Totaler Gamechanger am Deadline Day? Transfer-Zeugnis für den HSV

Der HSV hat im Sommer zahlreiche Deals steigen lassen. Konnte Stefan Kuntz am Deadline Day ein absolutes Transfer-Fiasko verhindern? 90min macht den Check.
Stefan Kuntz hat auf dem letzten Drücker echte Hochkaräter verpflichtet
Stefan Kuntz hat auf dem letzten Drücker echte Hochkaräter verpflichtet / Stuart Franklin/GettyImages
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Der HSV ist zurück in der Bundesliga, jedoch war die Stimmung in den letzten Wochen wenig euphorisch, sondern ziemlich mies. Das neu zusammengestellte Team, das fortan im 3-4-3-System agieren soll, verpatzte die Testspiele völlig und machte auch in den ersten Pflichtspielen einen schwächlichen Eindruck. Die Transferpolitik schien voll nach hinten losgegangen zu sein, doch die jüngsten Deals von Stefan Kuntz lassen plötzlich wieder Hoffnung aufkeimen.

Wir bewerten die Arbeit der HSV-Verantwortlichen in unserem Transfer-Zeugnis:

Was können die Zugänge liefern?

  • Rayan Philippe (Braunschweig / 2,5 Mio. €)
  • Nicolai Remberg (Kiel / 2,4 Mio. €)
  • Nicolás Capaldo (Salzburg / 2,1 Mio. €)
  • Yussuf Poulsen (RB Leipzig / 1 Mio. €)
  • Albert Sambi Lokonga (FC Arsenal / 300.000 €)
  • Daniel Peretz (FC Bayern / Leihgebür 250.000 €)
  • Giorgi Gocholseishvili (Shakhtar / Leihgebür 250.000 €)
  • Jordan Torunarigha (Gent / ablösefrei)
  • Fabio Vieira (FC Arsenal / Leihe mit Kaufoption für 20 Mio. €)
  • Luka Vuskovic (Tottenham / Leihe)
  • Warmed Omari (Rennes / Leihe)

Der HSV hat im Sommer fleißig eingekauft, um sich den Herausforderungen in der Bundesliga zu stellen. Bereits relativ zeitnah konnte Stefan Kuntz unter anderem Rayan Philippe, Yussuf Poulsen, Daniel Peretz, Nicolás Capaldo, Warmed Omari, Nicolai Remberg, Giorgi Gocholseishvili und Jordan Torunarigha an Bord holen.

Die katastrophalen Leistungen in den Testspielen und die Fast-Blamage im DFB-Pokal deuteten allerdings klar darauf hin, dass der HSV sich mit diesen Neuzugängen keine erstligataugliche Truppe zusammenstellen konnte. Der Auftakt in die Bundesliga-Saison machte dies gerade in der Offensive noch deutlicher.

Yussuf Poulsen soll die nötige Bundesliga-Erfahrung liefern, scheint jedoch der völlig falsche Spielertyp zu sein. Jedenfalls ist er aufgrund seiner fehlenden Schnelligkeit kein Konterstürmer und genau darauf soll ja der neue Spielstil ausgerichtet sein. Der zweite Offensiv-Neuling, Rayan Philippe, hat sich bisher als ziemliche Enttäuschung erwiesen und scheint auch keine große Hilfe darzustellen.

Nicolai Remberg und Nicolás Capaldo wurden geholt, um das zentrale Mittelfeld zu stärken, nachdem Ludovit Reis den Klub verlassen hat. Beide sind grundsolide Arbeiter, aber keine herausragenden Fußballer, die offensiv mit besonderen spielerischen Fähigkeiten ankurbeln könnten.

Enorm viele Mühen wurden auch in die Defensive gesteckt und unter anderem Daniel Peretz vom FC Bayern geliehen. Der Keeper sitzt jedoch nur auf der Bank und kann dem Team somit nicht helfen. Während Gocholseishvili und Omari sich bislang solide präsentierten, entpuppte sich Torunarigha bislang als totaler Flop-Einkauf. Der frühere Herthaner sollte eigentlich der Abwehrchef werden, patzte bisher aber regelmäßig.

Kurz vor Transferende kam dann jedoch nochmal ordentlich Fahrt in eine bis dato eher fragwürdige Kaderplanung. Ende August kam Innenverteidiger-Youngster Luka Vuskovic zur Leihe, ehe es am Deadline Day spektakulär wurde. Mit Fabio Vieira und Albert Sambi Lokonga kamen gleich zwei Spieler vom FC Arsenal, die vor wenigen Jahren noch als Rising Stars betitelt worden sind. Beide dürften die Qualität im Mittelfeld der Rothosen gewaltig nach oben schrauben, sofern sie auch nur ansatzweise ihr Potenzial abrufen. Gerade Vieira verfügt über eine fußballerische Stärke, die es so im Team zuvor nicht gegeben hat.

