Der Tristesse zum Trotz: Die DFB-Topelf für die WM-Quali im Oktober

Viele Fragezeichen und miese Stimmung prägen das Bild der Nationalmannschaft vor den beiden WM-Quali-Spielen im Oktober. Welche Topelf könnte der Bundestrainer aus seinem aktuellen Personal basteln? Der 90min-Vorschlag.
Wie sollte die deutsche Topelf aktuell aussehen?
Wie sollte die deutsche Topelf aktuell aussehen? / Boris Streubel/GettyImages
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Am 10. und 13. Oktober steht das DFB-Team in der WM-Qualifikation gehörig unter Druck. Gegen Luxemburg und in Nordirland braucht es Siege - ansonsten drohen die Playoffs um die WM-Teilnahme.

"Zwei Siege - das ist unser klares Ziel, um die WM-Qualifikation weiter auf direktem Weg zu erreichen. Auch wenn wir weiterhin auf einige Spieler verzichten müssen, sind wir überzeugt: Unser Kader hat die Qualität, um es besser zu machen als zuletzt", meinte Bundestrainer Julian Nagelsmann zu seinem 24-Mann-Kader für den Oktober.

Von Nationalelf-Liebe keine Spur mehr

Doch es geht auch um viel mehr. Hatte Nagelsmann vor und während der Heim-EM 2024 die Euphorie um die Nationalmannschaft zurückgebracht, wurde sie nach dem Turnier - spätestens mit den Auftritten beim Final Four der Nations League und dem miserablen Start in die WM-Quali - wieder völlig aus der Bundesrepublik herausgesaugt.

Es herrscht wieder Tristesse und Pessimismus rund um das DFB-Team!

Defensiv zeigt sich die Nagelsmann-Truppe wieder so anfällig wie zu schlechtesten Vor-EM-Zeiten. Offensiv fehlte zuletzt die Durchschlagskraft fast komplett. Dazu ranken sich zahlreiche Personalfragen. Wer verteidigt hinten rechts? Was ist die optimale Besetzung im zentralen Mittelfeld? Und wer kann vorne für Gefahr und Tore sorgen?

Neue Spieler, neue Systeme - vieles steht derzeit auf dem Prüfstand. Doch wie sähe die Bestbesetzung der deutschen Nationalmannschaft mit dem aktuellen Personal eigentlich aus?

Kimmichs Rolle entscheidend

Wir hätten dafür einen Vorschlag, bei dem der Bundestrainer von seiner Entscheidung, Kapitän Joshua Kimmich auf seine Parade-Position im Zentrum zu setzen, wieder abrücken müsste. Klar, Kimmich spielt dort regelmäßig beim FC Bayern. Und auch klar, auf der Doppelsechs ist er wahrscheinlich am besten. Die Probleme im DFB-Team hinten rechts lassen aber kaum einen anderen Schluss zu, als Kimmich wieder als Rechtsverteidiger einzusetzen.

Im Zentrum gibt es immerhin gute Alternativen, auch wenn hier (noch) kein Spieler internationale Spitzenklasse verkörpert. Derweil erscheint es doch sehr fraglich, dass der nun zurückgeholte Ridle Baku die Baustelle schließen kann. Der 27-Jährige ist in Leipzig zwar seit dieser Saison als klassischer Rechtsverteidiger gesetzt und spielt ordentlich. Seine Stärken hat der vierfache Nationalspieler (letzter Einsatz im November 2021) aber im Offensivspiel. Defensive Stabilität auf dem Flügel klingt anders.


Disclaimer: Als einer von über 80 Millionen Bundestrainern vertritt der Autor seine Sichtweise. Die mit ziemlicher Sicherheit nicht der von vielen der übrigen Bundestrainer entspricht.


Die Viererkette

Blickt man rein auf das verfügbare Personal, sollte man tatsächlich über ein System mit Dreierkette nachdenken. Viele Spieler sind das in ihren Klubs gewohnt, die nominierten Außenverteidiger scheinen als Schienenspieler ohnehin am besten aufgehoben zu sein. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass dieses System im DFB-Team einfach überhaupt nicht funktionieren will. Bei den Fans ist es längst verpönt.

