offen. Sein Tempo ist ordentlich, für den Bayern-Spielstil aber vielleicht nicht hoch genug. Folgerichtig dürfte er auch ab und an seine Grenzen stoßen. Ein Gewinn sollte er im Allgemeinen aber schon sein.

Tom Bischof ist der am wenigsten prominente Neuzugang, aber dennoch ziemlich verheißungsvoll. Der 20-Jährige ist fußballerisch sehr beschlagen, lauffreudig und energisch in der Defensive. Er bringt gewissermaßen ein ähnliches Paket wie Joshua Kimmich mit, der ja beim FC Bayern auch den Durchbruch geschafft hat. Bischof ist bereits mittelfristig eine größere Rolle zuzutrauen. Fußballerisch ist er schon jetzt stärker als Leon Goretzka, jedoch bringt dieser natürlich ein anderes Standing und physische Vorteile mit. Dennoch könnte Bischof die Zukunft der Bayern entscheidend prägen - vielleicht sogar schon in dieser Saison.

Wie sehr fallen die Abgänge ins Gewicht?

  • Kingsley Coman (Al-Nassr)
  • Leroy Sané (Galatasaray)
  • Eric Dier (AS Monaco)
  • Thomas Müller (Vancouver)
  • Joao Palhinha (FC Fulham/Leihe)
  • Mathys Tel (Tottenham)
  • Paul Wanner (Eindhoven)
  • Adam Aznou (Everton)
  • Frans Krätzig (RB Salzburg)
  • Daniel Peretz (HSV/Leihe)
  • Gabriel Vidovic (Dinamo Zagreb)
  • Bryan Zaragoza (Celta Vigo/Leihe)
  • Arijon Ibrahimovic (Heidenheim/Leihe)
  • Tarek Buchmann (Nürnberg/Leihe)
  • Jonah Kusi-Asare (FC Fulham/Leihe)
  • Maurice Krattenmacher (Hertha/Leihe)
  • Lovro Zvonarek (Grasshoppers/Leihe)

Der FC Bayern verzeichnet zahlreiche Abgänge, jedoch fallen davon längst nicht alle auch ins Gewicht. Der prominenteste Verlust ist natürlich Thomas Müller, der zwar auf dem Platz nicht mehr die ganz große Rolle gespielt hat, in der Mannschaft aber natürlich ein enormes Standing genoss.

Sportlich sind die Verluste von Kingsley Coman und Leroy Sané am bedeutsamsten. Beide waren nicht für ihre Konstanz bekannt, ihre Qualitäten werden aber dennoch fehlen. Sané gehörte in der vergangenen Saison - trotz vieler vergebener Chancen - zu den besten Torjägern im Verein nach Harry Kane. Coman hat durch seine Dribblings und durch seine Ballsicherheit ebenso eine wichtige Komponente auf dem Flügel mitgebracht. Einen der beiden hätte der FC Bayern definitiv noch gut gebrauchen können, berücksichtigt man den Engpass in der Offensive.

Die anderen Verkäufe dürften sportlich nicht so sehr schmerzen. Mit Joao Palhinha fällt der einzige wirklich defensiv orientierte Mittelfeldspieler im Kader weg, hätte aber wohl unter Vincent Kompany ohnehin keine größere Rolle gespielt. Eric Dier wurde durch Jonathan Tah gut ersetzt.

Der Mathys Tel aus der vorletzten Saison hätte den Bayern als Joker gut zu Gesicht gestanden, jedoch kam der Franzose an diese Form nicht mehr heran. Ob der Verkauf ein Fehler war, muss die Zukunft zeigen. Gleiches gilt auch für andere Talente, wobei diese überwiegend nur per Leihe oder mit einer eingebauten Rückkaufoption den Verein verlassen haben.

Konnte der FC Bayern seine Problemstellen lösen?

Wirft man einen Blick auf die erste Elf, so werden nicht wirklich die ganz klaren Problemstellen sichtbar. Die Rechtsverteidiger-Position ist nicht Weltklasse besetzt, jedoch hat der Markt auch keine Spieler hergegeben, die besser als Konrad Laimer oder Josip Stanisic wären. In der Innenverteidigung kam mit Jonathan Tah der gesuchte Leader-Typ, der zuvor definitiv ein wenig gefehlt hat. Links hinten hat der FC Bayern nicht auf die Verletzungen von Alphonso Davies und Hiroki Ito reagiert und hat dadurch aktuell einen Engpass, der sich mit Josip Stanisic aber überbrücken lässt.

