Trainer 04 auf Schalke: Was will und kann Christian Gross überhaupt verändern?

Christian Gross will es beim S04 mit einer speziellen Herangehensweise schaffen
Christian Gross will es beim S04 mit einer speziellen Herangehensweise schaffen / KARIM JAAFAR/Getty Images
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In Christian Gross hat Schalke schon den vierten Trainer in der laufenden Saison eingestellt. Der Schweizer hat bereits die ein oder andere Trainingseinheit leiten können und eine eigene Herangehensweise eingebracht. Doch was kann er überhaupt noch verändern, vor allem in der Kürze der Zeit?

Der erste größere Auftritt von Christian Gross als Trainer von Schalke 04 rückt immer näher. Sechs Tage nach seiner Vorstellung wird es bereits so weit sein: Am kommenden Samstagabend ist man bei Hertha BSC zu Gast, wenn es darum geht, im 30. Anlauf endlich einen Sieg einzufahren. Nicht mehr lange und der letzte Erfolg in der Bundesliga jährt sich am 17. Januar zum ersten Mal - soweit soll und darf es nicht kommen.

Gross mit spezieller Herangehensweise und möglichen Vorteilen gegenüber der Mannschaft

Nun liegen die wenigen Hoffnungen, die überhaupt noch vorherrschen, auf Gross und seinem Stil, den er in den Verein und gegenüber der angeschlagenen wie kaum zusammenstehenden Mannschaft einbringen möchte. Seine eigene Art und sein Auftreten sollen dabei offenbar eine wichtige Rolle spielen. Laut Bild beginnt er die Gespräche dieser Tage immer mit einem Lächeln, wenn er einem einzelnen oder mehreren Spielern gegenübertritt. Es ist ein kleines, aber feines Zeichen von Optimismus und Überzeugung, das sich auf die Spieler übertragen soll. Dass er dann in der Regel ebenfalls ein freundliches Gesicht zu sehen bekommt, ist nur der erste Schritt.

Übergeordnet lassen sich wohl drei Aspekte hervorheben: Gross möchte seine Überzeugung zeigen und vermitteln. Um das wiederum zu schaffen, braucht es eine Einheit. Dennoch wahrt er gegenüber den Spielern eine gewisse Distanz, baut Autorität auf.

Dass Christian Gross auch autoritär auftreten kann, glaubt man gerne
Dass Christian Gross auch autoritär auftreten kann, glaubt man gerne / EuroFootball/Getty Images

Zum ersten Punkt: Vermitteln, schon im wörtlichen Sinne, kann der 66-Jährige optimal. Neben seinem typischen Schweiz und Deutsch spricht er auch fließend Englisch, Spanisch, Italienisch und Französisch. So gibt es im Team so gut wie keinen Spieler, mit dem er sich nicht auch unter vier Augen ganz persönlich unterhalten kann. Das schafft auch ein gewisses Level an Vertrauen und bietet gleichzeitig die Möglichkeit, einige Sachverhalte, taktische Pläne oder Forderungen besser und genauer erklären zu können.

Zum zweiten Punkt: Ohne eine feste Einheit wird es mit dem Klassenerhalt nichts. Dass der fehlende Zusammenhalt ein großes Problem ist, hat schon Manuel Baum erkannt und intern klar angesprochen. Er soll erklärt haben, dass es sich um eine "wertelose" Mannschaft handelt. "Unter ihm entwickelte sich ein unglaubliches Zusammengehörigkeitsgefühl", erinnert sich Christian Träsch gegenüber der Bild an die gemeinsame Zeit beim VfB Stuttgart. Dafür bekommen die Profis beim Training zwischendurch auch gemeinsame Aufgaben, die nichts mit dem spielerischen oder taktischen Bereich zu tun haben, sondern auf Teambuilding aus sind. "Er hat es damals so in Stuttgart geschafft, nicht nur elf oder 13 Spieler ins Boot zu holen, sondern alle", so Träsch weiter.

In Stuttgart hatte der neue S04-Coach einen starken Punkteschnitt vorzuweisen
In Stuttgart hatte der neue S04-Coach einen starken Punkteschnitt vorzuweisen / THOMAS LOHNES/Getty Images

Zum dritten Punkt: Die Autorität war wohl eines der Markenzeichen, wegen denen Gross überhaupt geholt wurde. Gesucht war, so diverse Medienberichte während der noch laufenden Trainersuche ein "harter Hund". Die Hoffnung liegt darauf, dass er es schafft, Disziplin und Ordnung in die Truppe zu bringen. Etwas, an dem sowohl David Wagner, als auch Baum scheiterten. Das sei auch ein Grund, weshalb er die Spieler siezen soll, sie ihn natürlich ebenso.

