Treibt der BVB ein gefährliches Spiel? Transferzeugnis für Borussia Dortmund
Von Dominik Hager

Nach der insgesamt doch recht mäßigen Spielzeit 2024/25 hätte man eigentlich damit gerechnet, dass sich im BVB-Kader einiges verändern könnte. Es folgte jedoch ein Transferfenster mit wahnsinnig viel Leerlauf. Erst gegen Ende der Sommer-Transferphase schien Sportdirektor Sebastian Kehl so langsam aus dem Dornröschenschlaf erwacht zu sein.
Stellt sich nur noch die Frage, was die BVB-Neulinge leisten können und wer wirklich eine Verstärkung ist. Wir machen den Transfer-Check!
Was können die Zugänge liefern?
- Jobe Bellingham (30,5 Mio. € / AFC Sunderland)
- Fábio Silva (22,5 Mio. € / Wolverhampton
- Yan Couto (20 Mio. € / Manchester City)
- Carney Chukwuemeka (20 Mio. € / FC Chelsea)
- Daniel Svensson (6,5 Mio. € Nordsjaelland)
- Aarón Anselmino (Leihe /FC Chelsea)
Die Sehnsucht nach dem nächsten Bellingham dürfte in Dortmund groß gewesen sein, nachdem Jude den Klub im Sommer 2023 verlassen hat. Wie gut, dass der Real-Star einen jüngeren Bruder hat, der ebenfalls im zentralen Mittelfeld beheimatet ist.
Die Borussen ließen sich nicht lumpen und verpflichteten den 19-Jährigen für satte 30,5 Millionen Euro. Dem Youngster werden ähnliche Fähigkeiten nachgesagt wie seinem Bruder. Natürlich wird man aber erstmal abwarten müssen, ob er ansatzweise die gleiche Entwicklung hinlegen kann. Der Deal ist gewiss etwas riskant, kann aber auch voll aufgehen. Bislang konnte er immerhin in Ansätzen überzeugen.
Nach dem Bellingham-Deal wurde es lange ruhig. Lediglich Daniel Svensson und Yan Couto standen noch als "Neuzugänge" fest, die ja schon in der Vorsaison für die Borussen gespielt haben. Während man bei Svensson die Option freiwillig gezogen hat, musste man selbiges bei Couto tun.
Gegen Ende des Transferfenster konnte sich der BVB dann auch noch Carney Chukwuemeka nach vorangegangener Leihe fest sichern. Dem Engländer wird viel Potenzial nachgesagt, jedoch hatte er in den letzten Jahren immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen und ist noch kein wirklich etablierter Spieler.
Mit Fábio Silva hat der BVB im Sturm noch nachlegen können. Der Portugiese soll als Guirassy-Back-Up fungieren, möglicherweise aber auch als zweite Spitze neben diesem auflaufen. Silva galt einst als großes Talent, konnte sich in der Premier League aber nicht durchsetzen. Sein letzter Leih-Aufenthalt bei Las Palmas war mit zehn Treffern in 25 Spielen immerhin wieder verheißungsvoller. Dennoch kann man den Angreifer gewiss nicht als No-Brainer bezeichnen.
Der junge Anselmino kam aufgrund des personellen Engpasses in der Innenverteidigung per Leihe. Wirklich viel hat der Chelsea-Profi noch nicht vorzuweisen, jedoch ist er wohl auch nur als Stammspieler eingeplant, bis die verletzten Innenverteidiger nach und nach zurückkommen.
Unter dem Strich lässt sich bei keinem Neuzugang sagen, dass er den Schwarz-Gelben mit absoluter Sicherheit weiterhelfen kann. Mit Bellingham, Silva und Chukwuemeka kamen trotzdem Leute, die zumindest das Potenzial besitzen, die Mannschaft zu verstärken. Man darf sich aber von niemanden erwarten, sofort der Heilsbringer sein zu können.
Wie sehr schmerzen die Abgänge?