Im zentralen Mittelfeld könnte man durchaus argumentieren, dass neben Joshua Kimmich ein weiterer Weltklasse-Spieler fehlt, jedoch kam mit Tom Bischof immerhin ein starkes Talent. Zudem ist Aleksandar Pavlovic nach einigen Verletzungen und Erkrankungen wieder zurück. Demnach erscheint es richtig, hier keinen weiteren Spieler geholt zu haben.

Die Offensive ist dank Jamal Musiala, Olise und Harry Kane - wenn alle fit sind - mit drei Weltklasse-Spielern besetzt. Die vierte Position haben die Münchner mit Luis Diaz besetzt, der zumindest sehr nahe an diesem Niveau dran ist.

Gewissermaßen war aber nie die erste Elf, sondern vielmehr die Kaderbreite die Problemstelle der Münchner. Hier muss man sagen, dass es der FC Bayern versäumt hat, für eine angemessene Breite zu sorgen. Aktuell gibt es in der Offensive fünf gestandene und fitte Akteure für vier Positionen, was definitiv zu wenig ist. In der vergangenen Saison ist der FC Bayern in der Champions League auch wegen der fehlenden Kaderbreite ausgeschieden. Selbiges geschah bei der Klub-WM, bei der man gegen PSG von der Bank praktisch nicht mehr nachlegen konnte.

Hier eine Verbesserung zu schaffen, ist absolut nicht gelungen. Im Gegenteil: Die Situation ist noch brenzliger geworden.

Wie wirtschaftlich war die Transfephase?

Der FC Bayern ist mit einem Transferplus von 10,15 Millionen Euro aus dem Transfersommer gegangen. Ausgaben in Höhe von rund 89 Millionen Euro stehen Einnahmen von rund 99 Millionen Euro gegenüber. Der teuerste Transfer war mit großem Abstand Luis Diaz mit einer Ablöse von 70 Millionen Euro. Am meisten Geld haben Mathys Tel (35 Millionen Euro), Kingsley Coman (25 Millionen Euro) und Paul Wanner (15 Millionen Euro) eingebracht.

Hinzu kommt, dass der FC Bayern einige Top-Verdiener von der Liste hat. Zu nennen wären hier vor allem Thomas Müller, Kingsley Coman und Leroy Sané, die pro Jahr zusammen etwa 55 bis 60 Millionen Euro kassiert haben sollen. Zudem fällt unter anderem das Gehalt des verliehenen Joao Palhinha weg.

Trotzdem kann man nicht zwangsläufig sagen, dass die Transferphase sonderlich wirtschaftlich war. Man darf schließlich nicht vergessen, dass die Münchner 70 Millionen Euro in einen Spieler investiert haben, der bereits 28 Jahre alt ist und wohl keinen großen Wiederverkaufswert mitbringt.

Noch problematischer könnte sich die Situation bei Nicolas Jackson gestalten. Für den 24-Jährigen wurde bereits eine Leihgebühr in Höhe von 16,5 Millionen Euro fällig. Zudem gibt es eine Kaufoption für weitere 65 Millionen Euro, die geknüpft an Einsätze zur Pflicht werden könnte. Dass eine Gesamt-Ablöse in Höhe von 81,5 Millionen Euro für einen Spieler wie Jackson im Raum steht, klingt wie ein schlechter Scherz.

Hier ist zu hoffen, dass die Klausel wirklich nur bei einer utopischen Anzahl an Spielen zur Pflicht wird. Schon alleine durch die Leihgebühr ist der Deal aber nicht wirtschaftlich.

Was hätte der FC Bayern besser machen können?

Der Vorsatz von Uli Hoeneß und des Aufsichtsrats, nur noch Spieler leihen und nicht kaufen zu können, war völlig unnötig und hat Max Eberl und Co. enorm in ihren Möglichkeiten beschränkt. Wie man am Beispiel Jackson sieht, hat der FC Bayern am Ende trotzdem keinen wirtschaftlich guten Deal getätigt.

Zudem bleibt festzuhalten, dass die Offensive noch immer zu dünn besetzt ist und es einen weiteren offensiven Mittelfeldspieler benötigt hätte. Optionen hätte es zur Genüge gegeben. Zu nennen wären beispielsweise Christopher Nkunku, Malick Fofana und vor allem Xavi Simons, der ja der Wunschspieler von Eberl und Kompany gewesen sein soll.

Hier sind wir aber an einem Grundsatzproblem angekommen. Uli Hoeneß ist mit dem Aufsichtsrat im Rücken unglaublich mächtig und blockiert die Arbeit von Max Eberl und Christoph Freund enorm. Die Münchner Kaderplaner müssen nicht nur die Bosse der anderen Vereine, sondern zuerst den Klub-Patron vom Tegernsee überzeugen - als müsste man vor der Zugspitze erst noch den Mount Everest überwinden.

