Union-Strategie oder Frankfurter Weg? Das Wachstums-Dilemma im Frauenfußball

Der Frauenfußball in Deutschland verändert sich rapide. Wie in der Vergangenheit kann es nicht weitergehen, darüber herrscht Konsens. Aber wie geht es weiter, wie lange und wie viel wird noch investiert? An zwei Klubs zeigt sich, welche Ansätze konkurrieren.
Union Berlin feiert den Aufstieg in die 1. Bundesliga und den Meistertitel
Union Berlin feiert den Aufstieg in die 1. Bundesliga und den Meistertitel / Maja Hitij/GettyImages
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Noch wenige Jahre, dann ist es vollbracht: Dann wird die Frauen-Bundesliga ihre alte Haut komplett abgelegt haben und durch eine neue ersetzt haben, eine glänzendere und goldenere neue Haut. Der Häutungsprozess ist schon jetzt im vollen Gange, und selten hat sich das so klar gezeigt wie in diesem Sommer 2025.

Aus der Liga raus ist Turbine Potsdam, Urgestein des Frauenfußballs und zuletzt nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die Infrastruktur, die Kommunikation, der Webauftritt der Turbine, auch ein gewisser Widerstand gegen den Wandel, all das passt nicht mehr zu der neuen Bundesliga. Allzu viele Tränen wurden vonseiten des DFB nicht in Richtung Potsdam vergossen, anders als noch bei dem Abstieg vor zwei Jahren, von dem viele annahmen, er würde endgültig sein. Kurz feierten die alten Zeiten mit dem direkten Wiederaufstieg ein Revival, aber nur kurz.

Jetzt ist Potsdam abgestiegen, und wenn nicht ein mittelgroßes sportliches Wunder geschieht, könnte dieses Schicksal im nächsten Jahr auch Carl Zeiss Jena ereilen. Die zwei traditionellen ostdeutschen Klubs der Bundesliga wären dann ersetzt durch: Rasenballsport Leipzig und Union Berlin, die beide für die rasante Veränderung des Frauenfußballs in Deutschland stehen, aber auf recht unterschiedliche Weisen, ein schönes und ein unschönes Gesicht des Wandels, laut dem Fan-Tenor.

Leipzig und Union statt Potsdam: Zeitenwende im Frauenfußball

Leipzig spielt inzwischen seit zwei Saisons in der Liga, Union Berlin durfte gerade den Aufstieg feiern. Die Eisernen haben Turbine Potsdam abgelöst, und in vielen Belangen ist der Ansatz von Union, deren Stadion an der Alten Försterei gerade mal 40 Kilometer von dem Karl-Liebknecht-Stadion trennt, dem von Potsdam entgegengesetzt.

Allein an den Stadien könnte man eigentlich die ganze Geschichte erzählen. Am Potsdamer Stadion, das eigentlich weniger ein solches ist als ein Platz mit Tribüne, liebevoll von den Fans Karli genannt und von gegnerischen Spielerinnen aufgrund der Platzqualität vermutlich weniger liebevoll betrachtet. Und am Stadion an der Alten Försterei, das wiederum einen Auswärtstrip bedeutet, den sich ebenjene gegnerischen Spielerinnen vermutlich schon mit Rotstift in den Kalender eingetragen haben: Highlight!

Denn schon in der 2. Bundesliga übertraf der Zuschauerschnitt von Union sämtliche Bundesligisten, mit durchschnittlich 7.190 Fans pro Spiel. Böse Zungen würden anmerken, dass man sich bei der TSG Hoffenheim sogar bei einem aufwendig beworbenen Highlightspiel in der großen Arena über diese Zahl freuen würde.

In diesem Stadion werden nächstes Jahr einige Spielerinnen kicken, die Union der Konkurrenz abluchsen konnte – Eintracht-Kapitänin Tanja Pawollek wechselt in die Hauptstadt, ebenso wie Werders Sophie Weidauer oder Eileen Campbell von Freiburg – alles gestandene Bundesligaspielerinnen, die ihre Klubs sicher liebend gern bei sich behalten hätten.

Union fährt konsequente Investitionsstrategie

Wie diese Transfers eingetütet werden konnten, daraus macht der Klub keinen Hehl: Nicht nur das Stadion, die leidenschaftlichen Fans oder die Verhandlungskünste waren dafür ursächlich, sondern auch schlicht und ergreifend Geld. Schon in der 2. Liga stattete Union alle Spielerinnen mit Profiverträgen aus, was selbst eine Etage darüber noch längst nicht die Norm ist.

Präsident Dirk Zingler spricht offen darüber, wie locker das Geld in Berlin sitzt: „Wenn wir eine Top-Spielerin für 5.000 Euro bekommen, zahlen wir 5.000. Wenn wir sie erst für 30.000 Euro bekommen, dann zahlen wir 30.000“, sagte Zingler, der selbst maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass der Frauenfußball bei Union einen Stellenwert hat wie bei kaum einem anderen Klub. Zinglers Aussage mag protzig klingen, aber sie untermauert, dass Unions Investitionsbekenntnisse glaubwürdig sind.