Dass er das tut, während er aber noch auf die Vornamen zurückgreift, ist das gleiche Bild, das durch die Ansprachen in den jeweiligen Muttersprachen vermittelt wird: Gross kann, will und wird der Mannschaft und allen einzelnen Spielern gegenüber Respekt und Verständnis zeigen, so ein gutes Verhältnis aufbauen - gleichzeitig jedoch eine ebenfalls wichtige Distanz wahren. In erster Linie geht es nun einmal um ein professionelles, aber gesundes Arbeitsklima. Die Situation ist schließlich bitterernst. Er "kann gut einschätzen, wann eine Mannschaft Feuer braucht und wann nicht", erzählt Träsch, der ihm zudem "einen guten Mix aus Zuckerbrot und Peitsche" attestiert.


Vorhaben vs. Realität: Was kann Gross potenziell noch verändern?

Was auf der einen Seite das Vorhaben mitsamt der jeweiligen Methoden ist, um dieses Ziel zu erreichen, ist auf der anderen Seite die tatsächliche Umsetzung. Pessimistisch kann selbstredend gefragt werden: Warum sollte ausgerechnet der Schweizer zu der Truppe durchdringen und sie zu einer Einheit formen, wenn es doch jeher so kompliziert oder gar unmöglich aussah?

Von vornherein zu glauben, dass auch er gnadenlos scheitern wird, ist zwar verständlich. Allerdings hat er schon mehrmals gezeigt, dass er derartige Situationen meistern kann. Was eindrucksvoll in Stuttgart gelang, hatte er zuvor beispielsweise schon bei Tottenham Hotspur geschafft - auch wenn das bereits einige Jahre her ist.

Auch eine Vergangenheit in der Premier League hat Gross vorzuweisen
Auch eine Vergangenheit in der Premier League hat Gross vorzuweisen / Laurence Griffiths/Getty Images

Wichtig anzumerken ist aber so oder so, dass es im spielerischen Bereich kaum noch Veränderungen geben wird oder kann. Gross wird nicht von heute auf morgen einen gänzlich anderen Fußball spielen lassen können, nicht plötzlich die Offensive beleben und die Defensive in ein Bollwerk verwandeln. Zu groß die generelle Verunsicherung, zu verfahren die Lage. Im besten Fall, und das ist schon eher optimistisch gedacht, wird man dahingehend in einigen Wochen spürbare Anpassungen merken - wenn überhaupt.

Die größte Hoffnung, was den taktischen Bereich betrifft, liegt dabei in der Schwerpunktsetzung. Eigentlich wäre es dringend und primär notwendig, dass Schalke das Toreschießen für sich entdeckt, also in der Offensive und mit dem Ball viel gefährlicher, schneller und weniger berechenbar wird. Wenn er das beispielsweise damit erreicht, dass regelmäßig und konstant ein, zwei Treffer erzielt werden, gleichzeitig aber deutlich disziplinierter und vor allem fehlerloser verteidigt wird, wird auch das die notwendigen Resultate bringen.

Ebenfalls ist es möglich und denkbar, dass einzelne Spieler unter ihm besser werden. Ein Beispiel: Wenn er es schafft, endlich Mark Uth als kreative Schlüsselfigur zwischen Mittelfeld und Sturm zu etablieren, so wie es unter Baum bereits geplant war und begonnen hatte, wäre das ein bedeutsamer Schritt. Einige Akteure könnten vom erneuten Trainerwechsel persönlich profitieren, andere werden Nachteile haben. Sei es aufgrund von anderen Anforderungen oder schlicht weniger Spielzeit.

Es gibt also auf der einen Seite Hoffnungsschimmer, die durch die anvisierte Herangehensweise und Art von Christian Gross entstehen könnten. Immerhin wurde ein solcher Ansatz bislang noch nicht wirklich ausprobiert. Andererseits gibt es auch viele Bedenken, was aufgrund der jüngeren Vergangenheit von Königsblau, aber auch der letztjährigen Arbeit des Trainers fernab von Europa und vergleichbaren Krisen ebenso verständlich ist. Gegen Berlin wird der erste wichtige Härtetest folgen.