All das führte zu dem absurden Hoeneß-Befehl "Wir dürfen nur noch leihen", den es nie hätte geben dürfen. Es folgten - sofern man den Medien glaubt - teilweise absolute Witz-Angebote, mit denen sich der FC Bayern international lächerlich gemacht haben dürfte. So soll man bei Malick Fofana wegen einer Leihe angefragt haben, obwohl Lyon dringend Geld für die Lizenz benötigt hat. Am Deadline Day folgten dann offenbar Leih-Anfragen für Franculino Djú und Ademola Lookman, die angesichts mieser Konditionen regelrecht zum Scheitern verurteilt waren.

Der FC Bayern hat durch all diese Dinge ein denkbar schlechtes Bild nach außen abgegeben. An diesem schraubt man ohnehin schon fleißig. Die Bayern haben weder in der Wirtz- und noch weniger in der Woltemade-Causa ein gutes Bild abgegeben. Kann man ihnen das Scheitern bei Wirtz letztlich nicht vorwerfen, war jenes bei Woltemade hausgemacht.

Schon bei der Kontaktaufnahme mit Woltemade, ohne dies mit dem VfB abzuklären, hat man für schlechte Stimmung gesorgt. Mit dem mickrigen ersten Angebot konnte man diesbezüglich selbstredend keine Verbesserung erzielen. Letztlich hat man sich über die ja so absurd hohen Forderungen der Stuttgarter ausgelassen, nur um dann einen Jackson-Deal durchzudrücken, der sogar noch teurer werden könnte.

Als problematisch sind auch einige Verkäufe zu bewerten. Die 25 Millionen Euro beim Coman-Verkauf wirken wahnsinnig schlecht verhandelt, bedenkt man, dass der Franzose jetzt eine Hilfe darstellen würde. Auch bei Joaoa Palhinha und Bryan Zaragoza hätte man mehr Geduld beweisen und auf einen Deal mit Kaufpflicht pochen sollen.

Etwas schräg sind auch die Abgänge von Adam Aznou, Jonah Kusi-Asare und Paul Wanner. Zwar hat der FCB dadurch Geld eingenommen, jedoch können Aznou und Wanner nur per Klausel zurückgeholt werden. Selbiges gilt für den verliehenen Kusi-Asare, sollte Fulham die Kaufoption ziehen. Trotz der minimalistischen Kadergröße hat der FCB wieder zahlreiche Youngster abgegeben, was definitiv Fragen aufwirft.

Verwunderlich ist zudem, dass der FC Bayern zwar nicht müde wird, zu betonen, dass andere Klubs mehr Geld haben, man selber aber kaum bereit ist, die Nachwuchsspieler zu fördern oder Talente zu kaufen und diese zu entwickeln. So hätte man versuchen können, Spieler wie Malick Fofana oder Leverkusen-Neuzugang Eliesse Ben Seghir an Bord zu holen und in die Weltklasse zu führen. Derartige Überlegungen scheinen kaum stattgefunden zu haben.

Gesamtfazit:

Der FC Bayern hat insgesamt ein sehr schlechtes Bild in der Öffentlichkeit abgegeben und sich mit der Besessenheit, nur noch leihen zu wollen, selbst ein Bein gestellt. Uli Hoeneß und der Aufsichtsrat haben Max Eberl und Christoph Freund ganz offensichtlich zu sehr ins Handwerk gepfuscht.

Gewissermaßen war das Transferfenster auch eines der verpassten Möglichkeiten. Grundsätzlich wirkt das Team stark und motiviert und könnte mit etwas Glück auch die Champions League gewinnen. Dafür gilt jedoch die Voraussetzung, dass möglichst alle fit bleiben. Gewissermaßen steht und fällt damit der Erfolg der Mannschaft.

Mit dem enorm ausgedünnten Kader setzen die Verantwortlichen die sportlichen Erfolge völlig leichtsinnig und grundlos aufs Spiel. Fallen wie schon in den letzten Saisons immer wieder wichtige Spieler aus, lässt sich das schlichtweg nicht kompensieren. Folgerichtig kann man nur sagen, dass die Bayern aus der Vergangenheit nicht gelernt haben.

Zwar bleibt positiv festzuhalten, dass die Neuzugänge recht vielversprechend erscheinen und teure Spieler von der Gehaltsliste sind, jedoch überwiegen die negativen Punkte in Summe dennoch.

Gesamt-Bewertung Transfersommer: 3,5/10


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