Der Klub denkt Gleichstellung konsequent durch und vermarktet die Spiele in beiden Bundesligen über das gleiche Team und mit dem gleichen Aufwand – während es bei anderen Liga-Konkurrenten teils noch so scheint, als wäre eine Marketingstudentin im dritten Semester für das Erstellen von Instagram-Posts als Minjob angeheuert worden.

Eintracht Frankfurt: Kehrtwende in Richtung Schwarze Null

Zinglers Aussage ist auch daher bemerkenswert, weil ein anderer Klub, der als Vorreiter im Frauenfußball gilt, aktuell eine Kehrtwende in puncto Ambition und Strategie hinlegt. Eintracht Frankfurt wurde lange für den „Frankfurter Weg“ gelobt, bildete selbst Spielerinnen aus und konnte sie auch dann halten, wenn sie sportlich eigentlich schon über die Erfolge des Vereins hinausgewachsen waren. Die Bindung zum Klub und ein klarer Plan waren die schlagenden Argumente für die Eintracht – verbunden aber auch mit beträchtlichen finanziellen Investitionen.

Frankfurt ist im Frauenfußball der umsatzstärkste deutsche Verein, besser als Wolfsburg und sogar Bayern, die Strategie hatte also durchaus Erfolg. Dennoch bleibt der Frauenfußball ein Zuschussgeschäft, wenn auch in geringerem Rahmen als bei Bayern und Wolfsburg. Die SGE kündigte nun an, dass die Ära der lockeren Hand beim Geldausgeben nun vorbei sein soll. Stattdessen soll sich das Frauenfußball-Team perspektivisch selbst tragen, das Budget wird nicht erhöht, und mehr Transfererlöse erzielt werden - wie mit dem laut Medien anstehenden Wechsel von Sophia Kleinherne nach Wolfsburg, für den die SGE ca. 200 000 Euro kassieren soll.

Sophia Kleinherne
Ein wohl anstehender Wechsel mit erwünschten Transfererlösen: Sophia Kleinherne / Thomas Eisenhuth/GettyImages

Eine strategische Kehrtwende, die überraschend kommt, weil a) Frankfurt diese Saison nur denkbar knapp daran vorbeischrammte, Zweiter oder gar Erster zu werden und der Status als Nummer 2 in greifbarer Nähe liegt, und b) die Eintracht-Männer, anders als es bei solchen Austeritätsankündigungen zu vermuten wäre, schließlich durch das Erreichen der Champions League die rot-weiß-schwarzen Kassen klingeln lassen.

Wie lange kann und muss bezuschusst werden?

Frankfurt ist durch die Ankündigung der Sparpolitik gewissermaßen der Entwicklung der Liga zwei Schritte voraus. Denn natürlich wird eines Tages für alle das Ziel sein, das magische „break-even“ zu erreichen, die vielgelobte Schwarze Null in der Bilanz. Aber wie weit dieses Ziel entfernt ist, darüber scheint es noch beträchtliche Uneinigkeiten zu geben. Ab welchem Punkt ist die Geduld aufgebraucht, die Phase der Investitionsmentalität vorbei?

Bei Union Berlin scheint dieser Punkt noch weit entfernt, aber die mammutartigen Ausgaben von heute könnten den Klub in einigen Jahren durchaus in eine unangenehme Lage bringen, falls in einigen Jahren immer noch kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist. Die allermeisten Klubs in der Bundesliga scheinen bereit, noch einige Jahre draufzuzahlen.

Aber die massiven Investitionen bringen gerade Klubs wie Freiburg und Bremen in die Bredouille, die schon ihre Bereitschaft demonstriert haben, zu investieren – und denen nun trotzdem Spielerinnen von Union weggeschnappt werden. Wie viel sind diese Vereine noch bereit, draufzulegen? Das wird eine der spannenden Fragen der nächsten Jahre – ebenso wie die Frage, ob die Frankfurter Herangehensweise Schule macht.

Die Schwarze Null ist aktuell bei den meisten Bundesligisten noch sehr weit entfernt, mit einer Ausnahme: Die SGS Essen, einziger verbliebener reiner Frauenfußball-Verein, wirtschaftet seit Jahren hervorragend. Und doch könnte das Essener Modell, die ideale Vereinbarkeit von Schule / Studium / Beruf mit Fußball, bald schon veraltetet sein.

Essen ist ganz anders als Potsdam, und doch droht ihnen, vom gleichen Schicksal eingeholt zu werden: Das nächste Opfer des Häutungsprozesses zu werden. Ob diese neue Haut der Liga eher Union-ähnlich oder Frankfurt-ähnlich aussehen wird, das wird sich zeigen - Wachstumsschmerzen, das steht zu befürchten, könnte es in beiden Fällen geben.