- Jamie Gittens (56 Mio. € / FC Chelsea)
- Soumaila Coulibaly (7,5 Mio. €/ Straßburg)
- Youssoufa Moukoko (5 Mio. € / Kopenhagen)
- Giovanni Reyna (4 Mio. € / Gladbach)
- Kjell Wätjen (Leihgebühr 250.000 / Bochum)
- Sébastien Haller (ablösefrei / Utrecht)
- Marcel Lotka (ablösefrei / Düsseldorf)
Keiner der Abgänge war unter Niko Kovac Stammspieler, was für die Borussen erstmal ein gutes Zeichen ist. Trotz allem zählte Jamie Gittens natürlich zu den interessantesten Spielern im BVB-Kader. Als klassischer Flügelspieler passt der Engländer nicht ins System von Kovac, jedoch muss man fortan auf den Speed und die Überraschungsmomente des Youngsters verzichten. Dafür hat man vom FC Chelsea allerdings auch sehr gutes Geld bekommen.
Die anderen Verluste wiegen wohl nicht wirklich schwer. Zwar tut es weh, mit Moukoko und Reyna zwei einst so hoch gehandelte Talente zu verlieren, jedoch hatten beide nicht wirklich Aussicht auf Spielzeit. An den Abgängen dürfte es jedenfalls nicht liegen, wenn die Saison nicht wie erhofft verlaufen sollte.
Was hätte der BVB besser machen können?
Nach den nicht ganz zufriedenstellenden letzten Jahren hätte der Umbruch noch größer ausfallen können. Es haben allerdings auch nur wenige Wackelkandidaten den Verein verlassen. Spieler wie Niklas Süle, Emre Can, Julian Brandt und Marcel Sabitzer sind noch immer da, wodurch die Verantwortlichen auf dem Transfermarkt auch nur beschränkt handeln konnten.
Gewiss muss man auch die Frage aufwerfen, ob man nicht die Gelegenheit am Schopfe packen hätte sollen, Jadon Sancho erneut zurückzuholen. Gespräche und Diskussionen soll es den gesamten Sommer über gegeben haben. Letztlich wagte man keinen Versuch, Sancho zu bekommen, weil Niko Kovac wohl nicht überzeugt war. Der Kroate lässt ohne Winger spielen, was Sancho nicht in die Karten spielt, wenngleich dieser sicher auch zentraler in der Offensive auflaufen kann. Bedenkt man, welche fußballerische Qualität Sancho mitbringt, kann man hier schon von einem möglichen Versäumnis sprechen.
Ganz generell muss man die Kovac-Taktik überdenken. Praktisch ohne Winger in die Saison zu gehen, ist riskant. Greift Plan A nicht, gibt es nur wenige Möglichkeiten, um darauf zu reagieren.
Dabei gilt zu bedenken, dass auch das System mit Schienenspielern so seine Schwachpunkte hat. Die Borussen haben hier kein wirklich herausragendes Personal. Svensson, Ryerson und bei guter Entwicklung auch Couto sind ordentliche Spieler, aber keine Offensivwaffen. Der BVB wird dieses System nie so ausnutzen können wie Leverkusen in den letzten beiden Saisons mit Jeremie Frimpong und Alejandro Grimaldo. Es ist und bleibt ein gefährliches - und nun auch fast alternativloses - Spiel.
Gesamtfazit:
Die Neuzugänge sind perspektivisch vielversprechend, wenngleich abzuwarten ist, ob die Spieler auch wirklich schon Sofortverstärkungen sein können. Am ehesten ist das von Jobe Bellingham zu erwarten, während es um Fabio Silva und Carney Chukwuemeka ein paar mehr Fragezeichen gibt.
In Sachen Verkäufen hat der BVB nicht so viel falsch gemacht, jedoch wäre ein größerer Umbruch wohl von Vorteil gewesen. Hinzu kommt, dass der BVB auf dünnem Eis wandelt, indem man den Kader voll auf ein 3-5-2-System ohne klassische Winger ausgerichtet hat. Schnelle und gleichzeitig technisch starke Spieler gibt es im Kader kaum noch. Vieles steht und fällt damit, ob die Kovac-Taktik funktioniert. Gewiss ist auch die Enttäuschung einiger Fans zu verstehen, die Sancho gerne zurück gehabt hätten.
In Summe können wir Stand jetzt von einem soliden, aber nicht wirklich prickelnden Transferfenster aus BVB-Sicht sprechen. Alles weitere muss die Saison zeigen.
Gesamt-Bewertung: 5/10
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