Mit ein Grund, warum wir in unserer Topelf auf die klassische Viererkette setzen. Eckpfeiler sollte Rückkehrer Nico Schlotterbeck sein, der Qualität und Mentalität vereint. Hinten links ist mit Nathaniel Brown nun zwar ein großes Talent dabei, in den wichtigen Quali-Spielen sollte Nagelsmann aber auf Leipzig-Kapitän David Raum setzen. Auch Raum gilt als Antreiber, der mit seiner Mentalität einige Defizite ausgleichen kann.

Während, wie schon erklärt, Joshua Kimmich als Rechtsverteidiger eingesetzt werden sollte, muss noch der zweite Innenverteidiger-Platz besetzt werden. Für Waldemar Anton spricht, dass er das Zusammenspiel mit Schlotterbeck vom BVB kennt. Robin Koch sollte dagegen nicht mehr als ein Backup bleiben. Die aktuell weiter beste Lösung ist Jonathan Tah, der auch beim FC Bayern gesetzt ist. Tah muss sich aber wieder erheblich steigern, will er die miserablen September-Eindrücke vergessen lassen.

Bis die ter-Stegen-Frage nicht geklärt ist, ist Oliver Baumann im Tor eine solide Zwischenlösung. Mit Blick auf die WM bräuchte es aber einen Schlussmann von absolutem Spitzenformat. Das kann eigentlich nur Marc-André ter Stegen sein - sollte er die Form vergangener Tage wiedererlangen. Oder aber, man muss Manuel Neuer zu einem Comeback überreden. Noah Atubolu, der erneut nicht nominiert wurde, sollte ein Keeper für die Zukunft nach der WM bleiben.

  • Die DFB-Abwehr: Baumann - Kimmich, Tah, Schlotterbeck, Raum

Das Mittelfeld

4-2-3-1 sollte das System der Wahl sein. Dafür braucht es zwei zentrale Mittelfeldspieler auf der Doppelsechs hinter einem Zehner. Der muss auch weiterhin Florian Wirtz heißen, trotz seiner Formkrise zum Start seiner Liverpool-Zeit. Der "Magier" braucht Vertrauen und einen festen Platz als Spielgestalter. Sein Potenzial sollte unbestritten sein.

Genauso unbestritten ist, dass Karim Adeyemi in aktueller Form in die Startelf gehört. So stark (und konstant) wie derzeit trat der BVB-Stürmer in seiner Karriere wohl noch nie auf. Blickt man auf die restlichen Offensiv-Optionen, fällt die Wahl schon schwerer. Serge Gnabry ist zwar im Aufschwung, ist in dieser Phase seiner Karriere aber am besten zentral hinter dem Mittelstürmer aufgehoben. Dieser Platz sollte aber von Wirtz besetzt sein - eigentlich...

Bliebe Jamie Leweling als einzig verbliebener nomineller Flügelstürmer übrig. Bei allem Respekt vor dem 24-Jährigen: Die Klasse für einen Startelf-Spieler im DFB-Team sollte er eigentlich nicht haben.

Weil es keine echten Optionen gibt, die auf dem Papier halbwegs zufriedenstellen, läuft es doch auf Gnabry hinaus. Hier sollte der Bundestrainer dann zumindest auf ein Wechselspiel mit Wirtz setzen. Beide würden sich die Positionen auf der Zehn und dem linken Offensiv-Flügel "teilen".

Die schwere Suche nach der besten Doppelsechs

Schwer zu entscheiden ist auch die Frage nach der Doppelsechs. Nagelsmann wird hier einen Partner für Kimmich suchen - wir suchen gleich zwei Spieler, deren Fähigkeiten sich optimal ergänzen sollten. Auch deshalb ist das Duo Aleksandar Pavlovic und Angelo Stiller wohl (leider) nicht die beste Lösung. Beide sind ähnliche Spielertypen mit Stärken im Passspiel - dazu eher wenig dynamisch und mit Schwächen gegen den Ball.