Wie sehr schmerzen die Abgänge?

  • Ludovit Reis (Brügge / 6 Mio. €)
  • Davie Selke (Basaksehir / ablösefrei)
  • Sebastian Schonlau (Vancouver /150.000 €)
  • Lukasz Poreba (Elversberg / Leihgebür 170.000 €)
  • Matheo Raab (Union Berlin / 400.000 €)
  • András Németh (Puskas AFC / 450.000 €
  • Valon Zumberi (Vitesse Arnheim / ablösefrei)
  • Lucas Prerrin (Gijon / ablösefrei)
  • Adam Karabec (Sparta Prag / Leih-Ende)
  • Marco Richter (Mainz / Leih-Ende)

Im Endeffekt gibt es zwei Abgänge, die dem HSV so richtig wehtun. Einer davon ist Davie Selke und der andere Ludovit Reis. Selke war mit seinen Toren der ausschlaggebende Mann für den Aufstieg. Galt der Stürmer charakterlich früher eher als schwierig, schien er beim HSV so richtig aufzublühen und entwickelte sich zur Leader-Figur und Fan-Liebling. Sein Abschied in Richtung Süper Lig wiegt wahrlich schwer, selbst wenn einige Zweifel geäußert hatten, ob Selke auch in der Bundesliga so knipsen könne.

Ludovit Reis war das Herzstück im Mittelfeld der Hamburger und fungierte als Antreiber, Stratege und Balleroberer zugleich. Sein Abschied hinterlässt eine große Lücke, die von Remberg und Copaldo auch nicht so leicht kompensiert werden kann. Die Hoffnung liegt hierbei nun auf Lokonga, der aber auch ein etwas anderer Spielertyp als Reis ist und erstmal dieselbe Wichtigkeit erlangen muss.

Gewiss hätte es dem HSV auch gut getan Adam Karabec im Team zu behalten. Der junge Tscheche war in der Aufstiegssaison nicht immer gesetzt, machte aber dennoch entscheidende Scorer und überzeugte fußballerisch. Mit Vieira haben die Hamburger aber einen potenziell deutlich stärkeren Ersatz bekommen. Der Abgang von Sebastian Schonlau schmerzt, weil er als Leader-Figur wichtig war. Sportlich war der Routinier schon in der 2. Bundesliga am Ende nicht mehr so gefragt.

Die weiteren Abgänge sind für die Hamburger allesamt nicht wirklich nennenswert.

Gesamt-Beurteilung:

Lange sah es danach aus, als segle der HSV auf ein totales Transfer-Desaster zu. Die Deals, die der Klub bis kurz vor Transferschluss getätigt hat, erscheinen allesamt mittelmäßig bis unnötig. Stefan Kuntz ist es nicht gelungen, eine erstligareife Mannschaft zusammenzustellen. Was man bis jetzt vom neuen HSV-Team gesehen hat, ließe eigentlich nur den klaren Schluss zu, dass es nach einem Jahr Bundesliga sofort wieder runtergeht.

Was sich allerdings kurz vor Transfer-Ende ereignet hat, kann der totale Gamechanger sein. Sowohl Vieira als auch Lokonga bringen das Potenzial mit, die Qualität des Teams auf einem Schlag eklatant zu erhöhen. Derartige Spieler bekommt man als HSV normalerweise nicht. Auch der junge Luka Vuskovic könnte hierbei seinen Teil beitragen. Zwar wird man sehen müssen, ob Vieira und Lokonga ihre Fähigkeiten abrufen könne, jedoch ist man bereit zu sagen, dass der HSV durch diese Deals wieder eine konkrete Chance hat.

Vorteilhaft wäre es sicherlich gewesen, Davie Selke im Team zu behalten. Hier kann man dem HSV schon vorwerfen, nicht alles gegeben zu haben und die Notwendigkeit, den Stürmer im Team zu behalten, als zu gering angesehen hat. Den Sturm-Routinier hätte man im Abstiegskampf gut gebrauchen können und Poulsen scheint hier nicht der optimale Ersatz zu sein. Bei Karabec hätte man eine Weiterbeschäftigung auch durchdrücken können, jedoch war diese nicht zwingend erforderlich. Der Reis-Abschied schmerzt, war aber nicht verhinderbar, weshalb man auf der Abgänge-Seite nur von einem potenziell größeren Fehler sprechen kann.

Die Transferphase war sicherlich nicht optimal, jedoch wurde aus einer erst katastrophal erscheinenden Transferpolitik am Ende eine mit Licht und Schatten. Gerade die beiden Deadline-Day-Coups sind Kuntz durchaus hoch anzurechnen. Insgesamt ist der Kader im Vergleich zum Vorjahr definitiv stärker geworden. Ob all das dann reicht, um in der Bundesliga bestehen zu können, wird sich erst noch zeigen müssen.

Transfer-Gesamtbewertung: 5,5/10


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