Ein Mittelfeld-Abräumer würde defensiv weiterhelfen. Robert Andrich scheint dafür der einzige Sechser-Kandidat im Kader zu sein. In Bestform ist der Bayer-Kapitän aber zweifellos nicht. Auch Leon Goretzka könnte diese Rolle einnehmen, Nagelsmann sieht seine Stärken aber eher in der Offensive, wenn er als sogenannter "Box-to-Box"-Spieler vor dem gegnerischen Tor auftauchen kann.

Alleine beim Lesen dieser Zeilen dürfte klar sein: Die richtige Wahl ist schwierig und kein Duo drängt sich auf Anhieb auf. Ein Versuch wäre es aber wert, auf Pavlovic neben Felix Nmecha zu setzen. Pavlovic würde die tiefere Rolle einnehmen, muss dabei aber auch diszipliniert seine Position vor der Abwehr halten. In Nmecha hat er einen dynamischen Partner, der sich mit dem Ball etwas freier bewegen könnte. Das kommt den Stärken des BVB-Spielers am besten zugute. Aber auch Nmecha müsste für einen Platz in der Startelf bereit sein, Defensivaufgaben nicht zu vernachlässigen. Und sein vorhandenes Potenzial auch in Defensivzweikämpfen zu nutzen.

Dass er das kann, liegt nahe. Dass er das zu inkonstant tut, ist aber auch offensichtlich. Im Dortmunder Trikot zeigt sich das immer wieder. Dennoch geht die Kurve bei Nmecha wieder nach oben. Nicht zuletzt Weltmeister Christoph Kramer schwärmte jüngst vom 24-Jährigen und wettete sogar, dass dieser bei der WM eine wichtige Rolle einnehmen werde.

  • Das DFB-Mittelfeld: Pavlovic, Nmecha - Adeyemi, Wirtz, Gnabry

DFB-Team braucht "Woltemessi"

Im Sturmzentrum führt derzeit kein Weg an Nick Woltemade vorbei. Dieses Team braucht einen physisch starken Mittelstürmer, der Bälle festmachen kann. Woltemades Start bei Newcastle war ordentlich. Im DFB-Team hing er zuletzt aber sehr stark in der Luft.

Setzt man den "Sturm-Riesen" richtig ein, kann er ein Unterschiedsspieler sein. Ähnlich wie in der vergangenen Rückrunde beim VfB Stuttgart, als er meist von einer tieferen Position kam. Für das DFB-Team ist es ein Vorteil, dass Woltemade bei den Magpies als klassischer Neuner agieren soll.

Jonathan Burkardt und Maximilian Beier sind zwei pfeilschnelle Angreifer, die in einer Doppelspitze und mit Konter-/Umschaltfußball am besten aufgehoben sind. Beide sind gute Joker-Optionen, aber sollten nicht in der Startelf stehen. Zumal Burkardts DFB-Auftritte bislang immer recht unglücklich waren.

  • Der DFB-Mittelstürmer: Nick Woltemade

Die aktuelle Topelf des DFB-Team im Überblick

Als Fazit nach all den Überlegungen und der Suche nach einer Topelf mit dem aktuellen Personal bleibt: Das DFB-Team ist auf einigen Positionen derzeit nicht ideal besetzt. Und bei einigen Positionen wird sich das bis zur WM auch nicht ändern. Vom Gedanken, einer der größten Titelfavoriten zu sein, sollten wir uns verabschieden.

Bleibt zu hoffen, dass die Stimmung rund um die Mannschaft zumindest wieder besser wird. Dafür sorgen kann nur der Bundestrainer mit seiner Truppe. Da würde es schon reichen, wenn man wieder sieht, dass da eine Mannschaft auf dem Platz steht, die alles für den Erfolg gibt. So wie in großen Teilen unmittelbar vor und während der Heim-EM.

Die Topelf im Überblick

Baumann - Kimmich, Tah, Schlotterbeck, Raum - Pavlovic, Nmecha - Adeyemi, Wirtz, Gnabry - Woltemade


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